Buchtipp von Harry Popow – 19. November 2020
„Tamtam und Tabu. Die Einheit: Drei Jahrzehnte ohne Bewährung.“ – Daniela Dahn und Rainer Mausfeld
Der Leser möge es dem Rezensenten nachsehen: Nach dem gründlichen Lesen dieser außerordentlich tiefgründigen Analyse in dieser gesellschaftskritischen Lektüre kann er nicht anders, als mit hoher Anerkennung den Hut zu ziehen. Aus dieser – soviel sei vorneweg gesagt – spricht soviel unendliche mühevolle Liebe: Zu den Menschen, zur Natur, zum Planeten Erde. Und, das muss gesagt werden: Kämpferischer Geist und Tatkraft, um Goethes Faust die beiden Autoren schier beneidet hätte. Während sich Dr. Faust vom Teufel dazu verführen lässt, seine hohen Ideale zugunsten einer billigen, aber menschlich zu verstehenden Ablenkung sausen lässt und schließlich zugrunde geht, versuchen heute – im Jahre 2020 – ,ein ganzes Packt von Teufeln die Menschheit zu ruinieren. Und: Es hat unendlich mehr technische Möglichkeiten, als nur die Verführung durch „Wein, Weib und Gesang“, um jegliche Lust an Erkenntnis über Mensch und Welt im Keime zu ersticken. Was tun?
Die beiden Autoren legen den Finger auf die wichtigste Wunde: Wie befreie ich mich vom Druck der Abwesenheit von Geist? Wie gewinne ich Einsicht und Macht, dem Pakt mit dem Teufel Garaus zu machen? Zur Freude der wissbegierigen Leser bleiben die renommierte Essayistin und Mitbegründerin des „Demokratischen Aufbruchs“ in der DDR Daniela Dahn und der Kognitionsforscher Rainer Mausfeld nicht bei der Interpretation des Kapitalismus stehen, wie Friedrich Engels in seiner 11. Feuerbachthese mit Blick auf bisherige Bemühungen von Philosophen angemahnt hatte. Nein, sie weiten ihren Blick bei der Aneignung des Volksvermögens der DDR und ihres Anschlusses an die BRD 1989 weit aus und ergründen tiefsinnig die Ursachen. Sie widerlegen polemisch und faktenreich die Ansicht von Geschichtsverdrehern, es sei keine Rede mehr vom Kapitalismus, er sei längst überwunden, (Schäuble: „Wir haben doch die soziale Marktwirtschaft“). Und überhaupt, den Klassenkampf gebe es nicht mehr. Sie fahren den heutigen ideologischen Verdrehungen der Kapitaleliten faktenreich und zielsicher in die Parade. Sie helfen möglicherweise den noch neugierigen Lesern, im Nebel der Verdrängungen und Manipulationen und forcierten Ängste in der Corona-Pandemie wieder Boden unter den Füssen zu bekommen.
Das Buch besteht aus fünf Abschnitten. Zunächst lesen wir eine hochinteressante und sehr mühevoll recherchierte „Presseschau“ von Daniela Dahn zur Zeit der Rückwärtswende in der DDR. Sodann beleuchtet sie in „Die Währungsunion war die organisierte Verantwortungslosigkeit“ die brutale geistige Knechtung der Ostler und deren überfallartige Vereinnahmung. Professor Dr. Rainer Mausfeld beleuchtet in „Wende wohin?“ die Realität hinter der Rhetorik. „Was bedeutet die Forderung nach einem Systemwechsel?“ So Daniela Dahn im nachfolgenden Beitrag. Schließlich diskutieren beide Autoren in sechs Gesprächen über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse.
Festzuhalten ist: Bei allen Texten spürt man das akribische Können der Autoren, das Geschehen ins Auge zu fassen als auch das Eindringen in die Tiefe, in die jeweiligen Ursachen, jene Vorgehensweise, wie sie leider weder in den „Qualitätsmedien“ noch bei Reden von Politikern zu verzeichnen ist. Sie halten sich nicht nur am Feststellen von Widersprüchen auf, sondern bieten auch Nachdenkenswertes für mögliche Alternativen, für mögliche Lösungen.
Bereits in der Einstimmung verweisen die Autoren auf die verspielten Chancen des Jahres 1990, „sowohl für eine internationale Friedensordnung wie auch für eine erneuerte Demokratie“, Chancen, die „aus geopolitischen Interessen und denen der Kapitaleigner gezielt blockiert und somit verspielt wurden“. Alternativen seien aus dem „öffentlichen Denkraum“ verdammt worden. Die Bewältigung der damit verbundenen Probleme – bedingt auch durch die Corona-Krise – werden „durch das Arsenal hochentwickelter Techniken des Meinungs- und Affektmanagements“ massiv erschwert. Der Beitrag von Rainer Mausfeld „richte aus abstrakterer Perspektive einen kritischen Blick auf die illusionserzeugende Kraft der westlichen Ideologie und damit auf das versprochene Paradies einer kapitalistischen Demokratie“. Dazu gehöre die Spaltung und Zersetzung der Gesellschaft. Er fragt, „wie sich die Idee einer radikalen Demokratisierung wieder gesellschaftlich wirksam machen lässt“.
