Zum 205. Geburtstag von Karl Marx

Volkskorrespondenz zum Wochenede
Heinz Ahlreip – 20. Mai 2023

Phantastereien eines religiösen Menschen

Heinz Ahlreip

Vor 205 Jahren, am 5. Mai 1818, wurde Karl Heinrich Marx in Trier geboren. Er war er der bedeutendste Denker des 19. Jahrhunderts, ganz Deutschlands und womöglich auch weltweit der größte Denker der letzten 200 Jahre. Er war zugleich Journalist, Philosoph, Historiker, Ökonom und nicht zuletzt Berufsrevolutionär. Mit seinen journalistischen Texten entlarvte er die politischen Intrigen der Herrschenden. Mit seinen historischen Studien und philosophischen Ideen begründete er die Geschichtsphilosophie des historischen Materialismus, wonach die Geschichte der Menschen „die Geschichte von Klassenkämpfen“ sei. Mit seinen ökonomischen Studien begründete er die ebenso wissenschaftliche wie radikale Kritik der damaligen Wirtschaftstheorien und erklärte, wieso der Kapitalismus zum Scheitern verurteilt ist. Und mit seinen organisatorischen und politischen Tätigkeiten hob er die sozialistische Arbeiterbewegung auf eine neue Stufe, indem er sie auf den radikalen Bruch mit den herrschenden Verhältnissen und den Internationalismus einschwor.

Der wissenschaftliche Charakter des Marxismus liegt in seiner in revolutionärer Praxis entwickelten dialektischen Methodik der prozessualen Abbildung der Entwicklungsgesetze der Natur und der Gesellschaft im menschlichen Denken, um die revolutionäre Selbstveränderung historisch-politisch handelnder Subjekte in dialektischer Reziprozität zur objektiven Entwicklung zu gestalten, also bei gleichzeitiger Umgestaltung der objektiven Wirklichkeit von Klassengesellschaft, bis die Reziprozität erlischt, weil die kommunistische Wirklichkeit historisch-politisch handelnde Subjekte als Revolutionäre nicht mehr bedarf. Im Gegensatz zur idealistischen Dialektik mit ihren als Quelle von Ideologiegehalten wirkenden Leitmotiven: Identität-Finalismus-Teleologie begreift materialistische Dialektik wissenschaftlich-revolutionäre Tätigkeit als ein Kettenglied in der sich ständig entwickelnden Materie. Hegel offenbart alles in einem Satz aus der Phänomenologie des Geistes: „Das Ziel aber ist dem Wissen ebenso notwendig als die Reihe des Fortgangs gesteckt; es ist da wo es nicht mehr über sich selbst hinaus zu gehen nötig hat, wo es sich selbst findet und der Begriff dem Gegenstande, der Gegenstand dem Begriffe entspricht.“1 Alle Ideologiemomente der idealistischen Dialektik sind in diesem Satz Hegels versammelt, insofern in der absoluten Identität der am Anfang des Weltgeistprozesses mit „gesteckte“ Zweck abschlusshaft sich eingeholt hat. Weltgeschichte wird ideologisch und dient klassenspezifischen Herrschaftsinteressen, die von der sich historisch durchsetzenden kollektiven Produktionsweise überholt sind. „In ihrer mystifizierten Form ward die Dialektik deutsche Mode, weil sie das Bestehende zu verklären schien. In ihrer rationellen Gestalt ist sie dem Bürgertum und seinen doktrinären Wortführern ein Ärgernis und ein Greuel, weil sie in dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis seiner Negation, seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordne Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergänglichen Seite auffasst, sich durch nichts imponieren läßt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist.“2 Das die materialistische Dialektik kritisch anwendende revolutionäre Subjekt ist dabei selbst nur ein sich aufhebendes Moment in der sich ins Unendliche fortsetzenden produktiven Tätigkeit der Menschen, deshalb formulierte Marx den Kommunismus nicht als Ziel der Weltgeschichte. „Der Kommunismus ist die notwendige Gestalt und das energische Prinzip der nächsten Zukunft, aber der Kommunismus ist nicht als solcher das Ziel der menschlichen Entwicklung, die Gestalt der menschlichen Gesellschaft.“3 Der revolutionäre Wissenschaftler hebt sich in der dialektischen Erfahrung objektiver Gesetzmäßigkeit auf. „Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt.“4

