BIP-Aktuell – 6. Juni 2021
Geschichte und Entwicklung der Bewegung des islamischen Widerstands
Die Hamas-Partei existiert seit über dreißig Jahren und wurde zur stärksten bewaffneten Gruppe im Kampf gegen die israelische Besatzung. Die Ereignisse vom Mai 2021 erhöhten ihre Popularität unter den Palästinensern. Ermordungen von hochrangigen Hamas-Führern machten die Hamas nur militanter. Die Vorenthaltung der Rechte der Palästinenser durch den Westen hat die Hamas stärker gemacht.
Die Hamas-Partei ist ein wichtiger politischer Akteur in Palästina. Unter den verschiedenen palästinensischen Gruppen, Bewegungen und politischen Parteien ist die Hamas in Deutschland sehr wenig bekannt. Deutsche Journalisten und Politiker begehen oft den Fehler, als seien alle oder die meisten Palästinenser Hamas-Anhänger. Die Realität ist komplexer.
Die Hamas-Partei wurde 1987 gegründet, kurz vor dem Ausbruch der Ersten Intifada, dem palästinensischen Aufstand gegen die israelische Besatzung. Die Hamas wurde eng mit der Muslimbruderschaft in Verbindung gebracht, jedoch geht die akademische Debatte bis heute weiter, inwieweit die Hamas-Partei Teil der Bewegung der Muslimbruderschaft ist. Diese hat ihrerseits unterschiedliche Erscheinungsformen in verschiedenen Ländern.
Die Bedeutung des Namens Hamas enthält einen inneren Widerspruch. Er ist ein Akronym des arabischen Namens „Harakat almuqawama Islamiya“ (حركة المقاومة الإسلامية) und bedeutet „Bewegung des islamischen Widerstands“, aber das für den Widerstand gewählte Wort „muqawama“ wird mit dem säkularen palästinensischen Widerstand gegen die israelische Besatzung assoziiert, der nicht auf muslimischen Werten, sondern auf nationaler Identität beruht. Diese Spannung zwischen Religion und Nationalismus ist ein wichtiges Element der Hamas-Partei seit ihrer Gründung bis heute.
Die Hamas-Partei wurde nicht vom israelischen Geheimdienst gegründet, obwohl ein solcher Mythos unter palästinensischen Solidaritätsaktivisten weit verbreitet ist. In den 1980er Jahren wurde der palästinensische Widerstand von der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) angeführt, bei der sozialistische und demokratische Parteien eine Mehrheit haben. Die israelische Besatzungsmacht erließ 1967 in den besetzten Gebieten die Anordnung 101. Sie untersagt den Menschen das Recht, sich in Gruppen von mehr als neun Personen zu versammeln, zu demonstrieren oder gar über Politik zu diskutieren. Israelische Geheimpolizisten haben jedoch beschlossen, die Order 101 innerhalb von Moscheen im Westjordanland und im Gazastreifen nicht durchzusetzen, um eine muslimische Opposition zur PLO zu fördern. Die Gründer der Hamas-Partei konnten sich daher treffen und reden, ohne verhaftet zu werden. Dies war die Quelle des Mythos der Gründung der Hamas durch israelische Kräfte.
Die Hamas ist nicht nur eine politische Partei, sondern auch eine soziale Bewegung. Sie hat eine doppelte Struktur. Ein Flügel der Organisation ist der politische Flügel und der andere der militärische. Beide Flügel sind nicht demokratisch, da ein geheimes Netzwerk religiöser Führer die Mitglieder eines kleineren Komitees wählt, das die Führer der Bewegung auswählt.
Die Hamas-Partei ist weder die einzige muslimische Partei in Palästina noch ist sie die am stärksten religiöse. Sie setzt sich weniger für eine islamische Regierung ein als die Partei Islamischer Dschihad. Die Hamas hat jedoch eine klare Agenda zur Befreiung Palästinas durch Waffengewalt. Anders als die Fatah-Partei, die die Befreiung durch Diplomatie sucht, und anders als die Basisorganisationen, die die Befreiung durch Proteste, Boykott und zivilen Ungehorsam anstreben, besteht die Hamas darauf, dass nur Waffen eine Chance haben, die israelische Besatzung zum Rückzug zu zwingen.
