Volkskorrespondenz zum Wochenede
Heinz Ahlreip – 3. Januar 2025
Die Sozialdemokratie in Deutschland hat die Arbeiterklasse immer wieder getäuscht. Sie behauptet, dass das bürgerliche Wahlsystem den Mehrheitswillen widerspiegelt. Doch dieses System ist nicht in der Lage, den Willen der Mehrheit der Bevölkerung wirklich auszudrücken.
Hegel beschrieb die Weltgeschichte als ein riesiges, buntes Gemälde voller Ereignisse, Handlungen und Widersprüche: „Wir sehen ein ungeheures Gemälde von Begebenheiten und Taten, von unendlich mannigfaltigen Gestaltungen der Völker, Staaten, Individuen, in rastloser Aufeinanderfolge. Alles, was in das Gemüt des Menschen eintreten und ihn interessieren kann, alle Empfindung des Guten, Schönen, Großen wird in Anspruch genommen, allenthalben werden Zwecke gefasst, betrieben, die wir anerkennen, deren Ausführung wir wünschen; wir hoffen und fürchten für sie. (…) Bald zieht uns Schönheit, Freiheit und Reichtum an, bald reizt Energie, wodurch selbst das Laster sich bedeutend zu machen weiß. (…) überall das bunteste Gedränge, das uns in sein Interesse hineinzieht, und wenn das eine entflieht, tritt das andre sogleich an seine Stelle.“¹
Hegels Überlegungen zeigen, dass aus scheinbar unbedeutenden Dingen Großes entstehen kann, während größere Massen von Interessen zerfallen. Diese Einsicht passt zur heutigen Situation: Die Arbeiterbewegung in Deutschland steht mit ihren parteikommunistischen Ansätzen einem brüchigen und ungleichen bürgerlichen System gegenüber, das die Arbeiterklasse durch Wahlergebnisse täuscht. Dabei sind diese Wahlergebnisse keineswegs ein echter Ausdruck des Volkswillens.
Die bürgerlichen Medien verschweigen systematisch, dass es sich bei diesen Wahlen um pseudodemokratische Veranstaltungen handelt. Die Herrschaft der bürgerlichen Klassen, gestützt auf Finanzkapital und Parteiensystem, ist nicht demokratisch legitimiert. Doch aus kleinen, scheinbar unbedeutenden Bewegungen kann Großes entstehen. Dialektiker richten ihren Blick nicht auf das Erstarrte, sondern auf das, was lebendig ist, was in Bewegung ist und die Zukunft prägt.
Ein Beispiel aus der Geschichte ist die russische Arbeiterbewegung Ende des 19. Jahrhunderts. Damals konzentrierten sich Marxisten wie Plechanow auf das kleine, aber wachsende Proletariat, statt auf die Mehrheit der Bauern, die zersplittert und schwer zu organisieren waren. Diese Strategie führte später zur Entstehung einer mächtigen Arbeiterklasse. Lenin vollendete diese theoretische Entwicklung.
Heute kommen weitere Herausforderungen hinzu, wie das unaufhaltsame Abrutschen in einen dritten Weltkrieg. Bereits bei den ersten beiden Weltkriegen wurden die Völker von den herrschenden Klassen getäuscht und die Konflikte sorgfältig vorbereitet. Der erste Weltkrieg wurde im Geheimen geplant, der zweite begann mit dem Überfall Japans auf die Mandschurei. Auch jetzt arbeitet das Finanzkapital durch Aufrüstung und imperialistische Politik auf eine neue Katastrophe hin.
Ein Krieg bringt eine völlig neue politische Lage mit sich und kann die bestehende Ordnung auf den Kopf stellen. Lenin nannte den Krieg einen „Beschleuniger der Weltgeschichte“. Für die Arbeiterbewegung bedeutet dies, wachsam zu sein und sich an die rasch verändernden Bedingungen anzupassen. Entscheidend ist, die materiellen Gesetze des Krieges zu verstehen und eine klare Strategie zu entwickeln.
Der asymmetrische Krieg ist ein Beispiel, das zeigt, wie trotz überlegener Technik und Ressourcen der Bourgeoisie eine entschlossene Politik der Arbeiterbewegung siegen kann. Lenin betonte, dass die richtige Politik und der Rückhalt in der Mehrheit der Bevölkerung entscheidend sind. Ein historisches Beispiel hierfür ist die Niederlage der weißgardistischen Truppen unter General Wrangel gegen die sowjetischen Kräfte 1920. Trotz technischer Überlegenheit der Weißen – sie verfügten über Panzer und Flugzeuge – unterstützte die Mehrheit der Bevölkerung die Roten.²
Die internationale kommunistische Bewegung ist die einzige Kraft, die in der Lage ist, große Politik zu machen und echte Veränderung herbeizuführen. Wer glaubt, dass der Winterblitzwahlkampf 2024/2025 allein etwas bewirken kann, täuscht sich. Doch aus kleinen, scheinbar unbedeutenden Bewegungen kann Großes entstehen – ein Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken.
- Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Die Vernunft in der Geschichte, Felix Meiner Verlag Hamburg, 1994, Seite 34.
- Vergleiche Geschichte der KPdSU (B), Der Weg zur Partei Nr. 9, Arbeitsgruppe Der Weg zur Partei, Hamburg, 2024, Seite 302f.
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Über den Autor:
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse. Ahlreip arbeitete als Lagerarbeiter u. a. bei Continental in Hannover und bis zum Rentenbeginn als Gärtner für Museumsstätten und Friedhöfe.
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