Zum Verhandlungsergebnis für die Metall- und Elektroindustrie


Redaktion Betrieb und Gewerkschaft – 23. November 2022

Die Medien verkündeten und optisch sieht das als „Pilotabschluss“ bezeichnete Verhandlungsergebnis zunächst gut aus. Plus 8,5% und zusätzlich eine Einmalzahlung von 3.000 Euro für jeden Beschäftigten …

Doch das Verhandlungsergebnis in Baden-Württemberg für die Metall- und Elektroindustrie hat ein paar Schattenseiten und diese überwiegen. Bis zum Ende der Erklärungsfrist am 15. Dezember kann es diskutiert und verändert werden.
Arbeit-Zukunft beleuchtete das schon im Voraus Gelobte und stellte in einem Flugblatt kritisch fest was daran positiv und negativ ist.:

„Zu den harten Fakten:

Die Ausgangsforderung war eine Lohnerhöhung von 8% für 12 Monate! Daran müssen wir das Ergebnis messen.
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Positiv:

– In den unteren Lohngruppen werden mit der abgabenfreien Sonderzahlung die geforderten 8% für ein Jahr erreicht und teilweise übertroffen. Sie profitieren während der Laufzeit überproportional. Das ist auch ein Grund dafür, dass einige Kolleg/innen zwar nicht jubeln, aber insgesamt zufrieden sind.
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Negativ:

– Mit 24 Monaten Laufzeit ist das Ziel von 12 Monaten deutlich verfehlt, was sich massiv auf das Gesamtergebnis auswirkt. Weil sich die Entgelterhöhungen auf einen so langen Zeitraum erstrecken, werden sie von der weiterhin steigenden Inflation im Handumdrehen aufgefressen. Eine Verdopplung der Laufzeit bedeutet eine Halbierung der Tabellenerhöhung! Durch die 24-monatige Laufzeit verspielt die Gewerkschaft die Möglichkeit, auf sich verändernde Umstände zu reagieren. Sollte die Inflation im kommenden Jahr weiter steigen, gar einen Sprung nach oben machen, werden die Kolleginnen und Kollegen keine Möglichkeit haben, mit einem legalen Streik für Lohnerhöhungen zu kämpfen. Die einzigen, die Stabilität für ihre Planung haben, sind die Kapitalisten.

– Nur ein Teil der Lohn- und Gehaltsanhebung ist tabellenwirksam, und kommt zudem mit 8 Monaten Verspätung, also faktisch eine Nullrunde vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. Mai 2023. Da die Einmalzahlungen zwar als Erhöhung angerechnet, aber nicht tabellenwirksam werden, wird dieser Teil bei den nächsten Tarifverhandlungen wegfallen. Über die gesamte Laufzeit gerechnet gibt es – ohne die Einmalzahlungen und unter Berücksichtigung der 8 Monate Nullrunde – eine Bruttolohnerhöhung von ca. 5,8%. Geht man von der aktuellen Inflation von 10,4% und einer zu erwartenden Inflation auch im nächsten Jahr von 10% aus, dann wird der reale Tariflohn in den 2 Jahren Geltungszeit um rund 15% gesenkt, wenn die Einmalzahlungen wegfallen.

– Der Gesamtmetall Chef Stefan Wolf, sagte zu dem Verhandlungsergebnis genüsslich: „Wir haben schlichtweg die Forderung der IG Metall halbiert“. Aus gutem Grund berücksichtigt er bei seiner Aussage die 8 Nullmonate überhaupt nicht! Denn natürlich möchte er den IG Metall Vorstand nicht bloßstellen, da dieser das Verhandlungsergebnis erst möglich gemacht ha.

– Die Sonderzahlung von zweimal 1500 Euro ist teilweise nicht sozial gestaltet. Singles und Paare ohne Kinder mit zwei Einkommen erhalten relativ mehr. Alleinverdienende und Paare mit Kindern bekommen relativ weniger. Zumindest wäre ein Kinderzuschlag nötig. Auszubildende und Dualstudent/innen erhalten nur zweimal 550 Euro. Das ist ebenso unsozial.