Nach dem Terroranschlag des jüdisch-israelischen Kolonisten Baruch Goldstein im Februar 1994 auf das Grabmal Abrahams in Hebron, bei dem 29 Palästinenser in der Moschee ermordet und 125 verletzt wurden, begann die Hamas-Partei eine Kampagne von Selbstmordattentaten auf zivile israelische Ziele. Diese Kampagne trug wesentlich dazu bei, dass die Likud-Partei unter der Führung von Benjamin Netanjahu 1996 an die Macht kam. Sowohl die Hamas als auch Netanjahu waren gegen die Osloer Friedensverhandlungen und wollten diese stoppen. 154 Israelis wurden in den 1990er Jahren von Selbstmordattentätern getötet.
Während der Zweiten Intifada, die im September 2000 begann, kämpften Hamas-Kämpfer an der Seite von Kämpfern anderer palästinensischer Parteien, einschließlich der Fatah und der linken Parteien. Die internationale Empörung über die Selbstmordattentate überzeugte die Hamas-Führung im Jahr 2006, keine Selbstmordattentate mehr zu befehlen. Israelische Politiker behaupteten, dass der Grund für das Ende der Selbstmordattentate die Trennungsmauer sei, aber 2006 war die Mauer noch lange nicht fertig gebaut.
Der Führer der Hamas-Partei war Scheich Ahmed Yassin, ein fast blinder, querschnittsgelähmter Flüchtling, dessen Familie 1948 in den Gazastreifen vertrieben wurde. Er wurde zum geistigen Führer der Bewegung. Er gründete die Hamas zusammen mit Abdel Aziz al-Rantisi (siehe unten) und wurde zwei Jahre später vom israelischen Militär inhaftiert und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. 1997 scheiterte der israelische Mossad mit der Ermordung des ranghohen Hamas-Funktionärs Khaled Mashal in Jordanien. Im Austausch für die Freilassung der Mossad-Agenten entließ Israel Jassin aus dem Gefängnis, der nach Gaza zurückkehrte, wo er im März 2004 von israelischen Hubschraubern in seinem Rollstuhl sitzend zusammen mit neun Unbeteiligten durch Hellfire-Raketen ermordet wurde.
Die Gründungscharta der Hamas-Partei ist eine kämpferische und rassistische Erklärung. Sie differenziert nicht zwischen dem Staat Israel und dem jüdischen Volk und ist daher ein antisemitisches Dokument. Die Charta wurde innerhalb der Hamas-Partei heftig diskutiert. Abdel-Aziz Al-Rantisi war einer der Hauptbefürworter einer Änderung der Charta und trat für eine Unterscheidung zwischen Juden, Zionismus, dem Staat Israel und der Besatzung als vier unterschiedlichen Begriffen ein. Al-Rantisi bot 2004 einen zehnjährigen Waffenstillstand mit Israel an (hudna auf Arabisch, eine muslimische Tradition zur Überwindung langfristiger Fehden), wonach die israelische Besatzung im Westjordanland und im Gazastreifen beendet und ein palästinensischer Staat gegründet werden sollte. Die israelische Regierung lehnte das Angebot ab und ermordete Al-Rantisi am 18. April 2004 durch einen Luftangriff. Nachdem beide Gründer der Hamas von Israel ermordet worden waren, wurde es für die Hamas-Partei politisch schwierig, ihre Charta zu ändern. Dies hätte man als einen respektlosen Akt gegenüber ihren Märtyrern angesehen.
Stattdessen gab die Hamas-Führung 2017 ein neues politisches Dokument heraus, das 42 Klauseln enthält und klarstellt, dass die Hamas-Partei nicht gegen Juden oder das Judentum, wohl aber gegen die israelische Besatzung kämpft. Das Dokument von 2017 lehnt den Staat Israel weiterhin ab, stellt aber auch klar, dass die PLO die vereinbarte Vertreterin des palästinensischen Volkes ist und sie daher stillschweigend das Recht der PLO akzeptiert, den Staat Israel anzuerkennen, wie diese es bereits 1993 getan hat, und einen Friedensvertrag mit ihm zu unterzeichnen. Die Europäische Union und die USA haben die Hamas jedoch nicht von der Liste der Terrororganisationen gestrichen, und in der Tat hat die Hamas-Partei nichts dadurch gewonnen, dass sie ihre Richtung geändert und ihre antijüdische Sprache aufgegeben hat.
