Heinz Ahlreip – 11. April 2024
2024 ist rund die Hälfte der Weltbevölkerung zu Wahlen aufgerufen. In mehr als 60 Ländern inklusive der 27 Länder der Europäischen Union werden in diesem Jahr Wahlen veranstaltet. Das betrifft rund 36 Milliarden Menschen – circa 45 Prozent der Weltbevölkerung.
Für Deutschland gilt: Am 9. Juni sind die Bundesbürger zur Wahl eines neuen Europaparlaments aufgerufen, am 1. September in Sachsen und Thüringen und am 22. September in Brandenburg zu Wahlen eines Bundeslandparlaments. Für die deutsche Innenpolitik wird also formal der September entscheidend.
Das Erste, was dazu zu bemerken, ist, dass diese Wahlen nach Auskunft bürgerlicher Ideologen in einem sterilen Raum stattfinden, sui generis, also aus sich selbst heraus, außerhalb einer Epochenbestimmung, rein für sich. Die bürgerliche Demokratie kann am hellsten glänzen im Chaos des Daseins. Die Wahlen finden in der Epoche finsterer politischer Reaktion statt, in der Epoche des Imperialismus, also in der des höchsten Stadiums des vom Siechtum befallenen Kapitalismus. Der Kapitalismus verbindet seit seiner Entstehung die formale Gleichheit mit der ökonomischen Ungleichheit. Und aus dieser folgt die soziale Ungleichheit. Das wurde von den ausgebeuteten Masen auch immer instinktiv gefühlt, aber vor Marx und Engels als den Begründern des wissenschaftlichen Sozialismus wissenschaftlich nicht auf den Begriff gebracht. Der Hauptinhalt bürgerlicher Ideologie besteht heute darin, den Formalismus der Egalität herauszuputzen, die inhaltliche, mit unendlichen Leiden verbundene Tristesse aber verschönend zu unterdrücken.
Der dialektische und historische Materialismus stellt auch die kleinste politische Wahl in ihren weltgeschichtlichen Zusammenhang. Historisch gehören bürgerlich parlamentarische Wahlen, und um diese handelt es sich bei allen oben angegebenen ausschließlich, der ersten, gegen den Feudalismus gerichteten demokratischen Flut in der Neuzeit an, es liegt also eine urbürgerliche Wahl Form vor. Die bürgerlichen Ideologen sind heute dafür zuständig, einen Massenmythos zu pflegen und zu konservieren. Vor 1789 bildeten Adel und Klerus, beide steuerbefreit, die Spitze der Nation, 1 Prozent der Bevölkerung, die Bourgeoisie stellte 9 Prozent. Der bürgerliche Abbé Sièyes stellte in seiner berühmten Broschüre aus dem Jahr 1789: Was ist der dritte Stand? richtig fest, dass die französische Bourgeoisie machtpolitisch ein Nichts sei. „Nichts, so wie er jetzt ist; alles, sobald er geworden ist, was er werden muss.” Machtpolitisch entscheidend wurden die 90 Prozent weitgehenden analphabetischen Bauern und Handwerker, also der vierte Stand. Für einen Umsturzaugenblick musste sich die Bourgeoisie mit den von ihr verachteten Massen fraternisieren, historisch kann man allenfalls von einer bürgerlichen Augenblicksdemokratie aus Nützlichkeitsinteressen mit entsprechenden Augenblicksgötzen aus dem Jakobinermilieu sprechen. Alles bürgerlich Demokratische ist Erschlichenes. Wie sah die soziale Wirklichkeit aus? Marx berichtet im ‘Kapital‘ Band 1, dass das jüngste Kind, das im kapitalistischen Fabriksystem ausgebeutet wurde, 2 Jahre alt war, Kinder bekamen neben der Fabrik in Viehställen „Schulunterricht“ von Lehrern, die nicht mal ihren eigenen Namen schreiben konnten. Das kulturpolitische Interesse der Kapitalisten und ihre technische Entwicklung arbeiten heute daraufhin, uns von schriftbeherrschenden Völkern zu bilderkonsumierenden zu degradieren. Gerade in bürgerlichen Wahlkämpfen findet diese Art von Verblödung statt. Bürgerliche Lehrer ziehen in den Schulen mit. Die Marxisten-Leninisten müssen kulturell wach bleiben.
Die Kommunisten müssen auf eine zweite Wahl Flut hinarbeiten, in der der Kapitalismus untergeht. In der Weltgeschichte finden wir nach Feststellung von Hegel, Marx und Lenin menschliches Leiden obenauf. Bürgerliche Wahlen beweisen, dass dieses durch herkömmliche Wahlen nicht gemildert, sondern krisenpotenziert wird. Dem hat bürgerliche Ideologie entgegenzuarbeiten: Bürgerliche Parlamentswahlen seien in demokratischer Hinsicht das Gelbe vom Ei, nun ja, der Mensch sei unvollkommen, machen wir den Völkern doch unsere Unterdrückerdemokratie als das kleinste Übel unter allen Staatsformen vor. Und im Handumdrehen steckt die weltgeschichtliche Befreiungsmission des Proletariats in einer Sackgasse. Unterdrückerdemokratie? – das ist auf den ersten Blick ein Widerspruch, doch schauen wir auf die präzise Analyse der Niederlage der Pariser Commune von Marx, die sich im kommenden Monat Mai 2024 zum 153. Mal jährt.
“Statt einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll, sollte das allgemeine Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen, wie das individuelle Stimmrecht jedem andern Arbeitgeber dazu dient, Arbeiter, Aufseher und Buchhalter in seinem Geschäft auszusuchen“.
(Karl Marx: „Der Bürgerkrieg in Frankreich“, Werke, Band 17, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 340).
Hier liegen sowohl Kritik als auch Alternative vor uns. Das Superwahljahr 2024 erweist sich als Superjahr des Zertretens der Völker.
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