„Wir erwarten alles von den Kollisionen, die aus den ökonomischen Verhältnissen hervorgehen.“ – Marx (in der Mitte mit Zeitung) und Engels (neben Marx) bei der Arbeit in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ auf einem anonymen Ölbild aus dem Jahr 1849. | Bild: Archiv RoterMorgen

Das Abbilden der Entwicklungsgesetze der Natur und der menschlichen Gesellschaft im menschlichen Denken ist philosophie- und wissenschaftsgeschichtlich insofern widersprüchlich, als es von spezifisch widersprüchlichen Klassenkonstellationen bedingt ist, die den Nachweis ermöglichen, dass der wissenschaftliche Konflikt ein Reflex der Dialektik von Revolution und Konterrevolution ist.  Der dialektischen Abbildung als dialektischer Prozess steht die ideologische entgegen, die den lebendigen Weltprozess unter die Kategorie der Ewigkeit auf eine zeitlich befristete Klassenherrschaft deformierend fixiert. Aus der Fixierung von Prozessualität ergibt sich die ideologische Weltinterpretation als verzerrte Realität, in der sich Klassenherrschaft als unabänderlichen Kristall ergibt. In der Vereinnahmung einer historisch, also nur für einen bestimmten Zeitraum tätigen und gültigen Prozesskonstellation als ewige, spiegelt sich die prätendierte Allmacht einer bestimmten Eigentumsform über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die Negierung von Weltprozess überhaupt.5 Marx und Engels haben dargelegt, dass dialektische Denkblockaden eigentumsbedingt sind: „Die interessierte Vorstellung, worin ihre eure Produktions- und Eigentumsverhältnisse aus geschichtlichen, in dem Lauf der Produktion vorübergehenden Verhältnissen in ewige Natur- und Vernunftgesetze verwandelt, teilt ihr mit allen untergegangenen herrschenden Klassen. Was ihr für das antike Eigentum, was ihr für das feudale Eigentum begreift, dürft ihr nicht mehr begreifen für das bürgerliche Eigentum.“6

DER KERN DER MARXISTISCHEN WELTVERÄNDERUNG BESTEHT IN DER REVOLUTIONÄR-MILITANTEN VERÄNDERUNG DER BÜRGERLICHEN EIGENTUMSVERHÄLTNISSE.

  1. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, Einleitung, Meiner Vlg. Hamburg, 1980,57
  2. Karl Marx, Das Kapital, MEW 23, 27f.
  3. Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW Ergänzungsband I, 546
  4. Karl Marx an Arnold Ruge, Kreuznach im September 1843, MEW 1,346
  5. Vgl. Karl Marx, Vorwort zur ersten Auflage des Kapitals, MEW 23, 16: „…daß die jetzige Gesellschaft kein fertiger Kristall, sondern ein umwandlungsfähiger und beständig im Prozeß der Umwandlung begriffener Organismus ist.“ An diesen fertigen Kristall klammert sich die Ideologie der Gegenrevolution, Nietzsche sprach schon in der „Fröhlichen Wissenschaft“ vom nichtgewordenen Kreislauf der Geschichte. Alles Werden sei nur innerhalb dieses Kreislaufs. Nach seiner Proklamation des Sieges des Seins über das Werden bezichtigt er alle Denker, die die Geschichte als einen ständig Neues produzierenden Prozess abbilden, als Theologen. Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist für Nietzsche noch die mildeste Form der Grausamkeit des Lebens.
  6. Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4,478. Engels weist bei der Behandlung der spezifisch kapitalistischen Wohnungsfrage durch den bürgerlichen Sozialismus darauf hin, dass dieser die Lösung dieser Frage durch die völlige Umwälzung der bürgerlichen Gesellschaft tabuisieren muss. „Er DARF (kursiv von Engels) sich die Wohnungsnot nicht aus den Verhältnissen erklären.“ (Friedrich Engels, Zur Wohnungsfrage, in: Marx Engels Werke Band IV, Dietz Verlag Berlin, 1920,220).


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Über den Autor:
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse. Ahlreip arbeitete als Lagerarbeiter u. a. bei Continental in Hannover und bis zum Rentenbeginn als Gärtner für Museumsstätten und Friedhöfe.

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