„Revolution“ im Gesundheitswesen oder Explosion der Profite?

Karikatur: Guido Kühn; www.guido-kuehn.de; wir bedanken uns.

Auszug aus einem Artikel vom Arbeit Zukunft – 1. Januar 2023

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(…) Horrormeldungen häufen sich

Ob Kinderkliniken, Kinderärzte, Hausärztemangel, massenhaft fehlende Pflegekräfte – die Horrormeldungen aus dem Medizinbetrieb gibt es mittlerweile fast täglich. Tatsächlich ist das gesamte Gesundheitssystem kaputt gespart worden – für den Profit! Mit den massiven Einsparungen wurden zugleich die Lohnnebenkosten für das Kapital niedrig gehalten. Denn bei einem Ausbau des Gesundheitswesens nach Bedarf wäre der Krankenkassenbeitrag gestiegen und damit die realen Lohnkosten.
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Berichte von der Front

Ja, es sind Frontberichte, die man aus dem Gesundheitswesen – oder sollen wir es besser Krankheitswesen nennen? – bekommt. Die Beschäftigten fühlen sich genauso wie ihre Patienten oftmals in einem Kampf.

Eltern müssen um die Behandlung ihres Kindes kämpfen. Beschäftigte kämpfen, dass sie nicht kaputt gehen.

Einige Berichte aus dem realen Klinikalltag machen das deutlich.

In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung am 7.12.2022 sagte der Chefarzt der Kinderklinik Böblingen, Prof. Dr. Feldhahn: „Hier vor Ort machen wir eine Triage: Die schwersten Fälle behandeln wir zuerst…“ In Kriegen kam es immer wieder zu Triagen. Das bedeutet, Verwundete werden nach ihren Überlebenschancen sortiert. Diejenigen, bei denen nur wenig Aussicht aufs Überleben besteht, lässt man sterben. Auch wenn es hier umgekehrt ist und die schwersten Fälle zuerst behandelt werden, zeigt die Verwendung des Begriffes und der Zwang angesichts fehlender Kapazitäten sortieren zu müssen, wie schrecklich die Lage ist. Natürlich kann sich der Zustand der weniger schwer Erkrankten durch längere Wartezeiten verschlechtern. Sie tragen dann als Kinder die Konsequenzen einer profitorientierten Krankenhauspolitik.

Prof. Dr. Feldhahn berichtet weiter: „Neulich wurde ein Kind anderthalb Stunden aus Albstadt zu uns gefahren, das zuvor in drei Kliniken abgewiesen worden war.“ Er kritisiert, dass es im Klinikbereich nur darum ging, kostengünstig zu arbeiten.

Laut Deutschlandfunk Nova berichtet Ulla Hedemann, Kinderkrankenpflegerin, Kinderintensivstation Berliner Charité, über unhaltbare Zustände. Der „kluge“ Rat von Gesundheitsminister Lauterbach bei zu knappem Personal, Kolleg/innen von anderen Station umzusetzen, sei unrealistisch. „Wir können die Leute ja nicht einfach machen lassen, sondern sie müssen eben auch begleitet werden“, sagt sie. Die Arbeit mit Kindern, ihre Behandlung, die Medikamente seien ganz anders. Das erfordere Einarbeitung und belaste wiederum diejenigen, die auf den Kinderstationen bereits unter Hochdruck arbeiten. Zudem sei auch auf den anderen Stationen das Personal extrem knapp. „Dort wird die Lücke dann auch wieder größer… Wir verschieben das Problem im Endeffekt ja nur.“ Hier der ganze Bericht.

Ein weiterer erschreckender Bericht auf dem Portal Doccheck, anonym von einem Narkosearzt in der Notfallmedizin veröffentlicht macht deutlich, dass die Lage schon heute bedeutet, dass Menschen unnötigerweise sterben, weil praktisch überall eine Situation herrscht, wo klammheimlich Triage notwendig ist. Unter der Überschrift „Wie sich Überlastung schon lange zeigt“ berichtet er: „Es sind im ambulanten Bereich Patienten, die ewig in ihren eigenen Ausscheidungen liegen, nicht gelagert werden und todesschmerzhafte Druckstellen entwickeln.“ Und weiter: „Das sind Patienten mit einer Hautveränderung, die sie kontrollieren lassen wollen, aber beim Hautarzt erst beim 120. Anruf durchkommen, um dann einen Termin für Mitte nächsten Jahres zu erhalten. Das sind Patienten, die umziehen und sich einen Hausarzt suchen, aber nirgendwo angenommen werden, weil überall Aufnahmestopp gilt. Das sind Patienten mit psychischen Erkrankungen, die 1 bis 2 Jahre auf einen Therapieplatz warten und in der Zwischenzeit anderweitig dekompensieren.  

