Die Pariser Kommune – die erste Diktatur des Proletariats

Redaktion, 17. März 2021….Was ist die Kommune?.

„Der sozialdemokratische Philister [= Spießer] ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken geraten bei dem Wort: »Diktatur des Proletariats«. Nun gut, ihr Herren, wollt ihr wissen, wie diese Diktatur aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats!“
(Friedrich Engels am 20. Jahrestag der Pariser Kommune, 18. März 1891, London)

Die Pariser Kommune – die erste Diktatur des Proletariats

Heute vor 150 Jahren, am 18. März 1871, brach in Frankreichs Hauptstadt Paris eine Revolution aus, die den weiteren Verlauf der Arbeiter- und kommunistischen Bewegung entscheidend beeinflusste. Zum ersten Mal in der Geschichte ergriff das Proletariat konsequent die Macht. Die Erfahrung dauerte nur 72 Tage, aber die Lehren, die Karl Marx daraus in seinem WerkDer Bürgerkrieg in Frankreich“ zog und die Lehren, die Lenin in seinem Buch „Staat und Revolution“ zusammenfasste, sind Teil der Grundprinzipien des Kommunismus geworden und noch heute gültig.

Über die Bedeutung der Pariser Kommune veröffentlichen wir heute in weiten Auszügen den nachfolgenden Artikel des Genossen Ernst Aust, der erstmals in der April-Ausgabe 1971, des »RotenMorgens« erschien.
Im Anhang findet ihr weitere Informationen und Links, die die Bedeutung der PariserKommune und die Lehren für heute verdeutlichen.

 

100. Jahrestag der Pariser Kommune

Ernst Aust †

Vor hundert Jahren, am 18. März 1871, trat zum ersten Mal in der Geschichte das Proletariat siegreich auf. Kühn ergriffen die Pariser Arbeiter – die Himmelsstürmer von Paris, wie Marx sie nannte – die Macht und schufen den ersten Staat der Arbeiterklasse, die glorreiche Pariser Kommune. Die revolutionären Taten des Pariser Proletariats bedeuteten eine neue Etappe der Klassenkämpfer, die der proletarischen Revolution und der Diktatur des Proletariats.
Das Gedenken an die Kommune hochhalten heißt für uns Marxisten-Leninisten, ihr revolutionäres Erbe fortsetzen. Wir müssen aus den Kämpfen der Kommunarden die revolutionären Lehren ziehen und uns von ihnen im revolutionären Kampf leiten lassen.

Der Pariser Kommune war der deutsch-französische Krieg vorausgegangen, der zum Sturz des korrupten Kaiserreiches des Louis Bonaparte (Napoleon III.) geführt hatte. Am 4. September 1870 war die II. Republik ausgerufen worden.

Während die preußischen Truppen Paris belagerten und die Reste der kaiserlichen Armeen entweder von den Preußen eingeschlossen oder gefangen waren, wurde eine „REGIERUNG DER NATIONALEN VERTEIDIGUNG“ gebildet, die fast ausschließlich aus Vertretern der Bourgeoisie mit THIERS an der Spitze bestand. Das militärische Instrument der nationalen Verteidigung wurde die NATIONALGARDE: 300 000 Pariser, vor allem Arbeiter und Handwerker, in Waffen.

„Aber Paris in Waffen, das war die (proletarische) Revolution in Waffen … In diesem Zwiespalt zwischen nationaler Pflicht und Klasseninteresse zauderte die Regierung der nationalen Verteidigung keinen Augenblick . . . sie verwandelte sich in eine Regierung des nationalen Verrats.“
(Karl Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich)

Am 28. Januar 1871 kapitulierte die „Regierung der nationalen Verteidigung“. Die preußische Bourgeoisie mit Bismarck an der Spitze diktierte ihre Friedensbedingungen: Verzicht auf Elsaß-Lothringen mit seinen Kohle- und Erzvorkommen sowie 5 Milliarden Francs Kriegskontributionen.

Aber die Nationalgarde behielt ihre Waffen und Kanonen und trat nur in Waffenstillstand gegen die Sieger. Und diese selbst wagten nicht in Paris im Triumph einzuziehen. Nur ein kleines, obendrein teilweise aus öffentlichen Parks bestehendes Eckchen von Paris wagten sie zu besetzen, und auch dies nur für ein paar Tage! Und während dieser Zeit waren sie, die Paris 131 Tage lang umzingelt hatten, selbst umzingelt von den bewaffneten Pariser Arbeitern, die sorgsam wachten, daß kein Preuße die engen Grenzen des dem fremden Eroberer überlassenen Winkels überschritt. Solchen Respekt flößten die Pariser Arbeiter dem Heer ein, vor welchem sämtliche Armeen des Kaiserreichs die Waffen gestreckt; und die preußischen Junker, die hergekommen waren, um Rache zu nehmen am Herd der Revolution, mußten ehrerbietig stehen bleiben und salutieren vor eben dieser bewaffneten Revolution!“ (ENGELS)

In der Nacht vom 17. auf den 18. März versuchte Thiers, der Nationalgarde alle Kanonen (250) stehlen zu lassen.