Vorwegnehmen möchte der Rezensent folgendes Zitat von Professor Dr. Rainer Mausfeld auf Seite 191 dieses Buches: „Nur um einem verbreiteten Missverständnis vorzubeugen: Lohnarbeit Geld und Märkte gab es , von archaischen Gesellschaften abgesehen, wohl zu allen Zeiten, doch sie allein machen noch keinen Kapitalismus. Kapitalismus bedeutet die Herrschaft des Kapitals. Und diese hat einen identifizierbaren Anfang vor etwa 500 Jahren. Und sie hat in unterschiedlichen historischen Perioden und an unterschiedlichen Orten ganz unterschiedliche Formen angenommen. Eine solche Herrschaft des Kapitals ist dadurch gekennzeichnet, dass sie über den Bereich des Wirtschaftslebens hinaus die gesamte Gesellschaft zu durchdringen und den gesamten gesellschaftlichen Reichtum als Waren zu behandeln sucht.“
Daraus ergebe sich die Frage, so lesen wir auf den Seiten 117/118, warum „wir so blind sind für die zerstörerischen Folgen der kapitalistischen Weltordnung? Das Erfolgsrezept des Kapitalismus ist seit jeher, dass er uns zu einem Teufelspakt verführen will, er verspricht uns immerwährenden Fortschritt und eine kontinuierliche Verbesserung unserer Lebensstandards und sorgt zugleich dafür, dass wir unfähig sind, den dafür zu entrichtenden Preis überhaupt erkennen zu können.“
Rainer Mausfeld zieht daraus den Schluss, die „Plünderung von Ressourcen und die Zerstörung unserer sozialen und ökologischen Lebensgrundlagen ist also kein vermeidbares Nebenprodukt des Kapitalismus, sondern gerade Kern seiner Funktionslogik“. Ins Verderben müsse es zwangsläufig führen, wenn die Menschen zwar nur paar störende Dinge ändern „und ansonsten im Großen und Ganzen so weitermachen wie bisher“. Die Probleme im Dialog mit den Zentren der Macht zu bewältigen muss als Illusion angesehen werden.
In die gleiche Kerbe haut Daniela Dahn, wenn sie auf Seite 122 jegliche Rufe und Debatten nach einem Systemwechsel, siehe Arabischer Frühling, Weltsozialforum, Gelbwesten oder auch den über vierzig Jahre agierenden „Club of Rome“, für erstaunlich hält und begrüßt, aber gleichzeitig ohne Vorwurf feststellt, „über Debatten und symbolische Akte“ kaum hinausgekommen zu sein. „Wussten sie genau genug, was sie wollten?“ Warum also keine Veränderungen? Ihre Erkenntnis: „Weil im Kapitalismus Profit mehr geschützt wird als das Leben. Der Corona-Lockdown hat diese Gewissheit erstmalig durcheinandergebracht, aber wie er ausgeht, wird sich erst noch zeigen.“ Daniela Dahn gibt die Ansicht eines einstigen Bundesverfassungsrichters wieder: Das einzige Ziel sei „unbegrenztes Wachstum und Bereicherung. Das Gebrechen des Kapitalismus sei nicht in seinen Auswüchsen zu sehen, sondern in seiner Leitidee und deren symbolischer Kraft“. Die Krankheit könne nicht mit „Heilmitteln am Rand“ beseitigt werden.
Daniela Dahn: Volkslektüre, eine Presseschau
Es ist eine sehr breit angelegte Presseschau in Zeiten der Konterrevolution, die Daniela Dahn mühevoll zusammengestellt hat. Ob Zeitungen, Verlage, Politiker, Bürgerrechtler, unzählige Wortmeldungen gibt es zu einem Für oder Wider einer zu schnellen Wiedervereinigung zwischen der BRD und der DDR. Haben die Leser bislang oft nur von Befürwortern gehört oder gelesen, so kommen nun auch Vernünftige mit ihren Stimmen ans Tageslicht, die oft genug einfach überhört wurden und die Leser und Hörer nie erreichten.
So fordern 36 DDR-Bürgerrechtler in ihrem Aufruf „Für unser Land“ den Erhalt der DDR als „sozialistische Alternative zur Bundesrepublik. Zu den Initiatoren gehören Christa Wolf und Stefan Heym, unterstützt aus dem Westen von Günter Grass und Max Frisch. Egon Bahr spricht sich in „Neue Zeit“ für ein ganz neues europäisches Sicherheitssystem aus, „welches die Militärbündnisse überflüssig mache“. Gregor Gysi ist für die Dominanz des Volkseigentums, das müsse erhalten bleiben. Christa Luft spricht am Runden Tisch über die Nachteile der Währungsunion. Walter Momper ist für die Demokratisierung der DDR, für deren Eigenstaatlichkeit. Die Berliner Zeitung berichtet, 43 Prozent der Ostdeutschen seien gegen die schnelle Wiedervereinigung, 38% aber dafür.
Daniela Dahn stellt sich die Frage, wie es möglich war, vierzig Jahre gewachsenes Selbstbewusstsein einer Bevölkerung in einem Vierteljahr auf den Kopf zu stellen? Im November 1989 sprachen sich 86 Prozent der DDR-Bürger für den „Weg eines besseren, reformierten Sozialismus aus, nur fünf Prozent für einen „kapitalistischen Weg“ (erhoben vom Leipziger Institut für Jugend- und Marktforschung). (S. 14) „Bei der Volkskammerwahl im März 1990 wählten ebenso viele den Weg einer Einheit im Kapitalismus.“ (Nähere Angaben über Wahlkampfergebnisse im Buch.)