– Zusätzlich gibt es zwei Öffnungsklauseln. In Punkt 6 des „Pilotabschlusses“ wurde vereinbart, dass beim Zusatzbetrag (T-Zug) eine Erhöhung verschoben werden oder ganz entfallen kann. Sinkt die Nettoumsatzrendite des Kapitalisten unter 2,3% kann er sogar durch einfache Erklärung die Erhöhung beim T-Zug streichen. In Punkt 8 „Energienotfallklausel“ ist abgemacht, dass die Kapitalisten bei „einer Energienotlage“ „Anpassungen“ und „Abweichungen von den Flächentarifverträgen“ verlangen können. Darüber muss dann verhandelt werden. Das Ganze dient angeblich dazu, „den Erhalt der Arbeitsplätze und der Wettbewerbsfähigkeit“ zu sichern. Während es Öffnungsklauseln für das Kapital gibt, sind für die Kollegen/-innen keine Öffnungsklauseln vorgesehen, wenn sie durch die rasante Inflation in eine Notlage geraten.

Optisch sieht das „Pilotabschluss“ genannte Verhandlungsergebnis zunächst gut aus. 8,5% plus 3.000 Einmalzahlung sind eine Menge Geld in der aktuellen Situation. Clemens Fuest, der Chef des Institutes für Wirtschaftsforschung an der Universität München (ifo) bringt es auf den Punkt: „Die dauerhaften Lohnerhöhungen von gut vier Prozent pro Jahr werden keine Lohn-Preis-Spirale auslösen.“ Es sind also nur gut 4% pro Jahr dauerhaft! Und eine Lohn-Preis-Spirale gibt es sowieso nicht. Es handelt sich um eine Preis-Lohn-Spirale, wo die Löhne immer der Inflation hinterher hinken.

In der Stuttgarter Zeitung gibt deren Wirtschaftsredakteur Schiermeyer (19.11.22) in einem Kommentar zu, dass man mit diesem Abschluss die Inflation nicht ausgleichen könne! Zugleich wird gehetzt, die IG Metall habe das nur mit „brachialen Druck“ durchgesetzt. Also: Entschlossener Kampf gegen den Reallohnabbau ist „brachialer Druck“? Ganz nebenbei ist das natürlich auch ein Kompliment an kämpfende Kolleg/innen!

Die Nachteile werden für viele erst im Laufe der Zeit spürbar werden. Tatsächlich ist die Inflation mit 10,4% deutlich höher als dieses Verhandlungsergebnis. Also auch der optisch gute Abschluss bedeutet Reallohnverlust. Beim Ende der Laufzeit spielen die Einmalzahlungen keine Rolle mehr, sodass der Tariflohn automatisch abgesenkt wird. Zudem gibt es keine legalen gewerkschaftlichen Kampfmöglichkeiten für 24 Monate, falls die Inflation explodiert. Das ist aber wahrscheinlich. So werden den Kolleg/innen mit einem Täuschungsmanöver für 24 Monate die Hände gebunden; es sei denn, sie sind zu spontanen Kampfaktionen für einen Lohnnachschlag bereit.
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Kampfbereitschaft hat etwas gebracht!

Ohne die enorme Kampfbereitschaft der Metallerinnen und Metaller wäre dieses Ergebnis nicht möglich gewesen. Kolleg/innen aus einem Viertel der Industriebetriebe haben sich an Warnstreiks beteiligt – das ist eine beeindruckende Steigerung unserer Kampfkraft! Diese Kraft war ausschlaggebend, dass überhaupt etwas erreicht wurde. Die Kapitalisten wollten eine Nullrunde mit ein wenig Einmalzahlung. Die Bundesregierung unter Olaf Scholz hat, indem sie eine Einmalzahlung ohne Steuern und Sozialabgaben möglich machte, die Weichen Richtung Reallohnabbau gestellt. Hätten die Kolleg/innen sich mit diesem Handgeld zufrieden gegeben, so wäre für die Co-Manager der Weg frei gewesen. Aber die Kolleg/innen haben denjenigen in der Führung der IG Metall, die schon nach einem faulen Kompromiss suchten, das Leben schwer gemacht. Angesichts des ungeheuren Druckes von der Basis waren die Co-Manager im IG Metallvorstand gezwungen, ihr Gesicht wenigstens mit einem Trick zu wahren. Damit waren auch die Kapitalisten gezwungen, ihre Lohnraubforderung etwas abzumildern.
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Wie weiter?

