Die Filmzensur durch den Interministeriellen Ausschuss für Ost/West-Filmfragen

Redaktion – 11. März 2023

Filmzensur – das hört sich nach der in der DDR ausgeübten Praxis an Filme, die nach Meinung eines Gremiums im Widerspruch zum Staatsziel stehen, dem Volk vorzuenthalten. Was aber kaum jemand weiß, ist die Tatsache, dass in der jungen BRD die Filmzensur ein erheblich größeres Ausmaß hatte. Das betraf alle Filme aus dem Ausland und ganz besonders die deutschen Filmproduktionen aus der DDR. 66 Filme aus der DDR dufte der Bundesbürgen nicht sehen!

In vielen westlichen Staaten versuchten Politiker, ihre Bevölkerung vor dem Einfluss »aus dem Osten« zu schützen, indem sie ausländische Filme zensierten. In der Bundesrepublik wurde dafür eigens ein Regierungsausschuss ins Leben gerufen, der in den 1950er und 1960er Jahren für die Kontrolle all jener ostdeutschen und osteuropäischen Filme zuständig war, die in der Bundesrepublik aufgeführt werden sollten.

Die Initiative zur Gründung des Interministeriellen Ausschusses ging vom Bundesministerium des Innern (BMI) aus. Im BMI fand am 5. Januar 1953 eine Besprechung statt, an der Vertreter verschiedener Ministerien und Bundesbehörden teilnahmen. Auf der Tagesordnung stand das Thema »Import von Filmen aus sowjetisch dirigierten Ländern«. Das als »streng vertraulich« eingestufte Protokoll der Sitzung gibt einen Einblick in die Motive, die zur Gründung des Ausschusses führten: Zukünftig sollten in der Bundesrepublik nur noch Filme zu sehen sein, »die inhaltlich politisch einwandfrei sind«.1 Einstimmig beschloss man, einen Prüfungsausschuss einzurichten, dem die Kontrolle der Filme übertragen wurde. Den Vorsitz in diesem Ausschuss übernahm das Bundeswirtschaftsministerium. Die personelle Zusammensetzung des Ausschusses variierte in den kommenden Jahren sehr stark, im Durchschnitt beteiligten sich etwa 10 bis 20 Beamte aus unterschiedlichen Ministerien und Bundesämtern an den Filmvorführungen.

Das Gremium praktizierte im Auftrag der Bundesregierung bereits seit mehreren Jahren eine staatliche Filmzensur, die es laut Grundgesetz gar nicht hätte geben dürfen.2 Die Rückversicherung durch das Bundeskanzleramt und die direkte Weisung Konrad Adenauers belegen indes, dass die Filmzensur nicht nur toleriert, sondern auch von höchster Stelle persönlich unterstützt wurde.

Mit Beginn des Jahres 1967 wurde die Filmprüfung vollständig dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft übertragen. Das Bundesamt übermittelte bereits seit 1961 anstelle des Wirtschaftsministeriums die Entscheidungen des Interministeriellen Ausschusses an die Antragsteller. Der Ausschuss hat seine Tätigkeit spätestens Anfang des Jahres 1967 eingestellt.3

Folgt man den statistischen Erhebungen von Stephan Buchloh, der in seiner grundlegenden Untersuchung zur Zensur in der Adenauer-Ära auch den Interministeriellen Ausschuss genauer betrachtet hat, dann wurden zwischen 1953 und 1966 etwa 3.180 osteuropäische Filme geprüft, von denen ca. 130 keine Aufführungsgenehmigung erhielten.4 Insgesamt hat der Ausschuss 634 Filme aus der DDR gesichtet, überwiegend Produktionen aus den verschiedenen DEFA-Studios, aber vereinzelt auch vom Deutschen Fernsehfunk (DFF). Von diesen Filmen wurden 522 ohne Beanstandung freigegeben – 66 erhielten keine Freigabe, in 39 weiteren Fällen wurden die Produktionen nur mit Einschränkungen, d. h. mit Schnittauflagen oder für einen bestimmten Zuschauerkreis freigegeben. Von den zensierten Filmen erhielten 19 Filme nach einer erneuten Prüfung eine vollständige und fünf eine eingeschränkte Freigabe.

Die Tätigkeit des Ausschusses in der Tat ein aussagekräftiges Beispiel für ein autoritäres Staatsverständnis, dass sich weniger an den Maßstäben der Verfassung orientierte als an den Interessen der Regierungspolitik. Das im Grundgesetz verankerte Zensurverbot spielte für die Mitglieder des Ausschusses nur eine untergeordnete Rolle, wenn es darum ging, über ein mögliches Verbot zu befinden ihre Auftraggeber saßen in den Aufsichtsräten der Industrie und der Banken, vertreten durch ihre Marionetten in den Parlamenten. Die „fleißigen“ Beamten des Ausschusses nahmen für sich Anspruch, die Bevölkerung vor kommunistischer Propaganda schützen zu müssen, selbst wenn es dafür keine ausreichende gesetzliche Grundlage gab. Die Geschichte des interministeriellen Ausschusses ist fast die gleiche wie die der systematischen Überwachung des Post- und Fernmeldewesens in der Bundesrepublik.5

