Der Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. – 16. Januar 2021
Am 10. Februar 2021 ab 08.30 Uhr wird das Landgericht Heidelberg über ein Urteil befinden, das 2018 bundesweit Aufsehen erregte: Der Antifaschist Michael Csaszkóczy war zu 20 Tagessätzen verurteilt worden, weil er sich nicht freiwillig aus einer öffentlichen Veranstaltung der AfD in der Heidelberger Stadtbücherei entfernte, die zudem in deren Hilde-Domin-Saal stattfand.
Das Gericht hatte Michael damals zwar recht gegeben, dass die AfD ihn nicht einfach so aus ihrer öffentlichen Veranstaltung hatte ausschließen können, zumal von ihm tatsächlich keine Störung oder sonstige Gefahr ausging. Die Polizei habe ihn aber dennoch ausschließen können, denn er sei nach deren Einschätzung „Rädelsführer“ gewesen. Deshalb seien die üblichen gesetzlichen Regelungen weitgehend außer Kraft, und Michael hätte sich der sozusagen durch die Polizei überbrachten Aufforderung der AfD fügen müssen, statt sich aus dem öffentlichen Gebäude tragen zu lassen. Und daraus ergebe sich die Strafwürdigkeit – für, jedenfalls rechtslogisch, drei Wochen Gefängnis.
Das bundesweite Aufsehen infolge des Urteils resultierte nicht nur aus der Fragwürdigkeit dieser offensichtlich von recht blindem Verfolgungswillen getragenen Argumentation. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Richterin, die das Urteil verfasst hatte, Schwiegertochter von Albrecht Glaser ist, dem AfD-Bundestagsabgeordneten, der wegen seiner rabiaten antiislamischen Positionen 2017 bei der Wahl zum Bundestags-Vizepräsident durchgefallen war.
Im Februar kommt es nun im Rahmen einer Berufung zu einer Prüfung des damaligen Urteils und damit der weit über die konkreten Umstände hinaus relevanten Frage, ob die Polizei, zumal auf Zuruf Rechtsradikaler, Teilnehmer/innen öffentlicher Versammlungen einfach nur deshalb mit Gewalt ausschließen darf, weil sie diese als politisch aktiv einstuft.
Das Verfahren ist auch deshalb unappetitlich, weil die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag in den letzten Jahren versucht hat, ein Berufsverbot wieder aufzuwärmen, das Annette Schavan auf Betreiben des baden-württembergischen Inlands-
geheimdienstes 2003 gegen Michael erwirkt hatte, unter anderem wegen dessen Aktivitäten für die Rote Hilfe. Das Berufsverbot war 2007 gerichtlich als rechtswidrig erkannt worden. Dass dies sowohl das Landes- wie auch das Bundesamt für Verfassungsschutz genauso wenig an einer Beobachtung von Michael hindert wie die AfD an ihrem parlamentarischen Geraune über angeblichen Linksextremismus, verleiht dem Prozess zusätzlich zu seiner versammlungsrechtlichen Bedeutung auch breiter politische Relevanz.
Erstveröffentlichung 14.01.2021 in Rote Hilfe news. Bilder und Bilduntertexte wurden von der Redaktion Roter Morgen hinzugefügt.
Der Begriff „Rädelsfüher“ wurde 2020 bei einem Videodreh zum Geburtstag von Ernst Thälmann in Stralsund gegen mich und den Kameramann auch erhoben. Vorwurf „Durchführung einer verbotenen Veranstaltung“. Es war jedoch keine Veranstaltung. Wegen Corona konnte das traditionelle Ehren von Thälmann als Veranstaltung nicht angemeldet werden. Die Staatsanwaltschaft übernahm den Fall. Die Klage der Polizei wurde abgewiesen.
Interessant. Normalerweise sind diese Braunköpfe ja auf großes Publikum total geil. Jetzt auf einmal nicht? Die Veranstaltung war als öffentlich angekündigt darum verstehe ich die Zulassung der Anklage nicht.
Da muss man wohl erst einmal schauen was in den Versammlungsgesetzen steht. Bei geschlossenen Saalversammlungen können nicht erwünsche Personen des Raumes verwiesen werden. Bei öffentlichen Saalveranstaltungen gilt das Hausrecht gegenüber Störern. (wird im Bundestag praktiziert). Anders verhält es sich bei öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel. (Beispiel Ehrung der Roten Armee bei der Befreiung vom Faschismus)