Die (Bankrott-)erklärung des DGB zum Antikriegstag

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>>PERSPEKTIVE online – 28. Juli 2022

Anlässlich des 1. Septembers hat der DGB einen Erklärung mit dem Titel “Für den Frieden!” veröffentlicht. Wer sich davon jedoch eine klare Abgrenzung von der momentanen deutschen Außenpolitik erhofft, die auf eine weitere Eskalation des Ukraine-Kriegs hinausläuft, wird enttäuscht. Ein Kommentar von Philipp Nazarenko.

Der sog. „Deutsche Gewerkschaftsbund“, der vom deutschen Staat anerkannte Dachverband der meisten größeren Gewerkschaften in der BRD z.B. Ver.di oder IG Metall, war lange Zeit ein einflussreicher Akteur in der bundesdeutschen Friedensbewegung.

So steht der Aufruf zum internationalen Antikriegstag in einer langen Tradition, wenngleich die aktive Beteiligung an diesen Aktionen seit Jahren rückläufig ist. Zu konkreten Aktionen am 1. September ruft der DGB dabei dieses Jahr gleich gar nicht erst auf.

Der DGB und seine Gewerkschaften stehen vielerorts in der Kritik, sich eher als Partner der Konzerne und der Chefs zu verstehen , statt als Kampforganisationen der Arbeiter:innen. Auch grundlegende Kritik am bürgerlichen Staat liegt dem DGB fern, man sieht sich auch hier eher in einer Partnerschaft.

Genau in diesem Stil ist auch die zentrale Erklärung zum 1. September gehalten: Der Gewerkschaftsverbund versucht sich als fortschrittliche Kraft zu inszenieren, die „vor einer weiteren Militarisierung der Debatte“ warnen will.

An einem klaren Verständnis dafür, warum es in diesem System immer wieder zu Kriegen kommt, fehlt es aber ebenso, wie an echter Kritik an den massiven Aufrüstungsdynamik.
Am meisten jedoch fehlt die Stellungnahme des DGB dazu, wie sich der (Wirtschafts-)krieg mit Russland auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse in diesem Land auswirkt, und was er dagegen zu tun gedenkt.

Konsequente Kritik an den Aufrüstungsbemühungen? Fehlanzeige!

In seinem Aufruf spricht der DGB von „Nie wieder Krieg!“, der Kampf für den Frieden sei schon seit jeher die Grundüberzeugung des Verbundes. Doch wenige Sätze später scheint dies schon wieder vergessen, wenn die Bundesregierung praktisch dafür gelobt wird, „die Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit unseres Landes im Rahmen der NATO und der EU zu stärken “.

Der DGB spricht sich „gegen einen neuen weltweiten Rüstungswettlauf “ aus, doch warum fehlt es dann an kritischen Worten zum „Sondervermögen für die bessere Ausrüstung der Bundeswehr“?

Der DGB verneint dann auch selbst den Irrglauben „Friede ließe sich mit Waffen schaffen“, doch was sollen die 100 Milliarden € für die Bundeswehr sonst sein? Was sollen die schweren Waffen für die Ukraine, ob nun direkt gegeben oder über den „Ringtausch“, sonst sein?

Der DGB versucht hier sein pazifistisches Antlitz zu wahren, denn der Unwille gegen den Krieg sitzt vielen Arbeiter:innen in Deutschland tief in Gliedern. Doch gleichzeitig sieht man sich in seinen Chefetagen offenbar gezwungen, die deutsche Aufrüstungs- und Eskalationspolitik mitzutragen.

Kampf gegen die massenhafte Verarmung in Folge von Krieg und Krise? Fehlanzeige!

Gegen Ende des Aufrufs kommt dann noch eine zahme Warnung vor der sich verschärfenden sozialen Ungleichheit und ein kleine Erinnerung an den Klimawandel. Ganz nach dem Motto: Der ist ja auch noch da.

Dass die sog. „sozial-ökologische Transformation“ wohl noch lange auf sich warten lässt, dürfte spätestens klar sein, seit die Wiederaufnahme von Atomkraftwerken wieder im Gespräch ist und Erdgas als „grüne Brückentechnologie“ gilt.

Nichts steht in diesem Aufruf zu den Zusammenhängen von Krieg, Teuerungen und der wirtschaftlichen Lage. Nicht mal ein kleines Wort zur Inflation, den steigenden Mieten oder den explodierenden Energiepreisen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte schon Recht, als er diese als „sozialen Sprengstoff“ bezeichnete. Wo ist die Antwort des DGB hierauf?

Europas mächtigster Gewerkschafsverbund duckt sich vor dieser Frage einfach weg und hofft wohl, dass seine Mitglieder diesen sogenannten „Aufruf“ lesen und damit zufrieden sind, dass „ihr Gewerkschaftsverbund“” die Lage der Arbeiterklasse komplett unerwähnt lässt.

Die Rolle des DGBs im Krieg ist klar

Unterm Strich gibt die Erklärung des DGB einen guten Vorgeschmack, was wir von den durch die Sozialdemokratie dominierten Gewerkschaften bei einer weiteren Zuspitzung der Lage zu erwarten haben: nicht viel.

Die Kritik ist bestenfalls halbgar, man gefällt sich in blumigen Worten davon, dass die “Waffen weltweit schweigen müssen”, nur an einer klaren Orientierung, was zum Erreichen dieses Ziels getan werden muss und mit welchen Aktionen man es wohl durchsetzen könnte, fehlt es vollständig.

