Der Schlosser Otto Kreikbaum – als Kommunist in ein Strafbataillon gesteckt!

Stolperstein von Otto Kreikbaum, Mai 2022 | Bild: RoterMorgen

Redaktion – 30. April 2022

Gedenken an unseren Genossen Otto Kreikbaum

Heute, am Vorabend des Roten 1. Mai 2022, haben wir unseren Genossen Otto Kreikbaum gedacht. Redaktionsgenossinnen und -Genossen trafen sich am Stolperstein, der zum Gedenken an Otto gelegt wurde,  in Hannover in der Kramerstraße 4.
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Der Stolperstein für Otto war schon recht angelaufen und blass. Deshalb hat unsere Junggenossin KikiRebell ihn erst einmal mit der elektrischen Messingbürste gereinigt und danach mit Messingpolitur, gegen erneutes Verblassen, geschützt. Nun strahlt er wieder in gold und es ist zu hoffen, das er so künftig Passanten mehr ins Auge fällt.
Für die hatten wir einige Flugis mitgebracht, damit sie wissen, was gerade geschieht. Ein Genosse sprach noch ein paar erklärende Worte und wir legten unsere roten Nelken, die Blume der kämpfenden Arbeiterklasse, um den Stolperstein.

Hannover: Der Genosse Otto (re.) mit einer Frau und zwei Soldaten | Foto Privatbesitz Familie Kreikbaum

Unsterbliche Opfer
Der Genosse Otto und seine Frau Luise engagieren sich früh in der Kommunistischen Partei Deutschlands und ihren Unterorganisationen. Deshalb wurde er in eines der ersten Konzentrationslager der Nazis und anschließend in eines der berüchtigten „Moorlager“ verschleppt. Im Zweiten Weltkrieg sollte sich Otto durch den Kampf, in einem sogenannten „Bewährungsbataillon“, politisch rehabilitieren. Das waren Himmelfahrtskomandos aus denen es meistens kein Entrinnen gab. Otto wurde von der Roten Arme gefangen genommen uns starb später an Erschöpfung in einem sowjetischen Kriegsgefangenanlager.

Organisiert in der KPD
Otto Kreikbaum wurde in Jahre 1919 in Hannover geboren und war von Beruf Schlosser. In der gemeinsamen politischen Arbeit innerhalb der KPD lernten seine Frau und er sich kennen. 1931 heirateten sie und er und sein „Lieschen“ bekamen fünf gemeinsame Kinder. Luise war mit 18 Jahren in die Jugendorganisation der KPD eingetreten, Otto war da schon aktives Mitglied der KPD und in der Nachfolgeorganisationen des 1924 gegründeten und 1929 verbotenen Roten Frontkämpferbundes.
Im April 1933 wurde in den Räumen des Landeswerkhauses in Moringen eines der ersten Konzentrationslager des NS-Staates eingerichtet. Hier seht ihr den Appelplatz.  Am 11. April 1933 traf die erste größere Gruppe von Häftlingen ein. Inhaftiert waren in Moringen oppositionell und antifaschistisch eingestellte Männer und einige Frauen, überwiegend Kommunisten, später auch Gewerkschafter und Sozialdemokraten. Insgesamt waren in Moringen ca. 1000 Personen inhaftiert. Die konkrete Haftdauer konnte nur wenige Tage, aber auch mehrere Wochen betragen, in einigen Fällen sogar sechs und sieben Monate. | Foto: KZ-Gedenkstätte Moringen