Die zahlreichen von Fakten unterstützten Manipulierungen seitens des westdeutschen Großkapitals seien hier als Stichworte angeführt: Denunziationen, Lügen, BILD-Werbungen für Arbeitsplätze in der BRD, aggressive Aneignungsstrategie des Volkseigentums der DDR, BILD: DDR am Tropf, die Lüge von einer neuen deutschen Verfassung. Kohl: Blühendes Gemeinwesen, Angstkampagnen, Slogan der CDU,DSU und DA: „Nie wieder Sozialismus“, Spiegel-Spott: „Auferstanden aus Ruinen und dem Wohlstand zugewandt, wollen wir jetzt was verdienen, halten auf die ausgestreckte Hand“. „Das war reinster psychischer Terror nach Goebbels-Manier“, schimpfte Egon Bahr über Kohls Wahlkampf.
Diese Presseschau bringt das offizielle Bild über die Wende ins Wanken. Die tieferen Ursachen für die aggressive Inbesitznahme eines ganzen Landes, was in dieser Form und in diesem Ausmaß einmalig sei in der Geschichte, findet der wissbegierige Leser in den folgenden Beiträgen.
Daniela Dahn: Währungsunion – organisierte Verantwortungslosigkeit
Ab Seite 90 geht es um die Privatisierung, so um das Treuhandgesetz, „das die angeschlagene DDR-Wirtschaft zum Privatisieren und Verschrotten freigab“, auch über den tausendseitigen Einigungsvertrag vom 31. August 1990, siehe u.a. die im Anhang versteckte Formel „Rückgabe vor Entschädigung“. Kein Wunder, denn in der Sozialisierung in der DDR „sahen die Kapitaleigner immer das eigentliche DDR-Unrecht“. „Das Volkseigentum galt als gestohlenes Privateigentum“, so Daniele Dahn auf Seite 90. Es ging um die Wiederherstellung alter Besitzverhältnisse. Auf Seite 91: „Die wichtigsten DDR-Verfassungsgrundsätze waren aufzuheben, insbesondere die sozialistische Rechtsordnung, um endlich den Erwerb von Privateigentum an Grund und Boden und Produktionsmitteln zu gewährleisten.“ Eingeführt wurde das Recht zu fristloser Kündigung. Auf Seite 97 erklärt die Autorin: Knapp die Hälfte der Ostdeutschen mache sich Sorgen um den Zusammenhalt der Gesellschaft. „Das reiche Deutschland ist heute ein Land, das neue Armut duldet, eine Unterschicht durch Hartz IV treibt, Randgruppen ausgrenzt, Asylanten kurz hält, in dem Gesundheit kostet und Bildungschancen erblich sind.“ Letztendlich, so die Autorin, wo Marktoptimierung herrschen und zunehmende Obdachlosigkeit und rechte Gedankenwut, da gedeihen Gewalt. Eine Umfrage unter Ostdeutschen am 2. Oktober 2019 ergab, dass 74 Prozent der Befragten sich „heute nicht wohler fühlten als zu DDR-Zeiten! 59 Prozent der Jugendlichen und 78 Prozent der über Sechzigjährigen stimmen der Aussage zu, dass bei politischen Entscheidungen in Deutschland unzureichend auf die Meinung der Menschen in Ostdeutschland Rücksicht genommen wird.“
Rainer Mausfeld: Wende wohin? Die Realität hinter der Rhetorik
Festzustellen sei: Gestiegen sei nach den Kriterien des westlichen Vorbilds der Lebensstandard einer Mehrheit der Menschen in Ostdeutschland – aber auch das Ausmaß sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Spaltung. Der Hauptverlierer sei der real existierende Sozialismus. Er habe „in der jahrzehntelangen Systemkonkurrenz mit dem US-geführten Kapitalismus und ihren brutalen ökonomischen und militärischen Spielregeln nicht vermocht, eine Lebensrealität anzubieten, die die Bevölkerung über diesen Verrat hätte hinwegtäuschen oder sie dafür hätte entschädigen können.“ Der Autor mahnt an, bei der Suche nach den Verlierern von 1989 „noch tiefer unter die Oberfläche“ zu dringen, schließlich gehe es um den Verlust an mühsam errungener zivilisatorischer Substanz, die Leitidee von Demokratie. Das sei nicht überraschend, denn es gehöre „zum Wesensmerkmal einer kapitalistischen Demokratie, dass sie keine ist. Der Widerspruch sei so offenkundig, „dass er sich nur mit ausgefeilten Techniken der Indoktrination unsichtbar und undenkbar machen lässt.“ Der Kapitalismus sei darauf angewiesen, die Minderheit der Besitzenden strikt vor den Veränderungswünschen der Mehrheit zu schützen. Professor Mausfeld warnt vor dem Trugbild, „in einer Gesellschaft zu leben, die frei von Propaganda“ sei. Er verweist auf Sinnentleerungen von Wörtern, von angeblichen Reformen, von dem viel missbrauchten Wort „Freiheit“. (S. 107) Dieses Wort bedeute im Neoliberalismus vor allem, die Freiheit der ökonomisch Mächtigen, „für den Rest der Bevölkerung besteht die Freiheit darin, sich als Konsument und als flexibel fremdverwertbares Humankapital den Bedingungen des ´freien Marktes` zu unterwerfen“.