„Der Versuch schlug fehl, Paris rüstete sich wie ein Mann zur Gegenwehr, und der Krieg zwischen Paris und der in Versailles sitzenden französischen Regierung war erklärt.“ (ENGELS, ebenda)
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Die Kommune wird ausgerufen

Das Zentralkomitee der Nationalgarde übernahm die Macht in Paris. In seinem Manifest vom 18. März sagte es:

„Die Proletarier von Paris, inmitten der Niederlagen und des Verrats der herrschenden Klassen, haben begriffen, daß die Stunde geschlagen hat, wo sie die Lage retten müssen, dadurch, daß sie die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in ihre eigenen Hände nehmen müssen … Sie haben begriffen, daß es ihre höchste Pflicht und ihr absolutes Recht ist, sich zu Herren ihrer eigenen Geschicke zu machen und die Regierungsgewalt zu ergreifen.“

Die Kommune wird ausgerufen.

Am 26. März werden Wahlen durchgeführt und am 28. März übernimmt der RAT DER KOMMUNE die Macht.

Der Rat der Kommune machte sich gleich ans Werk und erließ zahlreiche Maßnahmen und Gesetze. Während der 72 Tage seines Bestehens setzte er sich unermüdlich für die Belange der Pariser Bevölkerung ein, und jedes seiner Mitglieder arbeitete bis zum Umfallen. „Die große soziale Maßregel der Kommune“, sagte Marx, „war ihr eignes arbeitendes Dasein. Ihre besonderen Maßregeln konnten nur die Richtung andeuten, in der eine Regierung des Volkes durch das Volk sich bewegt.“
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Soziale Maßnahmen

Der Rat der Kommune schaffte die mörderische Nachtarbeit der Bäckergesellen ab; er verbot bei hohen Strafen den Kapitalisten, wie früher den Lohn herabzudrücken, indem sie unter allerlei Vorwänden den Arbeitern Geldstrafen auferlegten; er verwandelte Werkstätten und Fabriken, deren Eigentümer aus Paris geflohen waren, in Arbeitergenossenschaften; er stundete die Mieten, die um ½ Jahr zurücklagen.

Im alten Frankreich hatten Arbeiterfrauen und -kinder, deren Mann bzw. Vater gefallen war, keinen Anspruch auf eine Pension. Während der Kommune hatte jede Frau, ob ehelich oder außerehelich, Anspruch auf eine Pension. Durch diesen Erlaß hat die Kommune für die Befreiung der Frau, für ihre Würde, mehr getan als alle die Moralisten und Gesetzgeber der Vergangenheit. Und die Frauen von Paris haben das verstanden, denn noch nie zuvor haben sie sich mit mehr Energie und in so großer Zahl einer politischen Bewegung angeschlossen, noch nie zuvor haben sie sich an der Seite der Männer so kampfentschlossen für ihre gemeinsame Sache eingesetzt.

Während die Pfaffen im alten Frankreich ein gemütliches Schmarotzerleben führten und mit dem Opium der Religion das Volk zur Demut gegenüber den Herrschern anhielten, räumte die Kommune gründlich mit diesem klerikalen Pack auf. Die Auflösung und Enteignung aller Kirchen als besitzender Körperschaften wurde dekretiert. Die Pfaffen sollten künftig wie die Apostel von den Almosen ihrer Gläubiger leben.

Die allgemeine Schulbildung wurde durch die Kommune für jedermann zugänglich gemacht, neue Tagesschulen für die Arbeiterkinder, Abendschulen für die Arbeiter errichtet.

All diese Maßnahmen auf sozialem Gebiet, die der Rat der Kommune in 2 ½ Monaten beschloß und verwirklichte, zeigen klar und deutlich: Der Rat der Kommune war eine Regierung, die trotz ihrer Fehler und Schwächen, die trotz ungünstiger Bedingungen – Paris war von Feinden umstellt – sich nach den besten Kräften für die Interessen des Pariser Volkes einsetzte.
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Die Kommune – die erste Diktatur des Proletariats

Die sozialen Maßnahmen sind jedoch nicht das umwälzend Neue der Pariser Kommune gewesen. Man begann die „soziale Gerechtigkeit“ zu verwirklichen, um die das Volk in den vorhergegangenen Revolutionen vergeblich gekämpft hatte. Das grundlegend Neue, das sich im Kampf der Pariser Kommunarden herausbildete, war die politische Form, unter der allein sich die Befreiung der Arbeiterklasse vollziehen kann. Die Pariser Kommune war mehr als nur eine Arbeiterregierung, sie war der erste Staat der Arbeiterklasse, die erste Diktatur des Proletariats, in der Geschichte der Menschheit.

Marx und Engels, die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, hatten aus der materialistischen Analyse der Geschichte die Erkenntnis gewonnnen, daß „der Staat das Produkt und die Äußerung der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze“ ist. In der klassenlosen Urgesellschaft war die gesamte Bevölkerung als bewaffnete Macht organisiert. Mit der Spaltung der Gesellschaft in Klassen, in Ausbeuter und Ausgebeutete, Besitzende und Besitzlose, wurde eine besondere „öffentliche Gewalt“ in Form von stehendem Heer und Polizei nötig, um die Ausbeuterinteressen der Besitzenden gegenüber den Besitzlosen zu verteidigen. Neben diesen bewaffneten Unterdrückungsinstrumenten umfaßt der Staat als Instrument der Klassenherrschaft vor allem noch den bürokratischen Apparat, Gefängnisse usw.

Da jeder Staat ein Instrument der Klassenherrschaft ist, so ist auch die demokratischste bürgerliche Republik nur ein Werkzeug der Bourgeoisie zur Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiterklasse. Deshalb kann die Arbeiterklasse die politische Macht nicht friedlich erobern. Sie muß im Kampf für ihre Befreiung der reaktionären Gewalt der Bourgeoisie die revolutionäre Gewalt der unterdrückten und ausgebeuteten Massen entgegensetzen, die Diktatur der Bourgeoisie stürzen und ihre eigene revolutionäre Diktatur errichten. Der bürgerliche Staat ist ein Werkzeug der Reichen zur Unterdrückung der Armen, die Diktatur einer Minderheit über die überwältigende Mehrheit des Volkes. Der proletarische Staat ist die größtmögliche Demokratie für die ausgebeutete Mehrheit des Volkes und Diktatur über die ehemaligen Ausbeuter.