Das sind im Rettungsdienst Patienten, die eigentlich 4 Minuten in die nächstgeeignete Klinik gebracht worden wären, aber aufgrund von Bettenmangel quer durchs Ruhrgebiet gefahren werden müssen. Das sind in der Notaufnahme Patienten mit einem gebrochenen Bein, die 6 Stunden und länger auf die weitere medizinische Versorgung warten, weil ein Beinbruch eben nicht lebensbedrohlich ist und deswegen warten muss.“

Und weiter: „Das sind Ärzte, denen gesagt wird: „Du machst den Dienst“, obwohl sie aufgrund ihres Ausbildungsstatus überhaupt noch nicht dienstfit sind.“

Zum Ende meint er unter der Überschrift „Es ist unschaffbar – das macht uns krank“:

Hier erleiden Menschen dauerhafte Schäden bis zum Tod, weil wir sie nicht mehr adäquat behandeln. Weil wir nur noch oberflächlich und schnell die Symptome abhandeln, statt auf Ursachensuche zu gehen.“
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Medikamente knapp – wegen zu wenig Profit?

Kindermedikamente sind derzeit knapp. Aber auch für gängige Medikamente für Erwachsene herrscht Mangel. Apotheken müssen jonglieren, Patienten müssen mehr bezahlen, da Standardmedikamente nicht lieferbar sind. Kein geringerer als Bundesgesundheitsminister Lauterbach bestätigt, dass eigentlich genug Medikamente vorhanden wären, aber es eine Frage des Profites ist, ob diese auch geliefert werden. Er bestätigte, dass die Pharmakonzerne dahin liefern, wo sie den höchsten Profit machen. Auch in Deutschland machen sie Profit, aber eben weniger als in anderen Ländern. Lauterbachs Antwort: Dann müssen wir halt in Deutschland Höchstprofit ermöglichen. Er erhöhte einfach die von den Krankenkassen zu zahlenden Preise um 50%. Bei den Krankenkassen fragte er nicht nach. Ebenso blieb er die Antwort schuldig, wie das finanziert werden soll. Über höhere Krankenkassenbeiträge und damit zu Lasten der Beitragszahler?

Selbst innerhalb des kapitalistisch-bürgerlichen Systems hätte es andere Möglichkeiten gegeben. Man hätte beispielsweise die Zulassung von Pharmafirmen zum deutschen Markt an die Bedingung knüpfen können, dass sie dann auch die Versorgung garantieren müssen und hohe Strafen fällig werden, wenn sie das nicht machen.

Hier zeigt sich: Der Markt regelt nichts zugunsten der Bedürfnisse der Menschen, sondern nur zugunsten des Profits! Und die herrschende Politik ist eine Politik für die großen Konzerne und für den Profit!

Hunderte Kassenärzte haben am 4. Oktober 2022 in mehreren Bundesländern gegen Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) protestiert. Zahlreiche Praxen blieben deswegen geschlossen oder schränkten ihren Betrieb ein. | Bild: YouTube

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Keine „Überraschung“!

Alle bisherigen Bundes- und Landesregierungen haben sich immer darauf herausgeredet, dass das durch „Corona“, durch die „Grippewelle“ komme

Doch nicht nur im Klinikbereich gibt es das Problem wie oben bereits angedeutet. Seit Jahren geht die Zahl der Arztpraxen zurück. Pflegepersonal fehlt an allen Ecken und Enden. Die Anzahl der Krankenhäuser sank in den letzten 30 Jahren von ca. 2500 auf knapp 1890 also fast 25%. Bei seiner „Revolution“ will Gesundheitsminister Lauterbach die Zahl der Krankenhäuser weiter senken.

Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten. Dann hätten wir anderen Kliniken genug Personal, geringere Kosten, bessere Qualität, und nicht so viel Überflüssiges. Länder und Städte blockieren.
Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) auf Twitter, 04. Juni 2019

Eine merkwürdige „Revolution“ bei der die Versorgung verschlechtert wird. In den letzten 30 Jahren hat sich die Verweildauer in Krankenhäusern rund halbiert und lag 2021 bei 7,2 Tagen. Das will Lauterbach weiter verkürzen! Selbst bei schweren Herz-OPs ist es jetzt schon so, dass manche Patienten nach 4-5 Tagen entlassen werden. Wo soll da noch gekürzt werden?

Die Zahlen über fehlende Ärzt/innen und Pfleger/innen sind seit vielen Jahren bekannt. Ebenso ist seit langem bekannt, dass in naher Zukunft viele in Rente gehen und kein ausreichender Nachwuchs vorhanden ist.

Mittlerweile sind über 40% aller Kliniken in Privatbesitz. Jede zweite Uniklinik ist privatisiert. Tendenz: Weiter steigend!

Daher sind „Corona“ oder die „Grippewelle“ nicht die Ursache. Sie zeigen nur auf, wie herunter gewirtschaftet das gesamte Gesundheitssystem ist.
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Reden wir lieber über Kapitalismus!

Die Überraschungs-Masche soll nur von den wirklichen Ursachen ablenken. Die Verantwortlichen wollen ihre blutigen Hände in Unschuld waschen. Und vor allem: Sie wollen gar keine „Revolution“ oder etwas grundlegend ändern! Mit viel heißer Luft wollen sie die Menschen täuschen und beruhigen.