Die Macht charakterisierend, schreibt der Autor u.a. von Angsterzeugung, von Überwachungs- und Sicherheitssystemen, was sich weitgehend der Kontrolle des Staates entzieht, von Kriegen als Mittel der Politik, auf die der Kapitalismus „angewiesen“ ist. Rechtspopulismus sei eine Folge der vergangenen Jahrzehnte neoliberaler Politik, „der Ideologie der Alternativlosigkeit sowie der damit verbundenen Entleerung des politischen Raumes und der Zerstörung kollektiver Identitäten“. (S. 115)
Prof. Dr. Mausfeld untersucht die Mechanismen und die Technik der Manipulation vor allem aus psychologischer Sicht. „… was sich dazu sagen lässt, ist leider weniger erbaulich“. Der Westen verfüge über ein einzigartiges Arsenal höchst raffinierter psychologischer Manipulationsmethoden. Das werde seit mehr als hundert Jahren mit großen Forschungsanstrengungen verfeinert. In diesen psychologischen Techniken einer Bevölkerungskontrolle habe der Westen gegenüber dem Osten einen kaum vorstellbaren Forschungsvorsprung. Kapitalistische Demokratien seien, wie man schon früh erkannte, wegen der freien Wahlen darauf angewiesen, bei den Wählern den Eindruck völliger Freiheit aufrechtzuerhalten und zugleich sicherzustellen, dass diese so wählen, wie sie wählen sollen. Das sei machtechnologisch nur mit höchstem Aufwand zu bewältigen.
Aktuell fügt der Autor hinzu: „Die Corona-Krise ist ja tatsächlich eine Multi-Krise. In ihr kreuzen und verbinden sich sehr unterschiedliche Krisen, die bereits länger erwartet wurden. Dazu gehört auch eine Systemkrise des globalisierten Finanzkapitalismus, die sich auf diese Weise fast unsichtbar gemacht hat und damit ihre Kosten wieder kurzerhand auf die Gemeinschaft umlegen kann. Covid-19 bringt lediglich wie ein Katalysator sehr grundlegende Probleme der gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zum Vorschein.“
Daniela Dahn: Systemwechsel?
Zur machbaren gesellschaftlichen Veränderung gehören gedanklicher Vorlauf, gehören wissenschaftliche Aussagen, Untersuchungen, Schlussfolgerungen aus der Vergangenheit und Pläne. Daniela Dahn widerspricht zu Recht Unduldsamen die da sagen, „wir Älteren hätten keinen Plan“. Es gäbe zu fast allem durchdachte Pläne. Zur „Gemeinwohlwirtschaft, zum Klimaschutz, zur Umverteilung von Reichtum, zu einem anderen Geldsystem, zu neuen Formen der Demokratie und Arbeit im digitalen Zeitalter, zu einer sozialen Bildungsoffensive und vielem mehr“. Auch haben Juristen aus Ost und West im Auftrag des Runden Tisches 1989/90 einen Verfassungsentwurf unter dem Motto „Revolutionäre Erneuerung“ vorgelegt, aber kein Parlament habe diesen Entwurf auch nur behandelt. (S. 124) Was geschieht mit Kritikern, die die Strukturen in Frage stellen? Sie werden ausgegrenzt, bedroht, polizeilich verfolgt, bestochen oder durch PR-Strategien angreifbar gemacht.
Der Autorin Vision: „Eine Gesellschaft, in der Gemeineigentum dominant ist, wäre die einzige, die gemeinschaftlich erwirtschaftete Überschüsse aus freiem, die demokratisch ermitteltem Willen in einen Topf werfen kann, aus dem ein Luxus anderer Art erwirtschaftet wird: heilig nicht das Geld, sondern Gesundheit von Mensch und Tier in unbeschadeter Natur. Ein solcher partizipativer Sozialismus, oder wie immer man das neue System nennen mag, käme einer Ordnung nahe, die die Leitidee des Kapitalismus tatsächlich umkehrt.“ (S. 129) Ins Visier nimmt die Autorin das bestehende Rechtssystem, die Dominanz der NATO, das Militär der USA, dem größten „Umweltverschmutzer der Welt“, die Kluft zwischen Arm und Reich in Europa, die machtlos gewordene UNO. Es gehe darum, „die Verheißungen eines Systemwechsels, aber auch die Widerstände dagegen bewusster zu machen“, um uns ein erneutes Scheitern zu ersparen. „Denn dann wird die Erde versinken und verbrennen.
