Hört auf, die Lohnsenkungen schön zu reden!


Paul Gerber »perspektive online« – 16. Januar 2022

Die Prognosen des statistischen Bundesamts über die Lohnentwicklung zeigen deutlich: Im Durchschnitt werden unsere Löhne deutlich sinken. Eine Allianz von Kapitalisten/-innen bis Gewerkschaften gibt das nicht gerne zu.

Die Prognose des Statistischen Bundesamts über die durchschnittliche Lohnentwicklung im Jahr 2021 ist da, und für uns Arbeiter/innen ist es keine gute Prognose. Zwar sind die Entwicklungen aus dem letzten Quartal noch nicht einberechnet, aber sie werden das Ergebnis wohl kaum nach oben korrigieren: 1,3% Lohnsteigerungen erwartet das statistische Bundesamt für 2021 im Durchschnitt.

Demgegenüber steht eine prognostizierte Steigerung der Verbraucherpreise um 3% – wohlgemerkt für das ganze Jahr im Durchschnitt. Denn zuletzt lag die Preissteigerung ja bekanntlich bereits deutlich über 5%.

Es kann einem nur die Zornesröte ins Gesicht treiben, wenn im Angesicht dieser saftigen Lohnsenkungen für die ganze Arbeiter/innenklasse Wirtschaftswissenschaftler/innen, Unternehmensvorstände, aber eben auch Gewerkschaftsvertreter/innen die von ihnen verhandelten Tarifabschlüsse schön reden.

Oft wird dabei behauptet, Lohnsenkungen unter der Preissteigerung würden ja durch Corona-Prämien ausgeglichen. Aber diese Corona-Prämien gleichen überhaupt nichts aus! Sie sind eben ein einmaliger Bonus. Selbst wenn sie – bezogen auf ein Jahr – vielleicht  rechnerisch und punktuell den Reallohnverlust ausgleichen oder abschwächen, tun sie das eben nicht auf Dauer.

Auf Dauer wird das Lohnniveau nach unten abgesenkt. Aber die Chefs der großen Gewerkschaften reden derartige Ergebnisse lieber als „respektables Ergebnis“ schön (ver.di-Chef Frank Werneke zum Abschluss in der Tarifverhandlung der Länder), statt klar auszusprechen, dass man sich hier auf eine dauerhafte Reallohn-Senkung eingelassen hat.

Auch die Prognosen des statistischen Bundesamts, dass in irgendeiner nebulösen Zukunft deutliche Lohnsteigerungen kommen würden, sind nicht mehr als Schall und Rauch. Für das nächste Jahr jedenfalls prognostizieren sie ja schon jetzt klipp und klar, dass es mit den Lohnsenkungen weiter gehen wird. Sie erwarten eine noch krassere Teuerung als schon dieses Jahr (3,3%) und versprechen uns Lohnerhöhungen von gerade mal 2,4%.

Ob diese Prognose – wie so viele andere – nicht dann noch durch eine für uns deutlich unangenehmere Realität überholt wird, steht dabei noch auf einem anderen Blatt. Nicht zuletzt wird es davon abhängen, ob wir uns kollektiv diese Lohnsenkungen gefallen lassen, oder ob wir Widerstand entwickeln und durchsetzen, dass unsere Löhne mindestens an die Teuerung unserer Lebensmittel angepasst werden.
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Erstveröffentlichung am 16. Dezemberber 2021 auf »perspektive«. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers. Bilder und Bilduntertexte wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.

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7 Kommentare

  1. Die Löhne werden nur so hoch steigen, wie Arbeitnehmer/innen dafür kämpfen. Wer sich nicht beteiligt kann nix erwarten. Häufig ist die Beteiligung (bei Aktionen & Streiks) der Beschäftigten einfach zu gering. Auch die Bereitschaft Mitlgied einer Gewerkschaft zu werden ist nicht oft nicht da.
    Da können die Gewerkschaften dann auch nix für. Mehr als aufrufen und mobilisieren, erklären und wachrütteln können die auch nicht. Am Ende müssen die Beschäftigten sich selbst an die Nase fassen. Ich vermute eher, dass die Gewerkschaften das so formulieren, weil die Lohnsteigerungen rausgeholt wurden, die möglich waren unter den Umständen (geringe Beteiligung).

    • Genau so ist es! Tariferhöhungen konsumieren die Beschäftigten in der Regel als Zuschauer (passiv) und nicht als Gewerkschaftsmitglied im Warnstreik vor dem Werkstor (aktiv). Die sind irgendwann mal falsch abgebogen und glauben jetzt, die Löhne steigen irgendwie von selbst und man muss dafür nichts machen. Schon gar nicht Mitglied einer Gewerkschaft werden; kostet ja nur unnötig Geld.

        • Das ist leider ein gesellschaftliches Problem. Die Menschen empfinden sich selber als schwach und einem System ausgeliefert. Deshalb werden sie nicht aktiv. Und we zu wenig aktiv werden, bricht den Gewerkschaften die Macht weg. Und we die Macht wegbricht entsteht der Eindruck man könne nichts tun und sei einem System ausgeliefert… Eine Abwärtsspirale. Wasan dagegen tun kann? Nicht aufgeben, notfalls gegen Windmühlen kämpfen und lernen bescheidene Erfolge zu feiern statt sich gegenseitig noch weiter runter zu ziehen

          • Nun das ist aber wirklich zu einfach. Es sind nicht nur die gesellschaftlichen Verhältnisse, nicht nur die fehlende individuelle Einsicht. Es ist schon komplizierter. Und es gibt auch Länder mit deutlich höherem Organisationsgrad.

  2. Lohnsenkungen sind eine Methode der Kapitalisten zur Stabilisierung der Profitrate. Deshalb wundert mich da nichts. Traurig ist nur, dass sich kaum jemand wirklich dagegen wehrt.

  3. Das geht so weiter: Entmokratisierung auf allen Ebenen, EU-Aktiengesetz zerstört Personal und Betriebsräte. 70 Prozent der AGs haben kein Tarifrecht mehr etc. Und Ihr palavert. Ab 2000 nennt sich das globaler Gierkapitalismus, Gott wirst du ab 20illiatden Bill, Tesla und Amazon sind die neuen Götter.

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