Das Fritzchen mit dem Banjo

Trubartic – Lieder gegen 
Menschenverachtung – 9. Juni 2020

Kinder – das letzte Aufgebot Hitlers

Chris Trubartic

Als Hitler im September 1944 die Bildung des „Volkssturms“ zur Verteidigung der Heimatgebiete befahl, war der Krieg lange verloren. Der D-Day, die Landung der Alliierten in der Normandie hatte am 6. Juni 1944 stattgefunden, Paris war befreit, von Westen rückten amerikanische, englische und französische Verbände nach Deutschland vor, von Osten die sowjetischen.


Wieviel Elend und Not wäre den Menschen in Deutschland erspart geblieben, hätte die deutsche Führung der realistischen Einschätzung nachgegeben, dass dieser irrsinnige Krieg verloren war. Viele deutsche Städte waren bereits zerstört und viele hätten gerettet werden können: Potsdam, München, Jena, Hildesheim, Dortmund, Dresden, Berlin … und viele andere Städte mehr wurden erst 1945 massiv bombardiert und verwüstet, allein in Dresden starben 35 000 Menschen … insgesamt kamen ca. 500 000 Menschen im Luftkrieg um und Millionen Überlebende waren in der Folge physisch und psychisch für ihr ganzes Leben aufs schwerste traumatisiert …

Ein amerikanischer Soldat bewacht junge deutsche Soldaten nach ihrer Gefangennahme – manche davon waren noch Kinder. Bild: Bundesachiv

Zu der Zeit, als die Nazis alte, militärisch untaugliche und minderjährige männliche Menschen in den aussichtslosen Kampf befahl, war die Kriegsniederlage deutlich absehbar – statt dem Rechnung zu tragen, kam ein vollkommen unsinniger, rücksichtsloser, niederträchtiger, menschenverachtender und brutaler Befehl, die eigenen Kinder als „Volkssturm“ in den sicheren Tod und schlimmeres zu schicken.
Niemals, auch mit angestrengten Versuchen nicht, die damaligen Zeiten angemessen nachzuvollziehen, kann ich verstehen, wie Eltern ihre Kinder diesem Wahnsinn opferten.

Betrachte ich diese Bilder – der sanft lächelnd tätschelnde Massenmörder und Diktator vor leuchtenden Kindersoldatenaugen – wird mir sehr deutlich, das für rechtsradikale Selbstherrlichkeit und Gesinnung Zerstörung, Genozid, Zerstörung, Mord und Totschlag, Vergewaltigung, Holocaust-Gräuel, Folter und Hass etc. vollkommen allgemeingültige Normalität sind. Jede*m, der oder die heute mit dieser Herrschaftsform kokettiert, sind diese schwerstpathologischen Gewaltformen immanent.
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Das Video zum Lied ist in Delmenhorst entstanden, mein geschätzter Freund und Videokünstler Bastian Stoll hatte die Location ausgesucht. Der Panzer stand dort seit 30 Jahren auf einem alten Truppenübungsgelände und war eine Sehenswürdigkeit in der Region, die gern aufgesucht wurde und vielen Sprayer-Künstlern als Objekt diente. Zwei Wochen nach unserem Dreh wurde er von Unbekannten mit einer gaypinken Farbe verschönert, was den Verantwortlichen beim Militär wohl nicht so sehr gefallen hat. Sie ließen also kurzerhand schweres Gerät anrollen und den Panzer entfernen.
 Schön, dass wir diesem Denkmal noch rechtzeitig mit meinem Antikriegslied ein Andenken erweisen konnten.

»Die Brücke« Antikriegsfilm von Bernhard Wicki , BRD 1959. Von l. n. r. die Schauspieler: Michael Hinz †, Volker Lechtenbrinck, Günter Hoffmann, Folker Bohnert und Fritz Wepper

Den Film „Die Brücke“ habe ich als Vierzehnjähriger 1970 in der Schule zum ersten Mal gesehen. Unser Rektor war Sozialdemokrat, es war ihm wichtig, dass wir Schüler*innen diesen beeindruckenden Film sehen. Klassenkameradinnen waren mitunter so bestürzt, dass sie weinend rausliefen und auch für mich war die Auseinandersetzung mit den Inhalten prägend.
Wir haben für diese Lied ausschließlich Szenen aus diesem Film verwendet.
Ich möchte meinen Zuhörern diesen Film sehr ans Herz legen. Er ist nach wie vor für mich ein wichtiges und beeindruckendes Werk.