  1. Protokoll einer Sitzung im Bundesministerium des Innern am Montag, den 5. Januar 1953 zur Frage des Imports von Filmen aus sowjetisch dirigierten Ländern. BArch Koblenz, B 102/34486, n. pag
  2. Art. 5, Abs. 1 des GG schloss eine Zensur aus. Einschränkungen des Zensurverbots waren nur durch »allgemeine Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre« möglich (Abs. 2). Im Hinblick auf Filmzensur galt dies zum Beispiel für die Arbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), die seit 1949 Filme prüft und die Freigabe von Filmen fürs Kino von einer bestimmten Altersgrenze abhängig machen kann. Vgl. speziell zur Arbeit der FSK die Arbeit von Jürgen Kniep: »Keine Jugendfreigabe!« Filmzensur in Westdeutschland 1949-1990, Göttingen 2010.
  3. Das letzte im Bundesarchiv Koblenz archivierte Sitzungsprotokoll des Ausschusses datiert auf den 21.2.1967. Ob danach noch weitere Sitzungen stattfanden, ist unklar.
  4. Vgl. Stephan Buchloh: »Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich«. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas. Frankfurt/Main, New York: Campus 2002, S. 218-249.
  5. Vgl. Jörg Foschepoth: Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012.
Die 66 zensierten
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1949 – Die Buntkarierten
von Kurt Maetzig

Kurt Maetzig†

1949 – Rotation
von Wolfgang Staudte

1950 – Der Rat der Götter
von Kurt Maetzig
1952 – Roman einer jungen Ehe
von Kurt Maetzig
1952 – Das verurteilte Dorf
von Martin Hellberg
1952 – Frauenschicksale
Slatan Dudow
1953 – Geheimakten Solvay
von Martin Hellberg
1953 – Anna Susanna
von Richard Nicolas
1953 – Die Unbesiegbaren
von Arthur Pohl
1954 – Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse
von Kurt Maetzig

1954 – Stärker als die Nacht
von Slatan Dudow

1955 – Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse
von Kurt Maetzig
1956 – Der Teufelskreis
von Carl Ballhaus
1956 – Der Hauptmann von Köln
von Slatan Dudow
1957 – Schlösser und Katen
von  Kurt Maetzig
1957 – Lissy
von Konrad Wolf
1958 – Das Lied der Matrosen
von Kurt Maetzig und Günter Reisch

Günter Reisch†

1958 – Sie nannten ihn Amigo
von Heiner Carow
1960 – Fünf Patronenhülsen
von Frank Beyer
1961 – Mutter Courage und ihre Kinder
von
Peter Palitzsch und Manfred Wekwerth
1961 – Der Fall Gleiwitz
von Gerhard Klein
1962 – Königskinder
von Frank Beyer
1962 – Die Jagd nach dem Stiefel von Konrad Petzold
1963 – Geheimarchiv an der Elbe
v
on Kurt Jung-Alsen
1963 – For Eyes Only
von János Veiczi
1963 – Das Lied vom Trompeter
von Konrad Petzold

1963 – Preludio 11
von Kurt Maetzig
1965 – Die Abenteuer des Werner Holt
von Joachim Kunert

1965 – Solange Leben in mir ist
von Günter Reisch

1966 – Lebende Ware
von Wolfgang Luderer
1967 – Die gefrorenen Blitze
von János Veiczi
1968 – Ich war neunzehn
von Konrad Wolf
1968 – Die Toten bleiben jung von Joachim Kunert
1968 – Mohr und die Raben
von London Helmut Dziuba

1970 – Meine Stunde Null
von Joachim Hasler 
1971 – KLK an PTX – Die Rote Kapelle
von Horst E. Brandt 
1972 – Trotz alledem!
von Günter Reisch
1974 – Wolz – Leben und Verklärung eines deutschen Anarchisten
von Günter Reisch

1977 – Mama, ich lebe
Мама, я жив
von Konrad Wolf
1982 – Sonjas Rapport
von Bernhard Stephan
1987 – Käthe Kollwitz – Bilder eines Lebens
von Ralf Kirsten

Anhang:

ZENSUR IN DER BRD – Was der „Westbürger“ nicht sehen durfte.
Ein Dokumentarfilm von Malte Ludin.

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Teil 1

Teil 2

Quellen:
– Hosteni, Magdeburg
– Filmzensur OST-WEST, ein Projekt der DEFA-Stiftung
.

Anhang:

Hosteni

Filme aus der DDR sind alles Propagandafilme verkündetet die bürgerliche Presse schon damals, doch halbe Wahrheiten sind ganze Lügen. Auch im kulturellen Breich!

Am 17. Mai 1946 wurde in Babelsberg die staatliche Filmgesellschaft DEFA gegründet

Die Hauptträger der Filmpro- duktion in der DDR – und damit auch die größten Produzenten – waren die Deutsche Film AG (DEFA), die 1946 als Deutsche Film AG gegründet wurde, und das Fernsehen der DDR.

Entgeggen der landläufigen Meinung gab es in der DDR eine ganze Reihe von Filmstudios und -produzenten. Das waren unter anderem:

  • privatrechtlich organisierte Firmen (beispielsweise Studio H&S)
  • Studios bei Einrichtungen und Ministerien (beispielsweise das Filmstudio des Zentralen Forschungsinstituts für Arbeit, Filmstudio der NVA)
  • Studios, die zu Betrieben gehörten (beispielsweise das Filmstudio der Deutschen Reichsbahn, Filmstudio „aktuell“ der SDAG Wismut) sowie
  • Studios freiberuflicher Filmschaffender (beispielsweise Filmstudio Lustermann in Erfurt)
  • Hinzu kamen zahlreiche Amateur- und semiprofessionelle Filmstudios, die von Betrieben und Massenorganisationen getragen wurden und oft hauptamtliche Leiter und Mitarbeiter hatten bzw. deren Mitarbeiter von anderen Arbeitsverpflichtungen in ihren Betrieben freigestellt wurden.
  • Eine weitere Institution, die eigene Filme produzierte, war die Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam (HFF).

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