Konzentrationslager
Der Genosse Otto wurde kurz nach der Machtübertragung an die Nazis in „Schutzhaft“ genommen und als politischer Häftling in das im April 1933 gegründete KZ Moringen bei Göttingen gebracht. Als dieses ab Oktober 1933 zu einem Frauen-KZ umgewandelt wurde, wurden die männlichen Häftlinge in verschiedene Konzentrationslager im Emsland und in das Konzentrationslager Oranienburg bei Berlin überführt. Otto kam in eines der berüchtigten „Moorlager“, in das KZ Esterwegen. Von dort wurde er später aus dem nach Hannover entlassen und unter Polizeiaufsicht gestellt. Im Jahr 1939 nimmt eine „Fürsorge“-Einrichtung wegen angeblicher Verwahrlosung der Familie, ihre vier Kinder weg. Sie kommen zu Pflegeeltern in das inzwischen dem Deutschen Reich „angeschlossene“ Österreich.
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„Wehrunwürdig“
Otto Kreikbaum wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht zur Wehrmacht eingezogen, weil ein Deutscher mit einer antifaschistischen, politischen Vergangenheit im „Dritten Reich“ als „wehrunwürdig“ galt. Der Hintergrund: Soldat zu sein, bedeutete im Weltbild der Nationalsozialisten eine Ehre, der man sich würdig erweisen musste: „Wehrdienst ist Ehrendienst am Deutschen Volk“ hieß es. Als Vorbild diente der angeblich kriegerische Germane, der für Sippe und Stammesgebiet freudig zum Schwert griff und die feige „Memme“ im Moor versenkte. In diesem reaktionären Männerbild wurde die Wehrpflicht zum entscheidenden Kriterium für Ehre und Volkstreue.
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„Frontbewährung“
Ab April 1941 wurden aus inhaftierten Soldaten „Bewährungstruppen“ gebildet. Ihre Strafe wurde für die Zeit des Krieges ausgesetzt. In der 1942 eingerichteten Bewährungstruppe 999 dagegen, dienen überwiegend Personen die als „wehrunwürdig“ aus der Wehrmacht ausgeschlossen wurden – darunter viele ehemalige politische KZ-Häftlinge. Sie wurden als „Himmelfahrtkommandos“ an besonders gefährlichen Frontabschnitten „verheizt“. Die Zwangsrekrutierten, insbesondere die aktiven Nazigegner, setzten oft auch in der Wehrmacht ihre Widerstandsarbeit fort. Von der Ostfront wurden sie nach zahlreichen Überläufen zur Roten Armee bald zurückgezogen. In Griechenland und Jugoslawien entwickelte sich aus den Reihen der 999er ein sehr aktiver Widerstandskampf. Aufgrund dieser Unzuverlässigkeit wurde dieses „Bewährungsbataillon“ im September 1944 aufgelöst.
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Tod und Gedenken
In einer dieser „Bewährungstruppen“ musste Otto an der Ostfront kämpfen. Er kam in Kriegsgefangenschaft und starb, unter nicht geklärten Umständen, nach Kriegsende im russischen Tamilow. Seine Frau, „Lieschen“ Kreikbaum, bleibt nach dem Krieg in Hannover, kandidiert für die KPD und ist nach dessen verbot in der DKP aktiv. Sie stirbt im Dezember 1980. Für Otto wird am 30. September 2016, vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie in der Kramerstraße 4, ein Stolperstein verlegt. An der Gedenkfeier nehmen auch Nachfahren des Ehepaares teil, so Tochter Jutta und Urenkel Levi, der eine beeidruckende Rede hielt. Danach erklingt das Lied „Die Moorsoldaten“, das auch uns bei der heutigen erneuten Feier in den Ohren klang.
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Für unsere kleine Ehrung in der stark besuchten Fußgängerzone in der Hannoveraner Altstadt interessierten sich einige Passanten, die nicht gerade mit sich selbst beschäftigt waren. Wir verteilten Flugblätter und es kam zu ein paar kleineren, erklärenden Diskussion, bei denen auch eigene Erlebnisse der Großeltern der Passanten geschildert wurden. Besonders beeindrucken war der Besuch einer russischen Reisegruppe mit Dolmetscher. Ein Genosse erklärte lautstark, was an dieser Stelle gerade vor sich geht und schilderte das Schicksal von Otto Kreikbaum. Alles wurde nach und nach übersetzt und immer mehr Passanten blieben stehen und hörten zu. Als die Reisegruppen weiterziehen wollte, ergriff unser Genosse noch einmal das Wort und erklärte sinngemäß:
„Liebe Gäste, bevor ihr weiterzieht, möchte ich noch im Namen aller deuten Antifaschisten meinen Dank aussprechen. Menschen wie Eure Großeltern und Eltern haben es ermöglicht, dass wir heute hier stehen können – ja, dass wir überhaupt am Leben sind. Wir danken der Roten Arme und dem Volk der Sowjetunion dafür, das sie Europa und besonders Deutschland vom Faschismus befreit hat. Es war die größte und beeindruckendste antifaschistische Tat auf Erden und nie in Vergessenheit geraten. Danke.

Putzen und und Ehrung | Bild: RoterMorgen
Wir werden die Genossen Otto und seine Frau Liesel nie vergessen und in ihrem Sinne weiterkämpfen. Ihre Ideale sind auch unsere Ideale. Und auch wenn wir z. Zt. nicht so eine starke Kampfpartei, wie Otto und Liesel es hatten, hinter uns haben, gibt es kein Entrinnen für die Ausbeuter und Kriegstreiber! Die Erde wird rot – so oder so! Trotz alledem!
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Die Moorsoldaten

Wohin auch das Auge blicket
Moor und Heide nur ringsum
Vogelsang uns nicht erquicket

Eichen stehen kahl und krumm

Wir sind die Moorsoldaten
Und ziehen mit dem Spaten ins Moor
Wir sind die Moorsoldaten
Und ziehen mit dem Spaten ins Moor

Hier in dieser öden Heide
Ist das Lager aufgebaut
Wo wir fern von jeder Freude
Hinter Stacheldraht verstaut

Wir sind die Moorsoldaten
Und ziehen mit dem Spaten ins Moor
Wir sind die Moorsoldaten
Und ziehen mit dem Spaten ins Moor

Morgens ziehen die Kolonnen
Durch das Moor zur Arbeit hin
Graben bei dem Brand der Sonne
Doch zur Heimat steht der Sinn

Wir sind die Moorsoldaten
Und ziehen mit dem Spaten ins Moor
Wir sind die Moorsoldaten
Und ziehen mit dem Spaten ins Moor

Auf und nieder geh’n die Posten
Keiner, keiner kann hindurch
Flucht wird nur das Leben kosten
Vierfach ist umzäunt die Burg

Wir sind die Moorsoldaten
Und ziehen mit dem Spaten ins Moor
Wir sind die Moorsoldaten
Und ziehen mit dem Spaten ins Moor

Doch für uns gibt es kein Klagen
Ewig kann nicht Winter sein!
Einmal werden froh wir sagen
Heimat du bist wieder mein!
Dann zieh’n die Moorsoldaten
Nicht mehr mit dem Spaten ins Moor
Dann zieh’n die Moorsoldaten
Gewehre statt der Spaten ins Moor

Johann Esser | Rudi Goguel | Wolfgang Langhoff
Textänderung (die letzten drei Zeilen): KPD/ML 1975

 

Gesang: Hannes Wader

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