Was Marx und Engels aus der materialistischen Geschichtsbetrachtung an theoretischen Einsichten gewonnen hatten, das wurde 1871 in Paris durch die Praxis bestätigt.

Wären die Pariser Arbeiter unbewaffnet gewesen, wäre es für die französische Bourgeoisie ein leichtes Spiel gewesen, die aufflammende Revolution im Keim zu ersticken. Doch die Pariser Arbeiter waren bewaffnet: sie widersetzten sich mit revolutionärer Gewalt den Thiers-Söldnern, die sie entwaffnen wollten.
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Vollständige Zerschlagung der Staatsmaschine

„Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, daß die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann.“ (Marx/Engels 1872)

Das größte Verdienst der Kommunarden bestand darin, die alte Staatsmaschine zerschlagen und an ihre Stelle den Kommunestaat gesetzt zu haben. Das erste Dekret der Kommune hieß: Abschaffung des stehenden Heeres und seine Ersetzung durch das bewaffnete Volk. Marx schrieb über die Organisation der Kommune: „Die Kommune bildete sich aus den durch allgemeines Stimmrecht in den verschiedenen Bezirken von Paris gewählten Stadträten. Sie waren verantwortlich und jederzeit absetzbar. Ihre Mehrzahl bestand selbstredend aus Arbeitern oder anerkannten Vertretern der Arbeiterklasse. Die Kommune sollte nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit.“

In der Kommune war es vorbei mit der Schwatzbude Parlament, vorbei mit dem aufgeblähten Beamtenapparat, der streng nach Vorschrift der Bourgeoisie handelt. In der Kommune erließen die gewählten Volksvertreter die Gesetze, die dem Volk nützten: zugleich mußten sie für die Durchführung der Gesetze sorgen. Taten sie dies nicht, wurden sie einfach abgesetzt. Die Kommune-Vertreter sollten auch nichts besseres sein als das Volk; jeder Kommune-Beamte mußte seine Tätigkeit für Arbeiterlohn besorgen.

Wir sehen, daß die eine Seite der Diktatur des Proletariats, die Demokratie, für die breiten Volksmassen in der Pariser Kommune glänzend organisiert wurde. Doch die andere Seite der Diktatur des Proletariats, die unerbittliche Niederhaltung der alten Ausbeuter, wurde 1871 in Paris stark vernachlässigt. Beide Seiten wurden erstmals in der Volksrepublik China durch die Große Proletarische Kulturrevolution verwirklicht, die sich in ihrem 16-Punte-Programm ausdrücklich auf die Pariser Kommune beruft (Näheres dazu im nächsten RM).

Die nachsichtige Haltung der Kommunisten gegen die Bourgeoisie wurde ihnen zum Verhängnis

So machte die Kommune den entscheidenden Fehler, Thiers geschlagene und zerstreute Truppen laufen zu lassen, anstatt ihnen nachzusetzen und sie zu vernichten. Damit war bereits der Keim ihrer Niederlage gelegt.

Weiter:

Anstatt die Bank von Frankreich mit ihren Milliardenschätzen zu enteignen und das Geld für den Aufbau und die Verteidigung der Kommune zu verwenden, ließ man sie wie ein Heiligtum unangetastet in den Händen der Bourgeoisie. Anstatt die Kapitalisten, deren Besitz einzig und allein durch die Arbeit des Volkes geschaffen wurde, entschädigungslos zu enteignen, zahlte man den wenigen geflohenen Volksausplünderern, deren Besitz in Arbeitergenossenschaften überführt wurde, noch Entschädigungssummen. Anstatt die bürgerliche Presse, die im verstärkten Maße Hetztiraden gegen die Pariser Arbeiter verbreitete, schonungslos niederzuhalten, setzte man ihr nur die Organe der Kommune entgegen. Die Pariser Arbeiter hatten darauf die richtige Antwort gegeben: Sie verbrannten die Hetzblätter. Genauso machten es die Metallarbeiter 1969 im Ruhrgebiet mit der Bildzeitung, als diese die Streikenden als Dauernörgler beschimpfte.

Diese nachgiebige, unentschlossene Haltung der Kommune gegenüber der französischen Bourgeoisie wurde ihr zum Verhängnis:

Ist die Bourgeoisie einmal gestürzt, wird sie ihre Kraft verzehnfachen, um ihre Herrschaft wieder zu errichten. Sie schreckt dabei vor nichts zurück – weder vor Hinterlist, noch vor offener Gewalt, weder vor Meuchelmord, noch vor Massenerschießungen.

So ließ auch die französische Bourgeoisie keinen Versuch aus, ihre verlorene Macht wieder zu erobern. Sie schickte Spitzel und Provokateure nach Paris, um die Arbeit zu sabotieren und die Kommunarden zu entzweien. Sie ließ als Abschreckung gefangene Kommunarden bestialisch umbringen. Sie verbündeten sich mit ihrem angeblichen Erzfeind, der deutschen Bourgeoisie unter Bismarck.

