Breites Bündnis gegen antidemokratische Drohgebärden der Faschisten um Brasiliens Präsident Bolsonaro

Rui Filipe Gutschmidt Redaktion – 11. September 2021

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Rui Filipe Gutschmidt

Die von 16 der wichtigsten brasilianischen Parteien gegründete Plattform »Gerechtigkeit Sofort« (»Direitos Já«) hat heute ihre „Ablehnung“ der „Drohungen“ des Präsidenten Jair Bolsonaro und seiner Unterstützer gegenüber dem Kongress, dem Bundesgericht und der Demokratie als solche zum Ausdruck gebracht.

„Die brasilianische Demokratie ist gefährdet, durch ein Projekt mit faschistischer Ausrichtung unter der Führung des Chefs der Exekutive (J. Bolsonaro) ersetzt zu werden“, hieß es in dem am Vorabend der nationalistischen Demonstrationszüge zu denen die Bolsonaristas (auch Bolos genannt) aufgerufen hatten.

Bolsonaro selbst und die rechtsextremen Gruppen, die ihn unterstützen, waren am Dienstag, dem Unabhängigkeitstag Brasiliens, in den wichtigsten Städten des Landes auf die Straße gegangen, um „die Freiheit“ und „konservative Werte“ zu verteidigen.

Die radikalsten unter den „Bolos“ haben jedoch damit gedroht, in den Plenarsaal des Parlaments und des Bundesgerichtshofs einzudringen, und haben soziale Medien wie Facebook oder Twitter genutzt, um diese Drohungen zu verbreiten. Dabei gingen einige so weit, sogar die Ermordung von Richtern vorzuschlagen.
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Gerechtigkeit Sofort« – ein antifaschistisches Bündnis

Laut der Plattform Gerechtigkeit Sofort, die aus 16 Parteien von links bis mitte-rechts besteht, versuchte Bolsonaro „das soziale Gefüge zu erschüttern, indem er eine Kampagne zur Bewaffnung der Bürger fördert, sich ein nationales Datum, (den 199sten Jahrestag der Unabhängigkeit Brasiliens) aneignet und bewaffnete Milizionäre zum einer Art Marsch gegen eine Säule des demokratischen Systems auf die Straße ruft“.

Der Kampf gegen Bolsonaro geht weiter! Bild: YouTube

Das Dokument fügt hinzu, dass „Bolsonaro eine politische Krise mit expliziten Putschversuchen inszeniert, um die Aufmerksamkeit von der grassierenden Arbeitslosigkeit, vom grassierenden Hunger, von der schweren Umweltzerstörung, die die Wasser- und Energiekrise beschleunigt, und um von der steigenden Inflation, abzulenken.“

„Der Moment“, so die 16 unterzeichnenden Parteien, sei „von großer Spannung“ und verlangt, dass alle demokratischen Kräfte im Land wachsam bleiben, insbesondere am 7. September.“

Denen, die zugunsten des Präsidenten protestieren wollen, wird garantiert, dass sie dies in geordneter Weise tun. Dass jedoch jede Haltung, die die Unabhängigkeit der Gewalten, die Rechtsstaatlichkeit und die Freiheit der Bürger untergräbt, stark unterdrückt und von der Autorität der Verfassung besiegt wird, um die demokratische Ordnung zu verteidigen“, heißt es in dem Dokument.

Brasiliens Mehrheit hat die Schnauze voll. Der katastrophale Umgang mit der Pandemie, seitens der Regierung, mit einem Negationisten als Präsident, der nicht müde wird Covid-19 klein zureden, um die Interessen der Wirtschaftsbosse (die ihn seine Komparsen finanzieren) nicht zu gefährden, ist der große Wendepunkt in der bereits sinkenden Beliebtheit des Populisten. Unzählige Brasilianer begangen den ehemaligen Armeeoffizier als das zu sehen, was er ist. Ein Rechtspopulist, der Hass schürt und sein Vorbild – US Präsident Donald Trump – imitiert und sogar versucht noch extremistischer zu sein.

Brasiliens Gesundheitssystem war vor der Pandemie schon in einem schlechtem Zustand. Es ist eine Frage des Geldes, mehr wie bei uns in Europa, können fehlende Finanzmittel den Tod bedeuten. Als die Pandemie Brasiliens Norden mit voller Wucht erreichte, mussten Menschen Sauerstoffflaschen für ihre intubierten Angehörigen organisieren. In der Hauptstadt der Bundesstaates Amazonia, Manaus, war es besonder schlimm. Wer genug Geld hatte, der konnte sich die stark inflationierten Preise leisten, während arme Menschen ohnmächtig zusehen mussten wie ihre liebsten qualvoll erstickten.

Diskussionsveranstaltung zur Bildung der Gruppe „Direitos Já! im September 2019
Bild: Gabriel Galo, Quelle: YouTube

Neben den Problemen des öffentlichen Gesundheitssystems, hat Brasiliens staatliches Bildungssystem, öffentlicher oder gar sozialer Wohnungsbau, Personentransportmittel, Straßen, Strom, Postwesen, Polizei usw., auch nie so richtig funktioniert.