Eine ganze Reihe Kolleg/innen sind tief enttäuscht über dieses Verhandlungsergebnis, das überhaupt nicht der zuvor demonstrierten Kampfbereitschaft entspricht und so ziemlich alle Ziele geopfert hat. Manche haben ihr Gewerkschaftsbuch aus Wut hingeschmissen.

Doch ist das eine Lösung? Nein!

So werden die kämpferischen Kräfte geschwächt. Wir müssen im Gegenteil alles tun, um eine Demoralisierung zu verhindern.

Man kann diesen Reallohnabbau-Abschluss in vielfacher Weise nutzen, um aktiv zu werden und die Kollegen/-innen zu mobilisieren. Am 29.11.22 wird die Große Tarifkommission in Baden-Württemberg über die Annahme entscheiden. Die Erklärungsfrist läuft für beide Seiten bis zum 15.12.22. In anderen Tarifbezirken soll dieser Abschluss später übernommen werden. Es gibt also Möglichkeiten, dagegen zu mobilisieren.

– Eine Möglichkeit ist es, in Abteilungen Unterschriften von Gewerkschaftsmitgliedern gegen diesen Abschluss zu sammeln und den zuständigen IG Metall Tarifkommissionen vorzulegen. Wir fordern Vertrauensleutekörper, Betriebsräte, JAVs sowie weitere gewerkschaftliche Gremien auf, gegen diesen Abschluss zu protestieren. Die Große Tarifkommission fordern wir auf, NEIN zu sagen!

– Den Schwung unserer Warnstreiks und betrieblichen Aktionen dürfen wir jetzt nicht vergessen und resignieren. Wenn die Inflation weiter steigt, müssen wir in den Abteilungen und möglichst vielen Betrieben bereit sein, einen Nachschlag zu fordern und zu erstreiten.

– Nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde! Die Kampfkraft muss in 2 Jahren wieder belebt werden. Man kann sich besser vorbereiten. In 2 Jahren fällt die einmalige Wirkung der Sonderzahlung weg, dann wird die Bitternis dieses „Sieges“ am Verhandlungstisch deutlich, weil die tabellenwirksamen Anhebungen zu gering ausgefallen sind.

– Vor der nächsten Tarifrunde kommt ein Gewerkschaftstag. Wer heute mit dem Ergebnis unzufrieden ist, sollte sich engagieren. Die von den Tarifkommissionen vorgeschlagene Laufzeit sollte bindend für die Verhandlungen sein! Die Anhebungen in den Tabellen sollten in Festbeträgen pro Stunde vereinbart werden! Ebenso kann auf dem Gewerkschaftstag dafür gekämpft werden, dass jedes Ergebnis durch eine Urabstimmung bestätigt werden muss. Das sind Forderungen für den Gewerkschaftstag. Dementsprechend sollten Delegierte gewählt werden, die die Interessen der Kolleg/innen vertreten, und ihnen entsprechende Aufträge von der Basis erteilt werden.

– Jörg Hofmann wird nicht mehr für den Vorsitz kandidieren. Die Delegierten sollten sich die Kandidaten für den Vorstand genau ansehen und all jene ablehnen, die sich in der Tarifrunde für Co-Management und faule Kompromisse eingesetzt haben. Es gibt ja auch kämpferische Kolleg/innen! Mit dem Pilotabschluss hat sich Roman Zitzelsberger jedenfalls nicht für den Vorsitz empfohlen, im Gegenteil!

– Insgesamt müssen wir uns dafür einsetzen, dass die Kolleg/innen ihre Stimme erheben und kämpfen, ob es irgendwelchen Vorständen passt oder nicht. Entscheidend müssen immer die Interessen der Kollegen/-innen sein!“

Das Flugblatt schließt mit den Forderungen:

8% für 12 Monate!

3000 Euro Inflationsausgleichsprämie für 12 Monate – für alle in gleicher Höhe!

Weg mit allen Klauseln!

Denen wir uns anschließen.

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