Dieser unterstützte die Versailler Konterrevolution, indem er 100 Gefangene unter das Kommando der bonapartistischen Generäle entließ. Am 22. Mai fielen die „Versailler“ in Paris ein.
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Heldenhafter Widerstand

Die Bedingungen für die Verteidigung der Kommune waren ungünstig: Der Lebensmittelvorrat wurde immer knapper, es fehlte an Waffen und Munition, die eingeschleusten Agenten hatten teilweise Erfolg mit ihren Sabotageakten. Die Übermacht der konterrevolutionären Truppen und der preußischen Armee war erdrückend. Trotzdem verteidigten die Pariser Arbeiter mit größtem Heldentum ihre Kommune. An allen strategisch wichtigen Punkten wurden Barrikaden errichtet. Die Pariser Arbeiterfrauen kämpften Seite an Seite mit den Männern auf den Barrikaden für die gemeinsame Freiheit. Die Kinder veersorgten die kämpfenden Eltern mit Lebensmitteln und brachten ihnen neue Munition. Alte Männer und Frauen pflegten die Verwundeten. Doch die Übermacht der Feinde war zu groß. Die Kommunarden mußten mehr und mehr zurückweichen. Bei jeder genommenen Barrikade richteten die Thiers-Söldner furchtbare Blutbäder an. Nach dreitägigem Artilleriebeschuß und verzweifeltem Widerstand fiel am 28. Mai um 11 Uhr vormittags die letzte Barrikade.

Damit war, mit Thiers Worten, „der Sieg der Ordnung, Gerechtigkeit und Zivilisation gewonnen“. Diese „Ordnung“ war der weiße Terror.

Jeder Kommunarde, dessen Hände durch Pulverdampf geschwärzt waren, wurde sofort erschossen. Insgesamt verlor das revolutionäre Paris über 30 000 seiner Kämpfer. Deportiert und verschleppt wurden bis zu 45 000, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Der Pariser Korrespondent einer bürgerlichen Zeitung beschrieb die Greueltaten der Weißen folgendermaßen: „Daß viele Verwundete lebendig begraben wurden, daran kann ich nicht im mindesten zweifeln. Für einen Fall kann ich einstehen . . . In der Stille der Nacht wurden die Bewohner der umliegenden Häuser geweckt durch fernes Stöhnen, und am Morgengrauen sah man eine geballte Faust aus dem Boden ragen.“

„Mit angehaltenem Atem hatte die ganze bürgerliche Welt dem Heldenkampf des Pariser Proletariats zugeschaut. Angstschlotternd hatte sie in der Kommune das Werk der roten Internationale gesehen, deren macht sie ins Gigantische übertrieb. Nachdem die rote Festung gefallen, der furchtbare Alpdruck gewichen war, gierte die europäische Reaktion danach, an dem Rachewerk teilzunehmen. Eine Schlammflut der Verleumdung wälzte sich über die Kommunekämpfer, die Internationale, die gesamte Arbeiterbewegung.“ (Illustrierte Geschichte der Deutschen Revolution; Internat. Arbeiterverlag, Berlin 1929).

In dieser Situation hielt Bebel, der einzige Vertreter der Arbeiterklasse im Reichstag, eine mutige Verteidigungsrede für die Pariser Kommune, in der er am Schluß ausrief:

„Seien Sie überzeugt, das ganze europäische Proletariat und alles, was noch ein Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit in der Brust trägt, sieht auf Paris. Und wenn im Augenblick Paris unterdrückt ist, so erinnere ich sie daran, daß der Kampf in Paris nur ein kleines Vorpostengefecht ist, daß die Hauptsache in Europa uns noch bevorsteht, und daß, ehe wenige Jahrzehnte vergehen, der Schlachtruf des Pariser Proletariats „Krieg den Palästen, Friede den Hütten, Tod der Not und dem Müßiggang!“ der Schlachtruf des gesamten europäischen Proletariats sein wird.“
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Die modernen Revisionisten verraten die Lehren der Pariser Kommune

In Worten loben die DKP-Revisionisten die Pariser Kommune als „große soziale Errungenschaft“ der Arbeiterklasse; jedoch die grundlegenden Lehren der Kommune, die vollständige Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates und die Errichtung der Diktatur des Proletariats, werden außer Acht gelassen. Andeutungen in der UZ zum 100sten Jahrestag der Pariser Kommune ändern an dieser Tatsache nichts. So lautet in der Grundsatzerklärung der DKP die Hauptparole nicht etwa „Kampf für die Diktatur des Proletariats“, sondern „demokratische Erneuerung von Staat und Gesellschaft“. Für die DKP-Revisionisten heißt das: „Verbot des Nazismus, Beendigung der imperialistischen Großmachtspolitik und Einschränkung der Macht der Monopole … die Umwandlung der BRD in eine reale fortschrittliche Demokratie.“ Sicherlich schön klingende Forderungen, doch Kommunisten messen Forderungen daran, ob sie den Bedingungen des Klassenkampfes Rechnung tragen.

Für uns Kommunisten gibt es keine Demokratie schlechthin, keine Demokratie für alle. Eine Demokratie wird stets von Klasseninteressen getragen. Entweder ist es eine Demokratie für die Krupps und Thyssen oder es ist eine Demokratie für die Arbeiterklasse, entweder ist es die Diktatur der Bourgeoisie oder es ist die Diktatur des Proletariats. Ein Mittelding gibt es hier nicht, auch wenn die DKP-Revisionisten (und andere, Anm. der Red.) noch so laut danach schreien. Ihre Forderung nach „realer fortschrittlicher Demokratie“ ist nicht neu. Die Folgen der kapitalistischen Ausbeuterordnung, „die NPD, die Großmachtpolitik und die Macht der Monopole“, wollen die DKP-Revisionisten verbieten oder einschränken.