Diese Art von Mängeln in der brasilianischen Gesellschaft, die Bolsonaro in seinem Wahlkampf der Misswirtschaft und Korruption seiner Vorgänger im Amt zuschrieb, haben sich in seiner Amtszeit ebenso verschlechtert. Die Inflation und die Schwäche des Real gegenüber dem US-Dollar und dem Euro, trifft die Menschen mit geringem Einkommen besonders hart. Kein Wunder, dass seine Popularität stark gesunken ist.

Doch die obere Mittelschicht, Ultrakonservative, die Familien der alten Elite aus der Zeit der Diktatur und die Militärs, die seit langem nach der Macht und den damit einhergehenden Privilegien schielen, stehen weiterhin zu Bolsonaro und sie sind zunehmend bereit, die Macht mit Gewalt zu übernehmen.

Der Vorwand, dass „die elektronischen Wahlurnen manipuliert werden können“ macht genauso wenig Sinn wie zu behaupten, dass Wahlzettel eines bestimmten Kandidaten schon in der Urne stecken, oder das man bei der Auszählung betrügt, Wählerstimmen von längst verstorbenen auftauchen… Manipulation kann es immer geben, doch das System verhindert massiven Betrug. Schon im Vorfeld „Faul“ zu rufen, ist ein gemeiner Versuch die Massen zu manipulieren. Brasiliens Demokratie ist gefährdet, weil dieses sehr emotionale Volk sich leider zu oft für ihr „Team“ einsetzt, selbst wenn diese Faulen oder die Schiedsrichter bestechen oder, wenn das nicht klappt, bedrohen. Zu diesem Thema werden wir in den nächsten Monaten sicherlich noch viel hören. Info-Welt bleibt am Ball.
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Erstveröffentlichung am 10. September 2021 auf »InfoWelt«. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
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1 Kommentar

  1. Gott, Geld und Lügen auch in Brasilien.

    Die systemische Korruption in Brasilien – ein Fass ohne Boden.

    »Präsindentenwahl. Gott, Geld und Lügen in Brasilien ▫ Jair Bolsonaro gegen Lula da Silva: Der Wahlkampf zwischen zwei politischen Alphatieren hat begonnen. Für Präsident Bolsonaro stehen die Chancen schlecht, wiedergewählt zu werden. – Herausforderer Lula da Silva hat unterdessen fast schon leichtes Spiel. Er setzt auf Nostalgie und ruft in Erinnerung, wie glücklich die Brasilianer angeblich in seiner Regierungszeit gewesen seien, wie voll die Einkaufskörbe und Benzintanks.«

    Vgl. Wiener Zeitung *

    Kommentar

    Die Vernichtung der Lunge Brasiliens, der Regenwälder für die Rohstoffindustrien und Viehhaltung der Großgrundbesitzer, deren Abholzung für den Export und Verbrennung für Ackerlandgewinnung; ebenso für den Zugriff auf Bodenschätze, das ist Regierungsprogramm von Bolsonaros gut situierter Administration und prowestlich gesponserten korrupten Eliten.

    Im Ländervergleich übertrifft der bundesdeutsche Regierungspartner, die Ukraine, noch bei weitem die epidemische Korruption Brasiliens.

    PS: Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang auch an das desaströse Wahlergebnis für eine soziale Verfassung in Chile. Wie in Chile so auch in Brasilien, die mediale und antisoziale klerikale Gehirnwäsche trägt ihre Früchte im Massenbewusstsein.

    Um die Wirklichkeit herumeiern, das hilft keinem Gutmenschen und schon gar nicht der Aufklärung!

    Nachtrag:

    ►In kaum einem anderen Land ist die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander. In der Stadt Recife beispielsweise beanspruchen zwanzig Prozent der Reichsten ganze 85 Prozent des Volkseinkommens, während 40 Prozent der Bevölkerung ein Einkommen unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes in Kauf nehmen müssen. Rund um Recifes Zentrum liegen die Favelas (Slums), in denen es teilweise nicht einmal Strom und Wasserzugang gibt. Gewalt, Drogenhandel und -konsum, Kriminalität und Bandenbildung beherrschen den Alltag. Auffallend sind die vielen Straßenkinder, nach Experteneinschätzung sollen es über 10.000 Kinder und Jugendliche allein in Recife sein. Viele von ihnen sind Analphabeten und haben nie eine Schule besucht. Ihr ungeregelter Tagesablauf, Drogenmissbrauch und gewalttätiges Verhalten machen den Einstieg in die Arbeitswelt und damit ein Ausweg aus der Misere nahezu unmöglich.
    Quelle: Caritas international.

    * (1) Präsidentenwahl – Gott, Geld und Lügen in Brasilien – Wiener Zeitung Online
    https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2158875-Gott-Geld-und-Luegen-in-Brasilien.html

    07.09.2022, R.S. (Zusammenfassung)

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