> Die Brücke (1959) 

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Trubartic, Lieder gegen Menschenverachtung
Für Hilfe, Nächstenliebe, Mitmenschlichkeit und Solidarität Gegen politische, populistische und religiöse Hetze. Für Demokratie, Auseinandersetzung und Kritik, gegen Gewalt und Brutalität in allen seinen tätlichen, verbalen und digitalen Formen.
Aufgenommen im Sunstreet-Studio, Produziert und mitmusiziert von Jürgen Fastje.
Kontakt: Jürgen.Fastje1@ewetel.net – Trubartic@web.de – Video: Battlejuizzz@gmx.de

Das Fritzchen mit dem Banjo

Das Fritzchen mit dem Banjo

Anfang neunzehnfünfundvierzig, war noch keine 16 Jahr
stand er stramm in unsren Reihen, weil er ein Hitlerjunge war
War ein ziemlich dünnes Kerlchen, mit kaum Farbe im Gesicht
und `nem Zittern in den Beinen, aber ängstlich war er nicht

Er kam abends zur Kaserne, seine Mama brachte ihn
stand mit ihr vor der Laterne, die ins Schlagbaumhäuschen schien
Ein Schulranzen auf dem Rücken, Deckenrolle im Genick
mit viel Wasser in den Augen, aber feige war er nicht

Er war das Licht in unsrem Haufen, mit seinem hellen blonden Haar
kannte viele hübsche Reime, und ein toller Sänger war
Er stand lächelnd in der Lichtung, sang ein Liedchen hell und klar
dann war Granatenhagel – vergess‘ ich nie, was dann geschah

Die Mutter fragt mich flehend, ob ich mich kümmern kann
steckt ein mir Butterkuchen, hält beschwörend meine Hand
Den Blick in schlimmen Tränen, geht sie ihren schweren Gang
lässt bei mir das kleine Kerlchen, mein Herz, das wird mir bang

Tag’s darauf kriegt er mein Banjo, hab’s gebeutet selbst im Krieg
Ein Kamerad lehrt ihn den Tango, ein paar Verse, die er schrieb
spielt bald Walzer, Foxtrott, Mambo, was die karge Note gibt
zwischen Panzern und Haubitzen, alle ha‘m wir ihn geliebt

Er war das Licht in unsrem Haufen, mit seinem hellen blonden Haar
kannte viele flotte Reime, unser Wanderbarde war
Er stand lächelnd in der Lichtung, sang Gassenhauer hell und klar
dann war Granatenhagel – vergess‘ ich nie, was dann geschah

Unser Spieß, ein Hasardeur, hat noch niemals wen gemocht
Nahm brutal sich jeden vor, der nicht nach Hakenkreuzler roch
nur das Fritzchen mit dem Banjo, hat sein kaltes Herz besiegt
der hatte Schiss vor diesem Dreckskerl, aber `n Schisser war er nicht

Ein paar Tage vor Kriegsende, da war seine letzte Nacht
hat er mir leis‘ gebeichtet, dass er Schlimmes hat gemacht
Bestohlen hatte er den Nachbarn, ein Brot und Butter, Wurst vom Schwein
für sein klein‘ Schwester Ern‘chen, die hat vor Hunger so oft geweint

Er war das Licht in unsrem Haufen, mit seinem hellen blonden Haar
kannte viele kluge Reime, sogar ein Liedermacher war
Er stand lächelnd in der Lichtung, sang eine Weise hell und klar
dann war Granatenhagel – und er war einfach nicht mehr da

Er war das Licht in unsrem Haufen, mit seinem hellen blonden Haar
kannte viele schöne Reime, ein echter Herzenswärmer war
Gleich einem Engel in der Lichtung, klang sein Liedchen hell und klar
dann war Granatenhagel – und er war einfach nicht mehr da

– und er war einfach nicht mehr da

 

Biographie Chris Trubartic und weitere Artikel
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Erstveröffentlichung am 9. Juni 2020 auf ElCantor. Veröffentlichung mit freundlicher genehmigung des Herausgebers.

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Für den Inhalt dieses Artikels ist der Autor bzw. die Autorin verantwortlich.

Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.

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