Daniela Dahn und Rainer Mausfeld: Eine einmalige Gelegenheit – Gespräch
Um Klarheit bei Begriffen wie Demokratie und Freiheit geht es in den interessanten Gesprächen zwischen den beiden Autoren. Hervorzuheben sind u.a. folgende Themen: Das Arsenal raffinierter psychologischer Manipulationsmethoden, Sicherung der Kapitalherrschaft nur dadurch, wenn man sie unsichtbar macht. Die Rolle der Werbeindustrie. Die angebliche Alternativlosigkeit des Westens, die Ursachen der vermutlich überhöhten Phantasien und Idealisierungen über kapitalistische Lebensformen, Versprechungen, Geist und Realität, Neugierde, Wahrheit, die Rolle der Wissenschaft. So u.a. der unsichtbare Mechanismus, „Wissenschaftler mit politisch unerwünschten Ansichten herauszufiltern“. Spaltungsstrategien, „mit denen die Zentren der Macht seit jeher versuchen, emanzipatorische Bewegungen zu zersetzen und dadurch politisch zu neutralisieren“. Diese Spaltungsstrategien seien so erfolgreich, „dass sich soziale Bewegungen immer aggressiver gegenseitig bekämpfen“. (S. 167) „Macht und damit politische Verantwortlichkeiten sind im Nebel von `Kulturen` verschwunden, seien es z.B. die Kultur des Narzissmus, der Selbstverwirklichung, der Emotionskultur, der Risikogesellschaften, der Gesellschaften des Zorns. „Nur eben keine Gesellschaft, die durch ökonomische Machtverhältnisse geprägt ist“. (S. 169)
Lust am Erkennen
Wer als Leser noch genügend Mut und Kraft und Neugier sein Eigen nennen darf, ohne angstvoll auf die politischen Marionetten der Macht zu schauen, dem wird dieses aufrüttelnde Buch der beiden Autoren wie ein geistiges Geschenk unter vielen anderen gesellschaftskritischen Sachbüchern entgegenkommen, zum weiteren Nachdenken anregen und Anlass geben, eigenes Handeln zu hinterfragen. Daniela Dahn und Professor Dr. Rainer Mausfeld haben sich auch mit dieser außerordentlichen Polemik in den Kampf um die Veränderung unserer Lebensverhältnisse geworfen. Ihnen Dank zu sagen kann nicht ohne eigenes ehrliches Zutun ernst genommen werden. Möge diese Arbeit mithelfen, den Teufelspakt der Eliten gegen die Völker weiter in Bedrängnis zu bringen – wenn möglich – seinem Wirken gegen Frieden und Menschlichkeit Einhalt zu gebieten.
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„Tamtam und Tabu. Die Einheit: Drei Jahrzehnte ohne Bewährung. Westend-Verlag, Erscheinungsdatum: 21.09.2020; Umfang: 224 Seiten; ISBN 978-3-86489-313-1; Sprache: Deutsch; Ladenpreis: EUR (D) 18,00, Bestellung beim Verlag
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Über den Rezensenten: Geboren 1936 in Berlin Tegel, erlebte ich noch die letzten Kriegsjahre und Tage. Ab 1953 war ich Berglehrling im Zwickauer Steinkohlenrevier. In den bewaffneten Kräften (KVP/NVA) diente ich zunächst als Ausbilder und danach 22 Jahre als Reporter und Redakteur in der Wochenzeitung „Volksarmee“. Nach Beendigung der fast 32jährigen Dienstzeit arbeitete ich bis Ende 1991 als Journalist und Berater im Fernsehen der DDR. Von 1996 bis 2005 lebte ich mit meiner Frau in Schweden. Wir kehrten 2005 nach Deutschland zurück. Wir sind seit über 50 Jahren sehr glücklich verheiratet und haben drei Kinder, zwei Enkel und eine Enkelin.
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Ich wünsche mir so sehr, dass der Teufel in der Sackgasse steckt. Den Rückweg würde ich im gerne persönlich versperren, mit einer Kalaschnikow im Arm. Noch kann ich.
Amerikas Klassengesellschaft.
Von Reinhold Schramm
»Ein Protest, eine Revolte oder gar ein Putschversuch? Der Sturm auf das Capitol entzieht sich einfachen Beschreibungen. Mit drastischen Worten haben Amerikanerinnen und Amerikaner auf die chaotischen Szenen im Washingtoner Capitol reagiert. Viele fühlten sich gar an Staatsstreiche in fernen Bananenrepubliken erinnert. Was ist davon zu halten?«
Vgl. Neue Zürcher Zeitung *
Kommentar
Die nordamerikanische Klassengesellschaft spiegelt sich auch in der politischen Repräsentation. Beide Parteien repräsentieren nicht nur in ihrer sozialen und materiellen Zusammensetzung die amerikanische Oberklasse, vor allem Millionäre und Multimillionäre, zu denen ihre führenden männlichen und weiblichen Mitglieder selbst gehören.
Eine ernstzunehmende Vertretung der Mehrheit der US-amerikanischen Bevölkerung, der meist eigentumslosen, aktuellen und vormaligen Migranten Mittel- und Südamerikas, der afroamerikanischen Nachfahren der ausgebeuteten und meist misshandelten Sklaven gibt es nicht. So auch keine soziale Vertretung für die Mehrheit der Arbeiterklasse weißer Hautfarbe.
Auch die progressiv sozial auftretende Minderheit in den Reihen der Demokraten repräsentiert letztlich in ihrer politischen Einbindung nicht die sozial ausgegrenzte Mehrheit der Bevölkerung.
Es bedürfte einer sozialrevolutionären außerparlamentarischen Partei, die auch eine Umwälzung der Eigentums- und Vermögensverhältnisse in den Vereinigten Staaten bewirken könnte. Innerhalb der bestehenden gesellschaftspolitischen Struktur und deren kapitalistischen Gesellschaftsformation ist dies nicht möglich.
* Vgl. Neue Zürcher Zeitung am 08.01.2021: Ein Protest, eine Revolte oder gar ein Putschversuch? Der Sturm auf das Capitol entzieht sich einfachen Beschreibungen.
Gewalt der Trump-Anhänger: Protest, Revolte oder gar ein Putsch? (nzz.ch)
08.01.2021, R.S.