Die einzigen Wahlen in der Palästinensischen Autonomiebehörde fanden im Januar 2006 statt. Der Sieg der Hamas-Partei überraschte die israelische Regierung. Viele Palästinenser stimmten für die Hamas aus Protest gegen die Fatah-Führung. Die internationale Gemeinschaft weigerte sich, das Wahlergebnis anzuerkennen und fror in einem Akt kollektiver Bestrafung Hilfsgelder ein. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas rief daraufhin den Notstand aus und ernannte mit Salam Fayyad einen nicht gewählten Premierminister. Als Reaktion darauf übernahm die Hamas-Partei gewaltsam den Gazastreifen und setzte dort eine Regierung ein.
Die Spaltung zwischen der Hamas-Partei und der Palästinensischen Autonomiebehörde unter der Fatah dauert bis heute an und dient vor allem den Interessen der israelischen Besatzungsmacht. Präsident Abbas weigert sich, den Gazastreifen zu übernehmen, indem er sich auf die Gewalt des israelischen Militärs verlässt. Er hat die israelische Regierung gedrängt, die Belagerung des Gazastreifens zu verschärfen und die Benzinlieferungen in den dicht besiedelten Küstenstreifen zu reduzieren. Abbas hatte sich gelegentlich geweigert, die Stromrechnung für Gaza an Israel zu zahlen, um so Druck auf die Hamas auszuüben. Sowohl die Hamas- als auch die Fatah-Führung haben zwar über Versöhnung gesprochen, aber internationale Akteure wie die USA, die EU, Ägypten und VAE drohen mit Maßnahmen gegen die Palästinensische Autonomiebehörde, falls diese mit der Hamas kooperiert. Die Hamas hat zugestimmt, die Kontrolle über den Gazastreifen kampflos an die Palästinensische Autonomiebehörde abzugeben, unter der Bedingung, dass sie ihre Waffen behalten darf, um sie gegen das israelische Militär einzusetzen (Quelle auf Hebräisch), was die Fatah verweigerte. Schließlich einigten sich beide Seiten darauf, im Jahr 2021 Wahlen in drei Runden abzuhalten. Die Wahlen wurden von Abbas abgesagt, nachdem Israel sich weigerte, Palästinensern in Ostjerusalem die Teilnahme an den Wahlen zu erlauben.
Der militärische Flügel der Hamas erwies sich als erfinderisch in seiner Fähigkeit, Waffen und Technologien zu entwickeln, um das israelische Militär trotz der Belagerung weiterhin anzugreifen. Er verlässt sich auf Mörser mit kurzer Reichweite, Panzerabwehrraketen und leichte Waffen, um israelische Bodeninvasionen abzuschrecken, sowie auf improvisierte Mittelstreckenraketen, um israelische Städte anzugreifen. Der Einsatz von wahllosen Raketen gegen die Zivilbevölkerung ist ein Kriegsverbrechen. Daher erklärte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) seine Absicht, gegen die Hamas-Partei wegen des Einsatzes dieser Raketen zu ermitteln. Anders als die israelische Regierung, gegen die ebenfalls ermittelt werden soll, hat die Hamas der Untersuchung zugestimmt und versprochen, mit dem IStGH zu kooperieren. Die Hamas hat auch ihre eigenen kostengünstigen Drohnen und sogar ein kleines ferngesteuertes U-Boot entwickelt. Noch wichtiger ist, dass sie Tunnel benutzt, um sich vor israelischen Luftangriffen zu schützen, eine Taktik, die sich sowohl 2014 als auch 2021 in den Konfrontationen mit dem israelischen Militär als sehr effektiv erwies.
