Fiete Jensen – 12. Mai 2022
Zum Mord an unseren Genossen Philipp Müller am 11. Mai 1952
.Kommt am Samstag, 14. Mai.
.zur Gedenkveranstaltung nach Essen!.
Der 11. Mai 1952 ist in den offiziellen Geschichtsbüchern der Bundesrepublik Deutschland nicht verzeichnet. Ein schwarzer Tag in der Nachkriegsgeschichte der alten BRD hat nicht stattgefunden. An diesem Tag wurde der junge Münchner Arbeiter Philipp Müller, Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und der KPD, hinterrücks von Polizisten auf offener Straße erschossen. Das Datum markiert eine dramatische Zuspitzung der politischen Auseinandersetzungen um die von den Westmächten und der Regierung Adenauer forcierte Wiederaufrüstung der Bundesrepublik.
Dazu fand ich in „Ossietzky 8/2002“ einen aufschlussreichen Artikel von Hubert Reichel, den wir Euch hiermit ans Herz legen möchten.
„Ein Schießbefehl aus Bonn
Aufgerufen zur »Jugendkarawane gegen Wiederaufrüstung und Generalvertrag« hatte eine Konferenz von Vertretern verschiedener Jugendorganisationen am 2. März 1952 in Darmstadt unter Leitung des dortigen Pfarrers Herbert Mochalski, eines engen Vertrauten des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Martin Niemöller. Der Aufruf fand bemerkenswert starken Widerhall.
Und so versammelten sich am 11. Mai, wenige Tage vor der geplanten Unterzeichnung des sogenannten Generalvertrages, mehr als 30 000 junge Leute in Essen, um friedlich gegen die Wiederbewaffnung und gegen die Aufnahme der Bundesrepublik in einen westeuropäischen, von den USA inspirierten Militärpakt zu demonstrieren. Es wären noch viel mehr als 30 000 gewesen, wenn nicht die Polizei in der Nacht zuvor und am Morgen anreisende Jugendliche aus den Zügen geholt und Busse an der Fahrt nach Essen gehindert hätte. Der Bonner Innenminister Lehr hatte nämlich die Friedenskarawane kurzfristig verboten – so kurzfristig, daß viele Demonstranten davon nichts wußten. Der Minister nannte nicht den wahren Grund für das Verbot, sondern schob »verkehrstechnische Gründe« vor. Zugleich bot er damals noch ungekannte Massen an Polizei auf, um das Verbot dieser Friedensaktion zu exekutieren.Ohne Zweifel wäre die Demonstration ohne das späte Verbot und den folgenden brutalen Einsatz der Polizei friedlich verlaufen. Doch die Regierung Adenauer wollte offenkundig ein Exempel statuieren. Sie brauchte Zwischenfälle und Krawalle, um die Gegner ihrer Remilitarisierungspolitik kriminalisieren zu können. Dem Aufruf über Polizeilautsprecher, den Platz vor dem Ausstellungsgelände Gruga zu räumen, folgte unmittelbar die Hetzjagd bewaffneter Polizei-Hundertschaften mit Hundestaffeln auf die Demonstranten.
Durch besondere Brutalität zeichnete sich die sogenannte Einsatzgruppe Wolter aus. Aus ihren Reihen fielen die tödlichen Schüsse, die Philipp Müller in den Rücken trafen. Durch Polizeikugeln schwer verletzt wurden zwei weitere Teilnehmer der Friedenskarawane, der Sozialdemokrat Bernhard Schwarze aus Kassel und ein parteiloser Gewerkschafter aus Münster. Der Polizeiterror traf nicht nur Demonstranten. Essener Bürger, die als zufällige Passanten Augenzeugen wurden und gegen das Vorgehen der Polizei protestierten, wurden zusammengeschlagen und verhaftet. Die Verantwortlichen der Polizei versuchten, den Waffeneinsatz mit der Lüge zu begründen, von Demonstrationsteilnehmern sei zuerst geschossen worden. Diese Propaganda-Offensive scheiterte an den Berichte zahlreicher Augenzeugen, zumal bekannt wurde, daß der Schießbefehl von Innenminister Lehr persönlich gegeben worden war.
Von den zahlreichen festgenommenen Demonstranten blieben elf in Haft. Sie wurden am 20. Oktober 1952 von der 1. Großen Strafkammer des Dortmunder Landgerichts wegen angeblichen Landfriedensbruchs, Aufruhrs und anderer, in »verfassungsverräterischer Absicht« begangener Straftaten zu insgesamt sechs Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Von den an der Prügelorgie beteiligten Polizisten stand keiner vor Gericht. Auch nicht der Mörder Philipp Müllers.
Die Friedenskarawane in Essen war eine von zahllosen Aktionen, mit denen die Mehrheit der Bevölkerung ihr Nein zur Remilitarisierung öffentlich machte. Schon am 25. September 1950 hatten 25 000 junge Bergarbeiter auf ihrem 1. Jugendtag den Bundespräsidenten Heuß mit dem Sprechchor begrüßt: »Wir wollen keine Soldaten sein – Theodor, geh du allein!« Starke Resonanz fand ein Brief Martin Niemöllers an Bundeskanzler Konrad Adenauer, in dem er eine Volksbefragung über die Wiederaufrüstung forderte.
Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang der Vertrauliche Vierteljahresbericht, den der US-amerikanische Hohe Kommissar McCloy Ende 1950 seiner Regierung erstattete. Darin konstatierte er »die aufrichtige und ziemlich verbreitete Überzeugung, im Lichte der jüngsten Erfahrungen könne die Wiederaufrüstung für Deutschland nicht als ein Weg zu Frieden und Sicherheit gewertet werden«; darum stoße die Einbeziehung der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Militärbündnis auf »eine ausgedehnte und nachdrückliche Opposition der Deutschen«.
Auf den Punkt brachte es Anfang 1951 der Deutschland-Korrespondent der New York Times, Drew Middleton: »Der Enthusiasmus, den die westlichen Generale und Politiker über die deutsche Wiederbewaffnung bekunden, findet in diesem Lande keinen Widerhall. Insbesondere trifft das auf jene Erwachsenenkontingente zu, aus denen die Truppen rekrutiert werden müssen.« Middletons Rat an die Politiker seines Landes: »Zwingen Sie jetzt nicht den Deutschen die Wiederbewaffnung auf; sie wollen es nicht.«
In dieser Stimmung fand Niemöllers Vorschlag für eine Volksbefragung breite und starke Unterstützuung. Auf Initiative der Friedensbewegung rief ein Kongreß in Essen zu einer Volksbefragung auf. Eine siebenköpfige Abordnung überbrachte diese Forderung in Bonn. Sie wurde von Adenauers persönlichem Referenten empfangen. Die Antwort war Schweigen. Bonn reagierte erst, als ein Ausschuß gegen die Remilitarisierung auf eigene Faust mit der Volksbefragung begann. Am 24. April 1951 erfolgte das regierungsamtliche Verbot. Begründung Die beabsichtigte Volksbefragung stelle »einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes dar«. Trotz des Verbotes sprachen sich bis zum 16. März 1952 mehr als neun Millionen Bürger gegen die Remilitarisierung aus. Die Furcht der Regierenden vor der Meinung des Volkes war augenscheinlich begründet.
Hier schließt sich der Kreis. Philipp Müller war das erste Todesopfer der gegen den Willen der Mehrheit des Volkes dann durchgesetzten Wiederaufrüstung. Die kalkulierte Polizeiwillkür hatte den Zweck, den Widerstand gegen diese Politik zu brechen. »Adenauer beginnt scharf zu schießen,« stand am 14. Mai 1952 in der Weltbühne. Mit den Todesschüssen von Essen begann eine Blutspur polizeilicher Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Zu den späteren Opfern gehören Benno Ohnesorg in Westberlin und Günter Sare in Frankfurt a.M.“
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Philipp Müller kämpfte gegen die Einbindung
der Bundesrepublik in das NATO-Bündnis!
Denn in diesem Zusammenhang stand die von der Regierung voran getriebene Kampagne für die Wiederbewaffnung.
Und heute? Heute ist Deutschland schon lange Teil der NATO und bereitet sich auf einen großen Krieg vor. Offen wird über die Möglichkeit eines Atomkriegs diskutiert, wer sich wagt, öffentlich zu fordern, ein Atomkrieg müsse um jeden Preis verhindert werden, dem wird Feigheit und Russland-Nähe unterstellt.
Die BRD ist Teil der NATO, aber mit jedem weiteren Panzer der in deutschen Rüstungsschmieden vom Band rollt, um die Bestände der Bundeswehr zu ergänzen oder in der Ukraine gegen russische Panzer ins Feld geschickt zu werden, macht die Aufgabe dringender: Wir brauchen eine antimilitaristische Bewegung, die sich klar gegen die NATO wendet. Wie es Philipp Müller und seine Genoss:innen damals getan haben.
Wer ehrlich verhindern will, dass Deutschland an weiteren großen und kleinen Kriegen teilnimmt, muss es sich auch unmittelbar zur Aufgabe machen, dass Deutschland aus der NATO austritt. Wohlgemerkt ist das keine Garantie gegen die deutsche Kriegsbeteiligung, aber es ist ein logischer Schritt, wollen wir erreichen, dass sich dieses Land aus imperialistischen Kriegen raushält, statt Raketen und Bomben auf unsere Klassengeschwister in anderen Ländern regnen zu lassen.
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.Auf nach Essen zur Demonstration.
.im Gedenken an Philipp Müller!.
Den Genossen Philipp Müller zu gedenken muss mehr heißen, als an seinem 70. Todestag seinem Kampf zu gedenken, Philipp Müller zu gedenken, heißt dauerhaft und ausdauernd – auch im Angesicht der Staatsgewalt – gegen Krieg und Militarismus zu kämpfen!
Auch wenn das keine Aufgabe ist, die an einem Tag gelingen kann, ist die Demonstration in Gedenken an Philipp Müller am 14. Mai um 14 Uhr am Essener Hauptbahnhof eine gute Gelegenheit, um damit anzufangen.
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In Halle gab es bis März 2012 eine Phillip-Müller Straße. Dann wurde diese vom Stadtrat auf einen Antrag der eingefleischten Antikommunisten (Sozialdemokraten) trotz Proteste der Anwohner in Willy-Brand Straße umbenannt.
Damals glaubte ganz Europa, die „Amerikaner“ seien die Guten und die „Russen“ seien die Bösen. Heute würde ich die Hand auch nicht mehr umdrehen.