EMMA
bleibt mutig!
Meinung / Kommentar
„Adolf Hitler bejubelt von den Massen.“
„Warum war der Mann in der Weimarer Republik in der Krise?“
Hatte Hitler doch mehr Gefolgsfrauen an seiner Seite, auch außerhalb von Massenorganisationen, als Männer?
Ohne die Mehrheit der Frauen, dabei weniger in den Reihen der 8,5 Millionen Mitglieder der NSDAP, hätte sich das NS-Regime nicht bis zum Kriegsende halten können.
Jede zweite Familie hatte vor 1944/1945 ihr männliches NSDAP-Mitglied, befeuert von Großmüttern, Ehefrauen und Töchtern, ebenso wie von ihren männlichen Familienmitgliedern.
Es waren vor allem Frauen die dem männlichen Staats- und Gewaltapparat den Rücken freihielten und seine Existenz ermöglichten.
Die den männlichen Massenmördern der Wehrmacht, der polizeilichen Einsatzgruppen und Waffen-SS ihr mörderisches und imperialistisches Handwerk für die deutsche Wirtschaft, IG Farben und Krupp, für den deutschen Adel – der überkommenen Feudalherren und Großgrundbesitzer, der Kleinbourgeoisie und Großbourgeoisie, für die aufstrebende Finanz-, Rüstungs- und Monopolbourgeoisie und die Beamtenschaft [bis weit nach 1945–1980 und deren männlichen und weiblichen Erben bis heute] erst ermöglichten.
Der meist freiwillige Einsatz der Frauen in der Produktion – für Vaterland und Führer – ermöglichte erst den (häufig freiwilligen) Einsatz der Männer im imperialistischen und rassistischen Vernichtungskrieg.
Auch die Redakteurinnen der Zeitschrift EMMA sollten sich mit der kapital-faschistischen Bewusstseinslage unter Frauen beschäftigen und auseinandersetzen. *
Mit freundlichem Gruß
Reinhold Schramm
Vgl. MÄNNER-WAHN: ERST DER ANFANG?
Die Bilder des gestürmten Kapitols werden sich in das Gedächtnis der Welt eingraben.
Männer-Wahn: Erst der Anfang? | EMMA
* Vgl. HORROR-SZENARIEN
Wenig ist gefährlicher als der Mann in der Krise.
Horror-Szenarien | EMMA
https://www.emma.de/artikel/der-mann-der-krise-338205
08.01.2021, Reinhold Schramm
Kapitalfaschismus und Imperialismus der USA im 21. Jahrhundert
Von Reinhold Schramm
»Warnung von US-Historikerin»Wir kommen in eine sehr gefährliche Phase«
Mehr Gewalt, mehr Streit: Die amerikanische Historikerin Ruth Ben-Ghiat rechnet nach dem Abgang von Donald Trump als Präsident mit wachsender politischer Instabilität in den USA.«
Vgl. Spiegel-Politik **
Info-Kommentar
[unter SPON-Zensur]
Realpolitik der US-Eliten, heute wie gestern.
Oder: Die USA ein Kapital faschistisches imperialistisches Regime, so auch im 21. Jahrhundert?
Nach altbewährtem Muster werden die wirtschaftlichen und politischen Eliten der USA bei inneren sozialen Konflikten die Welt mit Krisen und Kriegen überziehen. Dabei ist auch der alles vernichtende Einsatz von Atomwaffen nicht ausgeschlossen.
Eine Studie dokumentiert die Kriege und Staatsstreiche der Vereinigten Staaten in 30 asiatischen, afrikanischen, europäischen und lateinamerikanischen Ländern. Daraus geht hervor, dass die US-Streitkräfte direkt für zwischen 10 und 15 Millionen Tote verantwortlich sind, die durch die großen Kriege verursacht wurden – die gegen Korea und Vietnam und die beiden Kriege gegen den Irak. Zwischen 10 und 14 Millionen weitere Tote wurden durch die Stellvertreterkriege der alliierten Streitkräfte verursacht, die von den USA in Afghanistan, Angola, Kongo, Sudan, Guatemala und anderen Ländern ausgebildet und befehligt wurden. *
Der Vietnamkrieg, der sich auf Kambodscha und Laos ausbreitete, verursachte eine Reihe von Todesfällen, die auf 7,8 Millionen geschätzt wurden (plus eine große Zahl von Verwundeten und genetischer Folgeschäden, die Generationen aufgrund des von US-Flugzeugen versprühten Dioxins betreffen). *
»Es ist eine Tatsache, keine Analyse, nicht einmal eine Meinung – die seit 1945 von den Vereinigten Staaten vorangetriebene „freie und offene internationale Ordnung“ hat weltweit 20 bis 30 Millionen Menschen das Leben gekostet. Kein Präsident, welcher auch immer, hat es geschafft, den Rhythmus dieser Tötungsmaschine zu verlangsamen.« (Manlio Dinucci · „Die Kunst des Krieges“ · Voltairenet.org. · 21. November 2018) *
* Vgl. Von 1945 bis heute – 20 bis 30 Millionen Menschen von den USA getötet, von Manlio Dinucci (voltairenet.org) – https://www.voltairenet.org/article204026.html
Sie können die Artikel des Réseau Voltaire frei vervielfältigen unter der Bedingung die Quellen anzuführen, ohne die Artikel zu verändern und ohne diese für kommerzielle Zwecke zu nutzen (Lizenz CC BY-NC-ND).