Am 11. Sept. 2022 zog eine kraftvolle Demonstration durch die Innenstadt von Mainz. Aus allen Ecken des Bundeslandes Rheinland-Pfalz kamen Beschäftigte aus den Pflegeberufen und der Gesundheitsversorgung und sagten den unhaltbaren kapitalistischen Umständen und ihren Profiteuren von Vivantes bis Sana den Kampf an. Sie waren dem Aufruf des Bündnisses Pflegeaufstand gefolgt, eines Zusammenschlusses rund um die Gewerkschaft ver.di. | Bild: Luca Härtel

Doch egal, wo man im Gesundheitswesen hinschaut, überall springt einem eines ins Auge: das Streben nach Maximalprofit!

Und überall findet man Lobbyismus. Die großen Pharmaunternehmen und Klinikkonzerne geben Unmengen Geld aus, um ihren Einfluss auf den Staat zu sichern. Ein Beispiel ist Gesundheitsminister Karl Lauterbach selbst. Er machte für die Pharmaindustrie große Medikamentenstudien. Allein 2000 soll er dafür 800.000 Euro „Drittmittel“ kassiert haben. Unter anderem war er an einer Studie für den Fettsenker Lipobay des Pharmakonzerns Bayer beteiligt. Nach der Zulassung starben einige Patienten an Nebenwirkungen, sodass das Medikament 2001 vom Markt genommen werden musste. Lauterbach schadete das nicht. Seine Karriere ging weiter. Von 2001 bis 2013 war er Mitglied im Aufsichtsrat des Konzerns Rhön-Klinikum AG, eines der großen privaten Klinikkonzerne. Seine Einkünfte dort, die allein 2012 64.000 Euro im Jahr betrugen – neben seinen Einkünften als Bundestagsabgeordneter, gab er nach den Transparenzregeln des Bundestages nicht korrekt an.

Doch Lauterbach ist kein Einzelfall in diesem System. Wir erinnern nur an Jens Spahn, CDU, und die mit ihm verbundenen Maskendeals einer ganzen Reihe von CDU-Bundestagsabgeordneten. Damals wurden Staatsgelder in Millionenhöhe abgezweigt.
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Revolution – nicht nur im Gesundheitswesen!

Wenn Karl Lauterbach als gestandener Lobbyist das Wort „Revolution“ in den Mund nimmt, dann muss die Lage katastrophal sein. Würde er sagen, „Wir machen weiter so!“, dann würde niemand ihm folgen. Denn immer mehr Menschen spüren bei ihrem Gang zum Arzt, bei einem Klinikaufenthalt, dass es so nicht weiter gehen kann. Also greift Lauterbach zu einem demagogischen Trick, schreit laut „Revolution“, um die Zerstörung des Gesundheitswesen zugunsten des Profits weiter voranzutreiben. Von solchen Leuten, egal aus welcher der Parteien von SPD, CDU/CSU, FDP bis zur AfD ist auch nichts anderes zu erwarten. Selbst viele Abgeordnete der Linken können sich eine Welt ohne Kapitalismus und Profit nicht mehr vorstellen.

Grundlage für ein besseres Gesundheitswesen im Interesse der Beschäftigten und der Patienten kann jedoch nur eine Abschaffung des Kapitalismus mit seinem Zwang zu Kapitalverwertung und Höchstprofit sein! An vielen Stellen wie im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich, bei der Altenpflege, beim Umwelt- und Klimaschutz spüren die Menschen immer stärker, dass eine grundlegende Veränderung notwendig ist. Es kann nicht mehr so weitergehen wie bisher, sonst droht eine Katastrophe! Kleinteilige Reformen können das nicht mehr retten. Anstelle von Marketinggags wie bei Lauterbach muss eine grundlegende Veränderung, eine Revolution her!

Solange das noch nicht möglich ist, werden wir aber auch jede Reform unterstützen, die das Gesundheitswesen vergesellschaftet.
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So sind wir unter anderem dafür:

  • eine Einheitskrankenkasse für alle zu schaffen und alle Patienten gleich zu behandeln! Privatabrechnung muss abgeschafft werden!
  • alle Krankenhäuser zu vergesellschaften und die privaten Konzerne zu enteignen!
  • die Pharmakonzerne zu vergesellschaften und zu enteignen!
  • die Zahl der Ausbildungsplätze für Ärzt/innen und Pflegekräfte drastisch zu erhöhen, bei gleichzeitiger Verpflichtung eine Mindestzeit im öffentlichen Gesundheitswesen zu arbeiten!
  • Die Tariflöhne für Pflegekräfte sofort um mindestens 20% zu erhöhen und die Arbeitszeit schrittweise zu senken! (…)

Erstveröffentlichung am 28. Dezember 2022 auf »Arbeit Zukunft«. Wir danken den Genossinnen und Genossen von »Arbeit Zukunft« für ihre gute Arbeit. Bilder und Bilduntertexte wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.

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