Aber auch wenn die NPD verboten wäre, Strauß nicht mehr auf Moskau schimpfen dürfte und ein Anti-Kartellgesetz die Macht der Monopole einschränkte, bliebe die Wurzel all dessen bestehen: Die Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital. Lenin schrieb in „Staat und Revolution“, daß „auch in der allerdemokratischsten (bürgerlichen) Republik Lohnsklaverei das Los des Volkes bleibt“.

Die DKP-Revisionisten wollen die „demokratische Erneuerung von Staat und Gesellschaft“ auf der Basis des Grundgesetzes erreichen. Sie wollen also durch den bürgerlichen Staat die Macht der Bourgeoisie einschränken und schließlich überwinden. Das ist doch nichts anderes als daß der Knüppel seinen Meister verdrischt, denn der bürgerliche Staat ist seinem Wesen nach ein Werkzeug der Bourgeoisie zur Niederhaltung des Proletariats und er wird es bis zu seiner vollständigen Zerschlagung durch das Proletariat bleiben.

Die DKP-Revisionisten haben somit die Lehren der Pariser Kommune, einen wichtigen Bestandteil des Marxismus-Leninismus, verraten. Sie spotten dem heldenhaften Kampf der Pariser Arbeiter für die Diktatur des Proletariats.
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Das Fehlen der kommunistischen Partei

Vielen von uns drängt sich die Frage auf, warum der erste Staat der Arbeiterklasse, die Pariser Kommune zusammengebrochen ist.

„Zur siegreichen sozialen Revolution bedarf es mindestens zweier Vorbedingungen: Die Entwicklung der Produktivkräfte muß eine hohe Stufe erreicht haben und das Proletariat muß vorbereitet sein. 1871 fehlten jedoch diese beiden Vorbedingungen. Der französische Kapitalismus war noch wenig entwickelt, und Frankreich war damals ein überwiegend kleinbürgerliches Land (ein Land der Handwerker, Bauern, Kleinhändler u. a. m.). Andererseits war keine Arbeiterpartei vorhanden, es fehlte die Vorbereitung und lange Schulung der Arbeiterklasse, die in ihrer Masse noch nicht einmal eine völlig klare Vorstellung von ihren Aufgaben und den Methoden zu ihrer Lösung hatte. Es gab weder eine ernsthafte Organisation des Proletariats noch umfassende Gewerkschaften und Genossenschaften …“ (Lenin)

Die Arbeiterbewegung war 1871 noch jung, ihre Erfahrungen gering. Viele kleinbürgerlich Theorien herrschten in der Bewegung vor, so die Theorie von Blanqui und Proudhon.

Blanqui forderte, mit einer kleinen Anzahl von Revolutionären die Macht zu erobern und dann die Volksmassen für die Revolution zu gewinnen; dem ökonomischen Kampf für die Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiterklasse schenkte er kaum Beachtung. Die Proudhonisten hingegen wollten vom Kampf um die politische Macht nichts wissen und forderten lediglich die Einrichtung einer Tauschzentrale, damit alle Waren gerecht unter dem Volk verteilt werden können. Trotz dieser kleinbürgerlichen Theorien brach sich der revolutionäre Instinkt der Pariser Arbeiter Bahn.

100 Jahre später ist die Arbeiterbewegung zu der mächtigsten Bewegung in der Geschichte der Menschheit angewachsen. In den zahlreichen Klassenschlachten, Niederlagen und Siegen gewann die Arbeiterbewegung wertvolle Erfahrungen hinzu. Die Verallgemeinerung der Erfahrungen der internationalen Arbeiterbewegung sind der Marxismus, der Leninismus und die Maotsetungideen. Diese scharfe Waffe muß sich das Proletariat aneignen, um den Kampf gegen die Bourgeoisie siegreich führen zu können. Die Aufgabe der Kommunistischen Partei ist es, die Arbeiterklasse von der Richtigkeit und Schärfe dieser Waffe zu überzeugen und somit der Arbeiterbewegung eine gezielte Wucht zu verleihen.

Kommunekämpferinne fechten zur Verteidigung der revolutionären Staatsmacht.

Aber die Aktivität der breiten Masse kann sich weder lange halten noch in der richtigen Richtung entwickeln, noch ein höheres Niveau erreichen, wenn eine starke führende Gruppe fehlt, die diese Aktivität auf geeignete Weise organisiert.“ (Mao Tse-Tung)

Gerade diese „starke führende Gruppe“, die Kommunistische Partei, die von einer einheitlichen theoretischen Grundlage ihr Denken und Handeln leiten läßt, die die Massen im Sinne der Revolution erzieht, die eng mit den Massen verbunden ist und die das Bündnis des Proletariats mit den übrigen Volksmassen herstellt, fehlte 1871 in Paris. An diesem Mangel mußte die Kommune scheitern, auch wenn die äußeren Umstände für sie günstiger gewesen wären.

Auch in der deutschen Revolution 1918/19 führte das Fehlen einer im Kampf gestählten und eng mit den Massen verbundenen marxistischen Kampfpartei zur Niederlage. Die KPD von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht war noch zu jung, um den spontanen Kampf der deutschen Arbeiterklasse siegreich anzuleiten, und auf eine höhere Ebene zu heben.