Quelle: „ Von 1945 bis heute – 20 bis 30 Millionen Menschen von den USA getötet“, von Manlio Dinucci, Übersetzung K. R., Il Manifesto (Italien) , Voltaire Netzwerk, 21. November 2018.
** SPON am 10.01.2021 : US-Historikerin über Donald Trump: »Wir kommen in eine sehr gefährliche Phase« – DER SPIEGEL
10.01.2021, R.S. (Zusammenfassung)
Aspekte der Entfremdung unter deutschen Kommunisten.
Von Reinhold Schramm
»Mit dem Ende der DDR und der Zerschlagung ihres Wissenschaftssystems wurde dafür gesorgt, daß materialistische Positionen in der Geschichtswissenschaft marginalisiert wurden. Das Berliner Arbeitsgericht hielt den von der Humboldt-Universität vorgebrachten Kündigungsgrund für Kurt Pätzold, er vertrete nach wie vor eine marxistische Faschismusauffassung, für so legitim, daß es ihn in seinem Urteil bestätigte.
Pätzolds Wirkungsfelder waren die Universitäten Jena und Berlin und die Geschichtswissenschaft. Letztere versteht er als eine eminent politische Disziplin, in der er in verschiedenen Positionen leitend tätig war. Daher ist seine Schilderung von Interesse, wie ignorant sich die Führung seiner Partei, der SED, die aus der Tradition der Arbeiterbewegung kam und eine berechtigte Portion Mißtrauen gegenüber der Intelligenz mitbrachte, gegenüber dem Sachverstand ihrer eigenen Wissenschaftler verhielt. –
In seinen Memoiren räumt Pätzold ein, die Möglichkeit einer Untergrabung der Grundlagen des staatlichen Sozialismus bis 1989 nicht gesehen oder erwogen zu haben [RS: siehe analog bei Kurt Gossweiler] –
Seine kritischen Reflexionen über die erlebten Verfahrensweisen dieser Partei aber lassen fragen, was er wann und worüber gewußt oder gedacht hat. Die Ratlosigkeit der Führung der nicht mehr führenden Partei korrespondierte mit der Bankrotterklärung einer Intelligenz, die seit Jahrzehnten entwöhnt worden war, politisch gefragt zu werden.« [Ein Auszug, vgl.]
Vgl. Ossietzky · Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft *
Erwiderung und Erinnerung von R.S.:
War es der Elfenbeinturm der entfremdeten Wissenschaft, das Kurt Pätzold bis zum allgemein sichtbaren Ende und der Auflösung der Existenz der DDR und SED nicht die bereits in den 1970er Jahren erkennbare Entwicklung aus der Lebenswirklichkeit wahrnehmen konnte?
In den 1970er Jahren arbeitete ich als gelernter Tischler und Metalldreher bei der Deutschen Reichsbahn in Westberlin. In den Jahren 1976/77 sprach ich vom embryonalen Sozialismus, vom noch nicht geborenen Sozialismus, den es aber zu verteidigen gilt, trotz all seiner erkennbaren Mängel.
Mein Westberliner Arbeitskollege Willy Papke, ein gestandener Genosse seit seiner Weimarer Zeit und damaligen Ausbildung zum Tischler, zog in der Mitte der 1970er Jahre, nach seinem Renteneintritt nach Ostberlin in die damalige Leninallee. Hier besuchte ich ihn und seine Lebenspartnerin. Aus seinen Äußerungen entnahm ich seine Enttäuschung über seine unmittelbaren Erfahrungen als vormaliger Handwerker und jetzigen Rentner mit dem Leben als Bürger der DDR. Er verurteilte nicht die Republik, aber man fühlte seine Betroffenheit über seine erneut erfahrene, ihn enttäuschende und desillusionierende Lebenswirklichkeit.
Willy Papke hatte als Genosse und Rentner Aufgaben für die Hausgemeinschaft übernommen. Ich bemühte mich nicht um seine Mitteilung und meine Vertiefung seiner Erfahrungen.
Anmerkung: Genosse Papke war als Familienvater während der Anfangszeit des Faschismus als Kurier für die illegale KPD aktiv, dabei erfolgte seine Festnahme und vierjährige Inhaftierung im Zuchthaus. In Folge wurde er während der Kriegsjahre dem Todesbataillon 999 zugeführt. Seine Partnerin organisierte mit ihrem Kleinkind ihr Überleben. Nach der Befreiung beteiligten sie sich bis zum Lebensende am (vergeblichen) Aufbau des Sozialismus.
►Willy und ich arbeiteten als Tischlergesellen in den 1970er Jahren zusammen bei der Hochbaumeisterei der Deutschen Reichsbahn, an der Invalidenstraße, nahe am Lehrter Bahnhof (heute befindet sich dort der Berliner Hauptbahnhof). Damals berichtete Willy Papke auch von seinen Erfahrungen in der Übergangszeit der Weimarer Republik zum folgendem Faschismus 1933. Er erzählte mir auch von einem (proletarischen) Mitstreiter, der im Zusammenhang mit der faschistischen Machtübernahme die Fahne zu den Faschisten wechselte.
