Mütter werden aussortiert: H&M will 800 Kollegen/-innen entlassen

"Wunschparole" - Kann auch heißen: "Auch der Einzelhandel steht ganz still – Wenn dein starker Arm es will!"


Redaktion – 28. Januar 2021

Der Klamottenkonzern Hennes & Mauritz will 800 Kolleginnen und Kollegen entlassen. Zum Abschuss haben sie sich vorwiegend Mütter ausgesucht.

In der Corona-Pandemie vernachlässigt, durch Care-Arbeit (unbezahlte Hausarbeit) doppelt belastet, an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben und dann auf die Straße gesetz! Dieses Schicksal steht vielen Angestellten von Hennes & Mauritz (H&M) bevor. Die Bosse der bekannte schwedischen Modekette will mit der Zeit gehen und den weniger Personalintensiven Onlinehandel vorantreiben.

Jetzt sollen viele Filialen geschlossen werden, was real bedeutet, dass rund 800 Kollegen/innen in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Darunter vor allem junge Mütter. Mit einem sogenannten „Freiwilligenprogramm“  gerichtet an seine Mitarbeiter/innen will sich der Klamotenmulti nun einschleimen und die Mitarbeiter/innen übers Ohr hauen.

Immer wieder fällt die Modekette H&M mit betriebsratsfeindlichen Aktivitäten auf. Schikanen, Mobbing, Kündigungen oder Amtsenthebungen von Betriebsratsmitgliedern: „Union Busting“, die sogenannte systematische Sabotage von Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften. Hier geht um die permanete Missachtung der Betriebsrätin Ayse, die seit 2012 in der H&M Filiale in der Stadtgalerie Heilbronn beschäftigt ist. Bild: Facebook-Soligruppe

Kollegen/-innen, die abends oder am Wochenende nicht arbeiten können, sollen einwilligen, das Unternehmen mit einer Abfindung zu verlassen. Es werden also insbesondere Eltern, ältere Menschen sowie Menschen mit Behinderungen oder Kranke sein, die nun vermutlich ihren Job verlieren.
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Zwang statt freie Entscheidung

Was heißt das genau? Cosimo-Damiano Quinto aus der Ver.di-Bundesfachgruppe Einzelhandel fasst es so zusammen: 

Ex H&M-Betriebsrat Cosimo-Damiano Quinto, der jetzt für ver.di arbeitet.

„Frauen, die wegen ihrer Kinderbetreuung nicht am Wochenende oder in den Abendstunden arbeiten können, wird mit diesem Freiwilligenprogramm gesagt: ,‚Du wirst nicht zu den Arbeitszeiten arbeiten können, an denen wir interessiert sind. Wenn dir das also nicht passt, weil du dann Familie und Beruf nicht vereinbaren kannst, dann kannst du dich freiwillig entscheiden, jetzt mit einer Abfindung zu gehen.‘ Das ist alles andere als eine freie Entscheidung.“
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ver.di: Über das Unternehmen Hennes & Mauritz


Ohne Sozialplan

Eigentlich soll ein Sozialplan Arbeitnehmer/innen vor solchen Horrorszenarien. Ein Sozialplan umfasst soziale Kriterien, die darüber entscheiden, welche Kollegen/-innen im Falle einer Kündigungswelle besonders schutzbedürftig sind und sollte dabei – Überraschung – sozial sein!  Kriterien wie Alter, Unterhaltsverpflichtungen oder auch Behinderungen der Arbeitnehmer/innen müssen mit berücksichtigt werden. Aber nur all zu oft sind solche „Sozialpläne“ nicht das Papier wert auf dem sie geschrieben sind und dienen nur zur Beschwichtigung und Erpressung der Betroffenen.

Im Regelfall verhandelt das Unternehmen mit dem Betriebsrat über diese Kriterien und über die Höhe von Abfindungen, um wirtschaftliche Nachteile im Sinne für die betroffenen Kollegen/innen auszugleichen. All das umgeht H&M in diesem Fall geschickt und versucht das Programm geschickt am Betriebsrat vorbeizumanövrieren. Begründung: es gäbe keine Betriebsänderung, die zu einem Sozialplan verpflichtetdamit tritt H&M das Kündigungsschutzgesetz mit Füßen.

Auf Anfrage der Presse bestätigt H&M, in naher Zukunft 800 Mitarbeiter*/innen entlassen zu wollen, nach Angaben des Unternehmens entspreche dies fünf Prozent der Beschäftigten in Deutschland. Dabei richte sich das Freiwilligenprogramm nicht vorrangig an Mütter und Väter, behauptet die Modekette. Doch in der Mitteilung, die an die Mitarbeiter/innen ging wird deutlich, dass H&M darauf abzielt, das Arbeitsverhältnis genau mit den vschützenswerten Gruppen aufzulösen, die eigentlich durch einen Sozialplan geschützt werden müssten. Sie werden im Anschreiben sogar als betreffende Mitarbeiterinnengruppe aufgezählt: „Folgende Mitarbeitergruppen sind Anspruchsberechtigt: (… Personen,) die sich derzeit in Elternzeit befinden (und) langzeiterkrankte Mitarbeiter (Mitarbeiter, die aus der Lohnfortzahlung fallen).“
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Unmenschlicher Profitgeier H&M

Das alles ist schockierend, aber nicht verwunderlich. Denn H&M ist, was die Steigerung ihrer Profite anbelangt im Bezug auf Arbeitnehmer/innenrechte, ein absoluter Reinfall. Erst die Bespitzelung von Arbeitnehmer/innen in einem H&M-Servicecenter in Nürnberg, bei der vertrauliche Informationen aus Gesprächen der Kollegen/innen untereinander aufgenommen wurden, dann der Skandal, dass H&M bundesweit immer wieder versucht, unliebsame Betriebsräte/-innen zu feuern!