In Westdeutschland wurde durch den revisionistischen Verrat der KPD/DKP der Neuaufbau einer wahrhaft Kommunistischen Partei zur historischen Notwendigkeit. Aus den Fehlern der Pariser Kommunarden lernen, heißt jetzt für alle Marxisten-Leninisten in Westdeutschland: Sich auf die kommenden Klassenschlachten vorbereiten, verstärkt das Kampfinstrument der westdeutschen Arbeiterklasse schaffen. (…).


Resolution der Kommunarden

In Erwägung unsrer Schwäche machtet
Ihr Gesetze, die uns knechten solln.
Die Gesetze seien künftig nicht beachtet
In Erwägung, daß wir nicht mehr Knecht sein wolln.

In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod.

In Erwägung, daß wir hungrig bleiben
Wenn wir dulden, daß ihr uns bestehlt
Wollen wir mal feststelln, daß nur Fensterscheiben
Uns vom guten Brote trennen, das uns fehlt.

In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod.

In Erwägung, daß da Häuser stehen
Während ihr uns ohne Bleibe laßt
Haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen
Weil es uns in unsern Löchern nicht mehr paßt.

In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod.

In Erwägung: es gibt zuviel Kohlen
Während es uns ohne Kohlen friert
Haben wir beschlossen, sie uns jetzt zu holen
In Erwägung, daß es uns dann warm sein wird.

In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod.

In Erwägung: es will euch nicht glücken
Uns zu schaffen einen guten Lohn
Übernehmen wir jetzt selber die Fabriken
In Erwägung: ohne euch reicht’s für uns schon.

In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod.

In Erwägung, daß wir der Regierung
Was sie immer auch verspricht, nicht traun
Haben wir beschlossen, unter eigner Führung
Uns nunmehr ein gutes Leben aufzubaun.

In Erwägung: ihr hört auf Kanonen –
Andre Sprache könnt ihr nicht verstehn –
Müssen wir dann eben, ja, das wird sich lohnen
Die Kanonen auf euch drehn!

aus: Bert Brecht, Tage der Commune)

 

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Anhang der Redaktion:

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Hallo liebe Leute,……………………………………..Berlin, 15. März 2021
Wir freuen uns Euch mitteilen zu können, dass unsere Wanderausstellung zur Pariser Kommune jetzt schon einmal online zu sehen ist. (klickt aufs Bild)

Wann und wo man die Ausstellung physisch sehen kann, können wir im Moment noch nicht genau sagen. Wie sich im Augenblick abzeichnet, gehen wir vorsichtig davon aus, zwei bis drei Veranstaltungen – unter coronakonformen Veranstaltungsbedingungen – im April und Mai anbieten zu können. Darüber werden wir Euch auf unserer Website aktuell und gegebenenfalls kurzfristig informieren. Wir freuen uns aber auch jetzt bereits über inhaltlichen feedback.
Die Ausstellungstafeln können auch coronabedingt über den eigentlichen Kernzeitraum (18.03.-28.05.2021) hinaus im Jahr 2021 angefragt werden. Die Kontaktdaten stehen auf der Website.
Solidarische Grüße
Georg für den AK Pariser Kommune
(eM
ail: pariserkommune@riseup.net) und (geogedan05@gmail.com) (Twitter: @150Jahre)
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Pariser Kommune: Der revolutionäre Geist des 18. März

Am 18. März 1871 brach in Paris eine Revolution aus, die den weiteren Verlauf der Arbeiter- und kommunistischen Bewegung entscheidend beeinflussen sollte. Zum ersten Mal in der Geschichte ergriff das Proletariat die Macht. Die Erfahrung dauerte nur 72 Tage, vom 18. März bis zum 28. Mai 1871, aber die Lehren, die Marx daraus in seinem Werk „Der Bürgerkrieg in Frankreich“ zog, genau wie die, die Lenin in seinem Buch „Staat und Revolution“ zusammenfasste, sind Teil der Grundprinzipien des Kommunismus.

Zahlreiche Veranstaltungen (Ausstellungen, Konferenzen, Plakatierungen…) sind in Paris von Bürgermeisterin Anne Hidalgo und ihrer PS-PCF-EELV-Mehrheit geplant, um die Commune zu „feiern“, von der sie nur das in Betracht ziehen, was ihrem Wahlkalkül und ihren reformistischen Illusionen von mehr Demokratie im Rahmen des System dient. Aber die Pariser Commune war nicht nur ein „einzigartiges Experiment in sozialer und politischer Demokratie„, dessen gewalttätige Aspekte wir beklagen sollten, wie Laurence Patrice, PCF-Abgeordneter für die Stadt Paris, vorschlägt. Es war eine Revolution, in der das Proletariat „seine unabweisliche Pflicht und sein absolutes Recht“ erkannte, „sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und seinen Triumph durch die Ergreifung der Macht zu sichern“ (Manifest vom 18. März). Und genau das ist es, was uns interessiert. Die Kommune zu „feiern“ bedeutet für uns, an all das anzuknüpfen, was sie die Arbeiterbewegung über den Klassenkampf, über den bürgerlichen Staat und über die Bedingungen für eine radikale Veränderung der bestehenden Ordnung gelehrt hat. Denn das ist es, was heute auf der Tagesordnung steht, in einer Zeit, in der das kapitalistisch-imperialistische System in einer tiefen Krise versinkt, deren ganze Last es auf die Schultern der Arbeiterklasse und der Völker zu legen versucht.

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Für unsere Partei ist der 18. März auch der Jahrestag des Gründungsparteitags der PCOF (18. März 1979), dem wir den Namen „Parteitag der Pariser Kommune“ gegeben haben. Die Wahl dieses Datums und dieses Namens bezeichnete unseren Willen, eine kommunistische Partei zu schaffen, die für den Sturz der bürgerlichen Ordnung durch und für die Arbeiterklasse und die Volksmassen kämpft.