Nochmals zurück zu Kurt Pätzold. In seinem Buch über die NSDAP, was er zusammen mit Manfred Weißbecker verfasst hatte, berichten sie über die Mitgliederzahl der NSDAP zwischen 8 und 9 Millionen. Laut der Statistik über die Mitglieder der NSDAP, aus einer anderen Quelle, lag der statistische Anteil der „Arbeiter“ bei 30 Prozent. Nach dem undifferenziertem Begriff der NS-Statistik lag damit dieser zahlenmäßige Anteil zwischen 2,4 und 2,7 Millionen Arbeiter in der NSDAP. // Einen vergleichbaren Anteil unter den Arbeitern hatten selbst die SPD und KPD zusammen genommen in der Weimarer Republik – vor 1933 – nicht erreicht.
* Vgl. Ossietzky: Aufsatz von Werner Röhr: Kurt Pätzold – allein auf weitem Feld.
https://www.sopos.org/aufsaetze/487faa8845637/1.phtml.html
Info-Empfehlung: Gespräch mit Inge Viett.
Über ihr langjähriges Exil in der DDR und die gesellschaftliche Realität nach dem Verschwinden der sozialistischen Alternative in Deutschland.
»Ich musste lernen, dass Kämpfen hier ganz anders aussah.«
Siehe: Die Tageszeitung junge Welt, 2. Oktober 2015, Nr. 229.
02.10.2015: »Ich musste lernen, dass Kämpfen hier ganz anders aussah« (Tageszeitung junge Welt)
12.01.2021, R.S. (Zusammenfassung)
Info-Empfehlung:
Philosophische Schriften
Peter Ruben
Schriften und Vorträge
Philosophische Grundlagen
Die Philosophie in der Erkenntnis der Natur
Die Philosophie in der Erkenntnis der menschlichen Gesellschaft
Die Philosophie in der Ökonomie
Philosophiehistorische Beiträge
P. Ruben und C. Warnke über die Philosophie in der DDR
Vorträge und Interviews:
Höre: Peter Ruben PHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN (peter-ruben.de)
http://www.peter-ruben.de/doks/interview.html
17.01.2021, R.S.
Die Religion des Kleinbürgers ist der Nationalismus.
»“Einfach unter dem Kommando der großen Bourgeoisie kann der Faszismus nicht gehen. Die große Bourgeoisie ist ideologisch bankerott. Sie bedrückt das Kleinbürgertum materiell. Aber der Kleinbürger ist für die bürgerliche Ordnung. Wie sich aus diesem Dilemma retten? Der Kleinbürger greift zu seinem alten Rezept des Einerseits-Andererseits, der guten und der schlechten Seite. Die gute Seite, das ist der christliche Kapitalist, der Industrielle, der Produk-tive; die schlechte Seite, das ist der jüdische Kapitalist, der Händler, der Wucherer, der Para-sit. …
Der faszistische Kleinbürger will eine starke Regierungsgewalt. Starke Regierungsge-walt, das ist ein großer Beamtenapparat. Er will aber zugleich ’sparsame Wirtschaft‘, also Einschränkung des Beamtenapparates. Also werden alte Beamte entlassen, und dafür kriecht die neue ‚Dezemberbande‘ selbst in die Staatsuniform, was den Apparat… nicht sparsamer, sondern kostspieliger macht.
Der faszitische Kleinbürger sorgt auch für den Arbeiter – als patriarchalischer Wohltäter. … Aufgeräumt muß werden mit den Geschenken des Staats an den Arbeiter auf Kosten des Kleinbürgers, mit wohlfeilem Brot, mit wohlfeilen Mieten usw. Dafür wird ihm der Diktator, den sich der Kleinbürger erwählt, Arbeit verschaffen… Er wird den ‚guten Arbeiter‘ gegen den ’schlechten Arbeiter‘ schützen. Er wird den ‚guten Unternehmer‘ belohnen und den ’schlechten‘ strafen. …
Schluß endlich auch mit dem Unfug des ‚Internationalismus‘. Die Religion des Kleinbür-gers ist – der Nationalismus. …
Was wird die historische Rolle des Faszismus sein, wenn er siegen sollte? Er wird die friedlichen demokratischen Illusionen liquidieren, sowohl die der politischen Demokratie wie der wirtschaftlichen Demokratie. Aber er kann keines der Probleme lösen, die er sich gestellt hat.“18
Man wird kaum bestreiten können, daß hier im Januar 1923 eine ziemlich klare Sicht formuliert wird, die die Figur des faschistischen Kleinbürgers zu bestimmen versucht und ins Zentrum der möglichen Faschismuslehre rückt. Das ist ein theore-tisch fixierter Typus, der von der NSDAP-Personage mühelos realisiert wird. Natür-lich kann Thalheimer zu dieser Zeit noch nicht wissen, welche Befehle der gescheiter-te Kunstmaler Hitler geben, wozu der Hühnerzüchter Himmler fähig sein, was der Arzt Mengele an der Rampe von Auschwitz betreiben wird. Aber die Identifikation des Kleinbürgers als eines Trägers faschistischer Orientierung ist gewiß keine Fehl-deutung.« *
* Ein Auszug, vgl. Peter Ruben: August Thalheimers Faschismusanalyse nach Marx‘ 18. Brumaire*1
August Thalheimers Faschismusanalyse (peter-ruben.de)
http://www.peter-ruben.de/schriften/Gesellschaft/Ruben%20-%20August%20Thalheimers%20Faschismusanalyse.
17.01.2021, R.S.