Von den Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten der Modekette im globalen Süden ganz zu schweigen. Jeyasre Kathiravel, eine 20-jährige Bekleidungsarbeiterin beim H&M-Zulieferer Natchi Apparels in Tamil Nadu, Indien, wurde am 5. Januar 2021 tot aufgefunden. Ein Vorarbeiter hat den Behörden gestanden, dass er Jeyasre vergewaltigt und getötet hat. Mehrere Arbeiterinnen haben darauf hingewiesen, dass es viele Fälle von sexueller Belästigung und Gewalt in der Fabrik gebe – einschließlich Beschimpfungen, Slutshaming, Mobbing, Schläge und Übergriffe.
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T-Shirt-Aufdrucke statt Unternehmenswerte

Diese schier endlose Liste der arbeitsrechtlichen Vergehen der Modekette, liest sich wie ein Strafregister der Kategorie: unmenschlich, unmenschlicher, H&M. Während sich H&M also höhnisch mit feministischen Sprüchen wie „Girl Gang“ oder „We should all be Feminists“ auf T-Shirts schmückt, dürfte klar sein, dass dieser Umgang mit den Arbeitnehmer/innen nicht nur antifeministisch, sondern rechtswidrig ist.

Die wichtige Kritik zu diesen Arbeitsbedingungen in einer Konsumkritik verhallen zu lassen, wäre nicht nur zu kurz gegriffen, sondern auch höchst unsolidarisch. Denn bei der Kleiderwahl bestimmte Modeketten zu boykottieren ist ein Verzicht, den man sich leisten können muss. Manche Menschen haben weder die Kapazitäten noch das Geld, ihre Kaufentscheidung zu einer politischen zu machen. Bei vielen Menschen geht es beim Thema Konsum um Pragmatismus, ums Überleben. Oder eben darum, sich so kleiden zu können, dass man sich auch mit wenig Geld im gesellschaftlichen Raum wohlfühlen kann: in Bewerbungsgesprächen, auf Beerdigungen, beim Date, auf einem Geburtstag.

Die Forderung nach Konsumentscheidungen ist Augenwischerei

„Statt Konsument/innen mit dem Prinzip „Vote with your Dollars (Stimmen Sie mit Ihren Dollars ab)“ – also wähle mit deinen Kaufentscheidungen – unter Druck zu setzen, sollten politische Entscheidungen getroffen werden. Denn die können tatsächlich demokratisch bestimmt werden, während beim „Vote with your Dollars“-Prinzip lediglich der Geldbeutel entscheidet, wer mitbestimmen kann. Es braucht also keine Schmähkritik gegenüber Menschen, die bei H&M einkaufen, sondern eine Kritik an den Arbeitnehmer*innenrechten (…) wo Menschen Produkte herstellen, die in Deutschland konsumiert werden.“
So formulierte es kürzlich die freie Redakteurin Carmen Maiwald.

Hier fordern H&M-Kolleginnen aus der Filiale Bozen die Aktionärsversammlung auf, die Jahresgewinne von H&M in einen Fond zu geben, der den unterbezahlten und unter menschenunwürdigen Bedingungen lebenden Arbeiter/innen in den asiatischen Zulieferbetrieben zugutekommt. Bild: Facebook-Soligruppe

H&M ist kein Einzelfall

Auch, wenn H&M für schlechte Arbeitnehmer/innenbedingungen bekannt ist – sind diese Methoden kein Einzelfall. Die Gefahr, dass Kollegen/innen durch das Streben nach immer mehr Profit im Zeitalter der Digitalisierung einfach wegrationalisiert werden, fordert einen Wandel, in den Arbeitnehmer/innenrechten, in die wir alle mit miteinbezogen werden müssen. „H&M versucht gerade, wie in einem Patriarchat, die Neuerungen von oben nach unten durchzusetzen. Das funktioniert aber nicht mit Kollegen/innen, die keine BefehlsempfängerIinnen sind, sondern altiv mitgestalten wollen und sich konsequent für Ihre Rechte einsetzen. Neue Kampfformen müssen entwickelt werden und auch den, leider auch viel zu oft kompromissbereiten, Gewerkschaften müssen wir auf die Finger klopfen!

Wir fordern:

Keine Entlassungen bei H&M!

Verlässliche Kontrollen der Arbeitnehmer/innenrechte in den Zulieferbetrieben!

Digitalisierung nur mit Arbeitsplatzgarantie!

Ausweitung des Mutterschutzes bei voller Gehaltsfortzahlung!

Auch nach der Pandemie gilt: Der Einzelhandel steht ganz still – Wenn dein starker Arm es will!

Alle gemeinsam gegen das Kapital!

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Nieder mit dem Verrat der ver.di-Bosse! Für die kompromißlose Verteidigung unserer Arbeitsplätze!

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2 Kommentare

  1. Ja, da fehlt eine breite Öffentlichkeit, die nicht nur davon weiß und dagegen ist, sondern auch offensive Gegenwehr. Auch von den anderen Kollegen, auch denen in anderen Konzernen. Vor allem von Frauen.

    Es hapert gewaltig am Verständnis von Solidarität in der Gesellschaft!

  2. Ich Kaufe eh selten dort, aber als Mutter in Elternzeit wäre es für mich kein Grund dort gar nicht mehr zu kaufen.
    Erst wollten die zum Anfang der Pandemie ihre Mieten nicht zahlen und jetzt das. So schießt man sich selbst ins Aus!

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