An konkreten Anlässen auf die Straße zu gehen fehlt es dabei am 1. September und auch sonst sicherlich nicht. Bündnisse wie die “Offensive gegen Aufrüstung” rufen zu Aktionen auf der Straße auf und auch die Aktivist:innen von “Rheinmetall entwaffnen!” planen mehrtägige Aktionstage in Kassel vom 30.8. bis zum 4.9., bei dem unter anderem konkret die Rüstungsproduktion gestört werden soll.
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Erstveröffentlichung am 28. Juli 2022 auf »PERSPEKTIVE>>«. Wir danken den Genossinnen und Genossen von »Perspektive« für ihre gute Arbeit und der Genehmigung der Weiterveröffentlichung. Bilder und Bilduntertexte wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.

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3 Kommentare

  1. Anlässlich des 1. Septembers hat der DGB einen Erklärung mit dem Titel “Für den Frieden!” veröffentlicht. Wer sich davon jedoch eine klare Abgrenzung von der momentanen deutschen Außenpolitik erhofft, die auf eine weitere Eskalation des Ukraine-Kriegs hinausläuft, wird enttäuscht.

  2. Deutschlands Pensionen versus Brutto-Armutsrenten
    Oder: Deutschlands Armuts-Renten für die Mehrheit der Bevölkerung!

    Von Reinhold Schramm

    Österreich: »Rechnungshof: Pensionslast für Bund bis 2030 verdoppelt ▫ Der Rechnungshof warnt vor einem Kostenanstieg von heuer 9,5 auf 19,7 Milliarden Euro aus dem Budget. ▫ Wegen der Extra-Erhöhung für 2023 liefert das Kontrollorgan Zündstoff. Die Neos schlagen Alarm.«

    Vgl. Wiener Zeitung

    Info-Kommentar

    Deutschlands Pensionen versus Brutto-Armutsrenten:

    Pensionen:
    Durchschnittliche Ruhegehaltsbezüge der Beamt*innen nach Beschäftigungsbereichen 2020

    Liegen die durchschnittlichen Ruhegehälter (Pensionen) im oberen Einkommensbereich. So erhalten die Männer bei Bund, Ländern und Gemeinden ein Brutto-Versorgungsniveau, das im Januar 2020 bei 3.260 bis 3.590 Euro im Monat liegt.

    Bei den Beamten aus den ehemaligen Staatsunternehmen Bahn und Post (Post, Telekom, Postbank) liegen die Beträge um etwa 800 bis 1.100 Euro niedriger, da hier die Pensionäre mehrheitlich im einfachen und mittleren Dienst beschäftigt waren.

    In allen Beschäftigungsbereichen unterschreiten die Versorgungsbezüge der Frauen die der Männer. Die Differenz ist für Frauen bei Bund, Ländern und Gemeinden größer (zwischen 610 und 720 Euro weniger) als bei der Bahn und Post (320 bzw. 370 Euro weniger). *

    Brutto-Armutsrenten:

    Laut der Deutschen Rentenversicherung erhielten männliche Rentner 2021 durchschnittlich 1.179 Euro, wenn sie in einem der alten Bundesländer lebten. In den neuen Bundesländern lag die Durchschnittsrente bei 1.249 Euro im Monat.

    Rentenberechtigte Frauen in den alten Bundesländern eine durchschnittliche Rente von 741 Euro, während der Rentendurchschnitt der Rentnerinnen in den neuen Bundesländern bei 1.065 Euro lag. Hierbei handelt es sich um statistische Mittelwerte der brutto-Rentenbezüge vom 31.12.2020. **

    Anm.: Bitte, die Differenz zwischen bundesdeutschen Pensionen und den (relativen) Armuts-Renten in Deutschland selbst berechnen!

    Vgl. Wiener Zeitung: Rechnungshof – Pensionslast für Bund bis 2030 verdoppelt – Wiener Zeitung Online – https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2156682-Pensionslast-fuer-Bund-bis-2030-verdoppelt.html

    ** Durchschnittsrente in Deutschland 2022 (Rentenhöhe) | myStipendium

    * extension://elhekieabhbkpmcefcoobjddigjcaadp/https://www.sozialpolitik-aktuell.de/files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Alter-Rente/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVIII93.pdf

    02.08.2022, R.S. (Zusammenfassung)

    • Nachtrag:

      Armutsrenten für Frauen in Deutschland.

      Durchschnittsrenten für Frauen in den Bundesländern.

      Rentenberechtigte Frauen bekamen in den alten Bundesländern eine durchschnittliche Rente von 741 Euro. In den neuen Bundesländern 1.065 Euro.
      Mittelwerte der brutto-Rentenbezüge vom 31.12.2020.

      Frauen beziehen deutlich niedrigere Renten als Männer!

      Die Höhe der gesetzlichen Altersrente für Frauen nach Bundesland, 2020

      Brandenburg: 1085 Euro, Mecklenburg-Vorpommern: 1071 €, Sachsen: 1068 €, Thüringen: 1059 €, Sachsen-Anhalt: 1051 €, Berlin: 1005 €, Hamburg: 864 €, Baden-Württemberg: 797 €, Bremen: 778 €, Hessen: 774 €, Schleswig-Holstein: 767 €, Bayern: 766 €, Niedersachsen: 734 €, Nordrhein-Westfalen: 724 €, Rheinland-Pfalz: 707 €, Saarland: 643 €.

      02.08.2022, R.S.

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