Redaktion Betrieb+Gewerkschaft – 16. Juni 2022
Mit dem Hashtag „IhrBeutetUnsAus“ wollen in den letzten Tagen Menschen mit Behinderung auf die Ausbeutung in Werkstätten für Menschen mit Handicap aufmerksam machen. Statt Lohn für ihre Arbeit bekommen sie meist nur ein „Taschengeld“, das nur einen Bruchteil des Mindestlohns beträgt.
Dazu berichtete »perspektive« am 14. d. J. wie folgt:
Der Twitter-User „Johannissaft“, der selbst in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) gearbeitet hat, hatte den Hashtag und die Debatte rund um das Thema vor einigen Tagen losgetreten. Nun berichten viele weitere Betroffene von ihren eigenen Erfahrungen, und es werden öffentlich Konzerne genannt, die einige ihrer Produkte in diesen Werkstätten herstellen lassen.
Einige der Hauptkritikpunkte an den Behindertenwerkstätten sind:
- Die Beschäftigung in einer WfbM ist das Gegenteil von Inklusion: Die Werkstätten führen dazu, dass Menschen mit Behinderung von nicht-behinderten Menschen abgegrenzt werden. Sie haben keinen Kontakt zueinander, was zu noch mehr Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung aus der Gesellschaft und dem gesellschaftlichen Leben führt. Zusätzlich sind die Träger der Werkstätten große Bezieher von Behindertenhilfe. Arbeitsstätte, Wohnort und Freizeitorte sind meist in einem Gesamtkomplex vereint. So entsteht eine komplette Abtrennung von der restlichen Gesellschaft.
- Beschäftigte Menschen mit Behinderung in den WfbM erhalten keinen Mindestlohn. Sie erhalten gerade einmal einen Lohn von 2 Euro pro Stunde. Das liegt weit unter dem Mindestlohn, obwohl sie zum Teil die selbe Arbeit verrichten wie nicht-behinderte Menschen. Mit einem Stundenlohn von 2 Euro kann man sich kein eigenes Leben aufbauen, auch so wird den Betroffenen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt
- Die Vermittlungsquote in denArbeitsmarkt liegt seit Jahren unverändert bei unter 1%. Der gesetzliche Auftrag der WfbM lautet hingegen genau das: „Rehabilitation und Eingliederung in den Arbeitsmarkt“. Die Quote zeigt deutlich, dass das System der Werkstätten dazu nicht geeignet ist.
Ausnutzung als billige Arbeitskräfte
Konzerne als Kunden oder Betreiber solcher Werkstätten stellen sich als Retter dar und gaukeln nach außen hin vor, sie würden etwas Gutes für die Gesellschaft und für Menschen mit Handicap tun.
Als Beispiel könnte man Demeter heranziehen. Demeter ist ein deutscher Bioverband, an dem sich auch einige Landwirte beteiligen. Auch sie betreiben Werkstätten für behinderte Menschen, sie nennen sie aber „Lebensorte“. Sie haben „Demeter-Höfe“ gebaut, in denen teilweise über 100 Menschen mit Behinderung leben. Es gibt dort „verschiedene Werkstätten, z. B. Landwirtschaft, Gartenbau, Holzwerkstatt, Kerzenzieherei“. Die Menschen, die auf diesen Höfen leben, sind fast kompletvollständig vom Rest der Gesellschaft isoliert. Da sie an einem Ort leben und arbeiten, sind sie immer verfügbar und können oft auch körperlich harte Arbeit verrichten.
Ein Träger für Behindertenhilfe schreibt auf seiner Website etwa: „Arbeit in Werkstätten: Ein freiwilliges Beschäftigungs-Angebot“. Hier wird Arbeit, die sich in ihrer Qualität nicht allzu sehr von der Arbeit nicht-behinderter Menschen unterscheidet, zynisch als „freiwilliges Beschäftigungs-Angebot“ beschrieben. Der Kapitalismus hat sich mit diesen Werkstätten damit ein riesiges Feld geschaffen, wo er Arbeitskräfte nach Belieben und massiv ausbeuten kann, um das Ganze dann als eine Wohltätigkeit zu verkaufen. Im Monat zahlen die Werkstätten den Menschen dort für ihre Arbeit rund 220 Euro aus.
Die Isolierung der Menschen mit Handicap hat auch die Folge, dass es ungleich schwerer für sie ist, sich politisch oder gewerkschaftlich zu organisieren oder zu wehren. Die künstliche Spaltung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung wird so absichtlich vertieft und zementiert.
Habt ihr selber oder Eure Verwandschaft oder Bekanntschaft mit „Werkstätten“ Erfahrung? Dann teilt uns doch bitte Eure Eindrück als Kommentar (unten) mit! Wir werden Euren Beitrag dann unmittelbar unter diesem Artikel veröffentlichen.
Erstveröffentlichung des Hauptteils dieses Artikels am 14. Juni 2022 auf »perspektive«. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers. Bilder und Bilduntertexte wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.
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Es ist eine Schande, dass dieser Artikel in einer marxistisch-leninistischen Zeitung veröffentlicht wurde! Es wurde EINE Meinung eines Bloggers, der sich und seine grüne Beraterin profilieren will, unwidersprochen und ungeprüft übernommen. Die Berichterstattung ist, wie heutzutage in den Medien üblich, einseitige Meinungsmache. Ohne die Hintergründe zu beleuchten. Ohne Tatsachen zu recherchieren. Billige Journaille. Ich bin enttäuscht, so etwas in einer linken Zeitung zu finden!
Danke für Deine Kritik Manuela. Wir werden sie in unsere künftigen Überlegungen mit einbeziehen und auch diesen Artikel nochmals kritisch betrachen.
Fiete Jensen
Redaktion http://www.RoterMorgen.eu
Das gehört aber zu einem Kapitalismus, fast schon Radikal-Kapitalismus dazu. Ist diesemmenschheitsfeindlichen System wesenseigen. Also nichts Neues. Nicht nur bei Behinderte die man leichter ausnehmen kann als andere.
Kein Grund es zu akzepieren und nicht anzuklagen. Viele menschen denken daíe Werkstätten ganz tolle Einrichtungen sind.
Ich denke das es vorrangig nicht um die Struktur der Organisationen geht, die Werkstätten anbieten.
Es geht um die Betriebe die in den Werkstätten fertigen lasen und nur einen Bruchteil vom „normalen“ Fertigungspreis zahlen. Damit schmeissen sie ihr Produkt verbilligt auf den Markt und andere Unternehmen können nicht mithalten. Hinzu werden die Kollegen arbeitslos die sonst diese Arbeit zum „Normallohn“ machen würden.
Der Unternehmer hat so sein Ziel erreicht: „MAXIMALPROFIT“