Es ist dieser Geist, der uns auch heute noch in unserer Tätigkeit beseelt, das Bewusstsein für die Notwendigkeit und Möglichkeit eines revolutionären Bruchs mit dem imperialistisch- kapitalistischen System zu wecken. Unter diesem Blickwinkel und um diesen revolutionären Geist zu nähren, wollen wir den 150. Jahrestag der Pariser Commune feiern.

Wer waren die Kommunarden? Was genau war die Pariser Commune? Was waren ihre Errungenschaften, ihre Auswirkungen, ihre historischen Folgen? Welche Lehren folgen aus ihr für heute? Diese Fragen soll die Artikelserie rund um den 150. Jahrestag der Pariser Commune beantworten, die wir für unsere Ausgaben im März, April und Mai 2021 geplant haben. Nicht in erschöpfender Weise, auch nicht mit dem distanzierten Blick eines Historikers, sondern mit dem Ziel, das Nachdenken und Handeln all derer zu bereichern, die sich den Angriffen des Kapitals Stück für Stück widersetzen und auf einen revolutionären Bruch mit dem System hinarbeiten wollen.


.Woher kam die Pariser Commune und was tat sie?

Das Zweite Kaiserreich, das aus Louis Bonapartes Staatsstreich am 2. Dezember 1851 hervorging, hatte den Aufstieg des Kapitalismus und den wirtschaftlichen Aufstieg der Bourgeoisie ermöglicht – und gleichzeitig die Arbeiterklasse unter ein strenges Joch gestellt. Napoleons überstürzter Kriegseintritt mit Deutschland war der endgültige Schlag. Am 2. September 1870 wurde die französische Armee bei Sedan besiegt. Am 4. September verkündete Léon Gambetta trotz des Widerstands der Abgeordneten des „Corps législatif“ (ein Rumpfparlament) unter dem Druck der wütenden Pariser die Absetzung des Kaisers und wenige Stunden später wurde die Republik ausgerufen. Es wurde eine Regierung der Nationalen Verteidigung gebildet, die sich aus Bürgerlichen zusammensetzte (die Pariser Abgeordneten des Wahlgremiums). Gleichzeitig traten alle Pariser, die in der Lage waren, Waffen zu tragen, der Nationalgarde bei. Am 28. Januar 1871 musste das belagerte und hungernde Paris kapitulieren, aber die Nationalgarde konnte ihre Kanonen behalten und die bewaffneten Pariser Arbeiter sorgten dafür, dass kein Soldat der preußischen Armee Paris betrat. Die Bourgeoisie verstand, dass „die Herrschaft der besitzenden Klassen – Großgrundbesitzer und Kapitalisten – ständig bedroht sein würde, solange die Pariser Arbeiter in Waffen blieben“. Adolphe Thiers, der in Versailles installierte neue Regierungschef, beschloss, sie zu entwaffnen.

In diesem Auszug aus seiner Einleitung zur 1891 erschienenen Ausgabe von „Der Bürgerkrieg in Frankreich“ gibt Engels sehr konkrete Angaben zum Ablauf der Ereignisse, zur Übertragung der Macht vom Zentralkomitee der Nationalgarde auf die Commune, zu ihren wichtigsten Entscheidungen, zu ihrer Zusammensetzung, zu ihrem klassenmäßigen und internationalistischen Charakter…:

Karl Marx

„Am 18. März sandte er [Thiers] Linientruppen mit dem Befehl, die der Nationalgarde gehörige, während der Belagerung von Paris angefertigte und durch öffentliche Subskription bezahlte Artillerie zu rauben. Der Versuch schlug fehl, Paris rüstete sich wie ein Mann zur Gegenwehr, und der Krieg zwischen Paris und der in Versailles sitzenden französischen Regierung war erklärt. Am 26. März wurde die Pariser Kommune erwählt und am 28. proklamiert. Das Zentralkomitee der Nationalgarde, das bisher die Regierung geführt, dankte in ihre Hände ab, nachdem es noch zuvor die Abschaffung der skandalösen Pariser „Sittenpolizei“ dekretiert hatte. Am 30. schaffte die Kommune die Konskription und die stehende Armee ab und erklärte die Nationalgarde, zu der alle waffenfähigen Bürger gehören sollten, für die einzige bewaffnete Macht; sie erließ alle Wohnungsmietsbeträge vom Oktober 1870 bis zum April, unter Anrechnung der bereits bezahlten Beträge auf künftige Mietszeit, und stellte alle Verkäufe von Pfändern im städtischen Leihhaus ein. Am selben Tage wurden die in die Kommune gewählten Ausländer in ihrem Amt bestätigt, da die „Fahne der Kommune die der Weltrepublik ist“. – Am 1 .April beschlossen, das höchste Gehalt eines bei der Kommune Angestellten, also auch ihrer Mitglieder selbst, dürfe 6.000 Franken (4.800 Mark) nicht übersteigen. Am folgenden Tage wurde die Trennung der Kirche vom Staat und die Abschaffung aller staatlichen Zahlungen für religiöse Zwecke sowie die Umwandlung aller geistlichen Güter in Nationaleigentum dekretiert; infolge davon wurde am 8. April die Verbannung aller religiösen Symbole, Bilder, Dogmen, Gebete, kurz, „alles dessen, was in den Bereich des Gewissens jedes einzelnen gehört“, aus den Schulen befohlen und allmählich durchgeführt. – Am 5. wurde, gegenüber der täglich erneuerten Erschießung von gefangnen Kommunekämpfern durch die Versailler Truppen, ein Dekret wegen Verhaftung von Geiseln erlassen, aber nie durchgeführt. – Am 6. wurde die Guillotine durch das 137. Bataillon der Nationalgarde herausgeholt und unter lautem Volksjubel öffentlich verbrannt. – Am 12. beschloß die Kommune, die nach dem Krieg von 1809 von Napoleon aus eroberten Kanonen gegoßne Siegessäule des Vendôme-Platzes als Sinnbild des Chauvinismus und der Völkerverhetzung umzustürzen. Dies wurde am 16. Mai ausgeführt. – Am 16. April ordnete die Kommune eine statistische Aufstellung der von den Fabrikanten stillgesetzten Fabriken an und die Ausarbeitung von Plänen für den Betrieb dieser Fabriken durch die in Kooperativgenossenschaften zu vereinigenden, bisher darin beschäftigten Arbeiter, sowie für eine Organisation dieser Genossenschaften zu einem großen Verband. – Am 20. schaffte sie die Nachtarbeit der Bäcker ab wie auch den seit dem zweiten Kaiserreich durch polizeilich ernannte Subjekte – Arbeiterausbeuter ersten Rangs – als Monopol betriebnen Arbeitsnachweis; dieser wurde den Mairien der zwanzig Pariser Arrondissements überwiesen. – Am 30. April befahl sie die Aufhebung der Pfandhäuser, welche eine Privatexploitation der Arbeiter seien und im Widerspruch ständen mit dem Recht der Arbeiter auf ihre Arbeitsinstrumente und auf Kredit. – Am 5. Mai beschloß sie die Schleifung der als Sühne für die Hinrichtung Ludwigs XVI. errichteten Bußkapelle.