Die Verbindung der Hamas mit der Muslimbruderschaft hat dazu geführt, dass die ägyptische Regierung unter Abdel Fatah Al-Sisi der Hamas-Partei sehr feindlich gegenübersteht. Nach dem Putsch in Ägypten von 2013 gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi von der Muslimbruderschaft schloss Präsident Al-Sisi die Grenzübergänge zwischen Ägypten und dem Gazastreifen und koordinierte die Belagerung des Gazastreifens mit der israelischen Regierung.
Die Popularität der Hamas ist unter den Palästinensern seit ihrer Übernahme des Gazastreifens im Jahr 2007 gesunken, weil viele palästinensische Organisationen, Intellektuelle, Politiker und Journalisten argumentierten, dass gewaltfreie Protestformen wie BDS (Boykott, Divestment und Sanktionen) und der Große Marsch der Rückkehr effektiver gegen die israelische Besatzung sein können als bewaffnete Gewalt. Die Hamas-Partei ist da anderer Meinung. Die gewaltsamen Ereignisse vom Mai 2021, bei denen israelische Streitkräfte über 250 Palästinenser töteten (13 Israelis wurden getötet), wurden dennoch sowohl von der israelischen als auch von der palästinensischen Gesellschaft als ein Sieg der Hamas und als eine Bekräftigung ihrer Behauptung wahrgenommen, dass bewaffneter Widerstand effektiver sei als gewaltloser Protest.
Außerhalb Palästinas erhält die Hamas Unterstützung von der Erdogan-Regierung in der Türkei und vom Iran. Früher unterhielt die Hamas enge Beziehungen zur Assad-Regierung in Syrien, aber sie verschlechterten sich, als die Hamas die Gewalt gegen Zivilisten durch das Assad-Regime kritisierte. Obwohl das Völkerrecht vorschreibt, dass Israel als Besatzer die Verantwortung gegenüber der Bevölkerung des Gazastreifens trägt, ist es in Wirklichkeit Katar, das Geld an die Hamas-Regierung in Gaza schickt. Ohne diesen Transfer würden Tausende an Hunger und Krankheit sterben. Das Geld wird mit israelischer Genehmigung und unter israelischer Aufsicht überwiesen.
In den deutschen Medien wird die Hamas-Partei kaum verstanden. Während Antideutsche „Befreit Gaza von der Hamas!“ rufen (eine Aussage, die nicht durch Sympathie für Palästinenser motiviert ist, die sich gegen die Hamas-Regierung in Gaza stellen), bezeichnet die ARD-Tagesschau die Bewegung jedes Mal mit dem sperrigen Titel „radikal-islamische Terrorgruppe Hamas“, eine islamfeindliche Aussage, weil jüdische Terrorgruppen nicht als solche bezeichnet werden. Die Deutsche Welle veröffentlichte einen oberflächlichen Bericht über die Hamas, der sich auf ihre militärischen Fähigkeiten konzentrierte, aber nicht auf ihre Ziele oder auf ihre Ideologie. Außenminister Heiko Maas behauptete, für die Eskalation im Mai 2021 sei ausschließlich die Hamas verantwortlich.
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Erstveröffentlichung am 5. Juni 2021 auf »BIB-Aktuell«. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers. Das Beutragsbild wurde von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.
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Für mich ist die Hamas antisemitisch, ergo Judenfeindlich. Das steht auch in ihrer Carta. Die Hamas bekämpft auch die PFLP die für ein Zusammenleben von Juden und Palästinenser sind.
Hier habe ich Mal einen Interessanten Artikel( Analyse über die PFLP) https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=2936191013261100&id=100006106901532
„Der Koran und die auf ihm fußende muselmanische Gesetzgebung reduzieren Geographie und Ethnographie der verschiedenen Völker auf die einfache und bequeme Zweiteilung in Gläubige und Ungläubige. Der Ungläubige ist „harby“, d. h. der Feind. Der Islam ächtet die Nation der Ungläubigen und schafft einen Zustand permanenter Feindschaft zwischen Muselmanen und Ungläubigen.“ (Karl Marx) – Vgl. „Die Kriegserklärung“ des Islam, MEW, Bd. 10. S. 170 –176.