So trat seit dem 18. März der bisher durch den Kampf gegen die fremde Invasion in den Hintergrund gedrängte Klassencharakter der Pariser Bewegung scharf und rein hervor. Wie in der Kommune fast nur Arbeiter oder anerkannte Arbeitervertreter saßen, so trugen auch ihre Beschlüsse einen entschieden proletarischen Charakter. Entweder dekretierten sie Reformen, die die republikanische Bourgeoisie nur aus Feigheit unterlassen hatte, die aber für die freie Aktion der Arbeiterklasse eine notwendige Grundlage bildeten, wie die Durchführung des Satzes, daß dem Staat gegenüber die Religion bloße Privatsache sei; oder sie erließ Beschlüsse direkt im Interesse der Arbeiterklasse und teilweise tief einschneidend in die alte Gesellschaftsordnung. Alles das konnte aber, in einer belagerten Stadt, höchstens einen Anfang von Verwirklichung erhalten. Und von Anfang Mai an nahm der Kampf gegen die immer zahlreicher versammelten Heeresmassen der Versailler Regierung alle Kräfte in Anspruch.“*
………………………………………………………..[Einleitung zu „Der Bürgerkrieg in Frankreich“ von Karl Marx]

(Übersetzung: Siegfried Node, Erstveröffentlichung am 15. März 2021 auf »Arbeit Zukunft« – Bilder und Bildunterschriften wurden von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.)
Aus „La Forge“ 03/2021, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs, PCOF


Was ist die Kommune?
hört die Antwort der Schmetterlinge
Ein Volk, das nun das Sagen hat,
Eine neue Qualität von Staat,
Das ist die Kommune!Zum erstenmal zu dieser Zeit
Herrscht das Volk in Wirklichkeit.
Was ist die Kommune?Lehrer, Richter, Kommandant,
Vom Volk gewählt, vom Volk ernannt,
Vom Volk auch wieder abgewählt,
Wer das Versprechen ihm nicht hält.Den Arbeitern gehört die Fabrik
Und was sie herstellt, Stück für Stück,
Ihren Bewohnern, das rufen wir aus,
Gehört die Stadt, und jedes Haus.Und daß im ganzen Sitzungssaal
Kein Advokat, kein General,
Kein Fabrikant, kein Journalist,
Kein Mitglied der herrschenden Klasse ist.
An ihrer Stelle beraten hier
Ein Schneider, ein Bäcker, ein Grenadier,
Buchbinder, Schuster und Koch.

Sie kennen sich nicht und wissen doch,
Was sie wollen, und wofür, und für wen.
Auch das ist die Kommune!

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6 Kommentare

  1. „Wahlen oder Revolution, das is hier die Frage.“
    Nee, ist sie nicht!
    Die Vergangenheit hat und die Gegenwart zeigt, dass Systemveränderungen durch Wahlen oder „ein friedliches Hinüberwachsen“ in eine bessere Gesellschaft, Illusionen sind. Ohne Gewalt, die von den Machthabern ausgeben wird, werden die Herrschenden die Macht nicht aus den Händen geben.
    Also ist die Frage unnütz, da die Antwort immer heißt – Revolution und zwar im Kontext: Barbarei oder Revolution.

  2. Und solche geschichtlich wichtigen Ereignisse werden von den (in)Qualifizierten Medien schön flach gehalten. Könnte ja sein dass dann irgendwer unser sowieso zweifelhaftes System noch beschissener findet.

  3. Gestern auf ARTE ein ziemlich guter Beitrag in Cartoon-Format mit Fokus auf die Rolle der Frau als Kämpferin… Allerdings fehlten die politischen Schlussfolgerungen, die IHR hier zieht.

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