PERSPEKTIVE»online – 19. Dezember 2024
Etwa 10.000 Bauern protestierten in Berlin gegen einen Teil der Sparpläne der Regierung. Die Politik und Greenpeace halten gemeinsam dagegen. Dabei haben noch größere Bauernproteste in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, wie real der Existenzkampf vieler landwirtschaftlicher Betriebe ist.
Der deutsche Bauernverband hat mit einer großen Aktion in Berlin einen ersten Vorstoß gegen einen Teil der von der Bundesregierung beschlossenen Sparmaßnahmen im Bundeshaushalt 2024 organisiert.
Nach Angaben der Veranstalter haben sich am 18. Dezember bis zu 10.000 Menschen in Berlin versammelt, um gegen den Wegfall der Steuerrückerstattung für Diesel-Treibstoff und Fahrzeuge, die in der Landwirtschaft verwendet werden zu protestieren. Über 3.000 Traktoren wurden von den Landwirt:innen dafür in die Hauptstadt gefahren.
Nach übereinstimmenden Angaben der Bundesregierung und des Bauernverbandes geht es insgesamt um circa eine Milliarde Euro jährlich, die die Bundesregierung so nach dem niederschmetternden Verfassungsgerichtsurteil aus dem November 2023 einsparen will.
Die Bauernschaft ist keine homogene Masse
Die Bauernschaft in Deutschland ist dabei nicht homogen. Da es in den letzten Jahrzehnten bereits zu einem massiven Sterben von landwirtschaftlichen Betrieben gekommen ist, nimmt zugleich das Gewicht der Großbauern stetig zu, da sich diese noch am ehesten unter den modernen kapitalistischen Bedingungen behaupten können. Dem ständigen Druck der Agrarkonzerne und der Lebensmittelgroßhändler, die Abnahmepreise für landwirtschaftliche Produkte so tief wie möglich zu drücken, können sie am besten standhalten und sich dagegen zur Wehr setzen.
Die in verschiedenen Teilen des Landes immer noch vorhandenen kleine und mittleren Bauernbetriebe jedoch sind seit Jahren dauerhaft in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht, und nicht Wenige geben ihre Höfe als eigenständige Betriebe tatsächlich auf.
Dieser Unterschied spiegelt sich auch in den Reaktionen der Bauern auf die Kürzungspläne der Bundesregierung wider: Die Pressemitteilung des Präsidenten im Deutschen Bauernverband, Joachim Rukwied, stellt die gefährdete Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft im europäischen Vergleich in den Vordergrund und schlägt damit einen ähnlichen Tonfall an wie viele andere große Kapitalist:innen, wenn sie mehr Geld von der Regierung fordern.
Einzelne Landesgliederungen der Bewegung Land schafft Verbindung, die vor allem 2019 vor der Corona-Pandemie mit zum Teil sehr großen Protesten mit bis zu 40.000 Personen für Aufsehen gesorgt hatte, betonen hingegen die nackte Existenzangst vieler kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe. So heißt es bei Land schafft Verbindung Baden-Württemberg beispielsweise: „Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass mehr und mehr Fördermöglichkeiten gestrichen werden und wir kaum noch Spielraum haben, unsere Existenzen zu sichern und unsere Familien zu ernähren, indem wir einfach nur unseren Beruf ausüben.“
Die Initiative bekräftigt unter anderem auch die Forderung nach einem „Verkaufsverbot unter Produktionskosten“, was zum Ausdruck bringt, wie hart der Preiskampf um landwirtschaftliche Produkte zum Teil geführt wird.
Politik spielt auf Zeit
Auch wenn sich also in der Bauernbewegung größere und kleinere kapitalistische Unternehmer in der Landwirtschaft mit den letzten Resten von echten Mittel- und Kleinbauern mischen: Die Wut auf die Bundesregierung war am Montag deutlich zu spüren.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) spielte das Unschuldslamm und behauptete, dass er auch gegen die Sparpläne seiner eigenen Regierung sei und dafür „kämpfen“ werde, dass diese so nicht umgesetzt werden würden. Die Demonstranten quittierten dieses „Versprechen“ mit „Hau ab“-Rufen und der Forderung nach Neuwahlen.
Sein Parteifreund und Wirtschaftsminister Robert Habeck ließ sich zu solchen Äußerungen nicht hinreißen. Er forderte indirekt von seinem Kollegen, er möge alternative Sparmaßnahmen vorschlagen, wenn er die Einsparungen bei der Landwirtschaft verhindern wolle.
Umweltschutz vs. Landwirtschaft?!
Auch ein Sprecher der Umweltorganisation Greenpeace schien sich berufen zu fühlen, der Bundesregierung zur Seite zu springen. So erklärte Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter für den Verein: „Bei allem Verständnis für die Bauern und Bäuerinnen – Agrar-Diesel staatlich zu verbilligen, ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft.”
Es ist also mal wieder ein Umweltverband, der die Politik der Regierung deutlicher verteidigt, als sie sich selbst. Zum wiederholten Male werden damit kleinere bäuerliche Betriebe, die um ihre Existenz kämpfen, gegen das Ziel des Umweltschutzes ausgespielt.
Vor allem werden aber in diesem Statement zahlreiche Fragen offen gelassen: Erstens, was beim heutigen technologischen Entwicklungsstand eine „umweltfreundliche“ Alternative zur Landwirtschaft mit Diesel-Traktoren in Deutschland sein soll. Zweitens die Frage, wer von den in der Tat rekordverdächtigen Lebensmittelpreisen profitiert. In erster Linie handelt es sich hierbei nämlich um die Agrarindustrie, sowie den Lebensmittel-Groß- und -Einzelhandel, nicht aber um die kleinen und mittleren Landwirtschaftsbetriebe.
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Erstveröffentlichung am 19. Dezember 2024 auf »PERSPEKTIVE>>«. Wir danken den Genossinnen und Genossen von »Perspektive« für ihre gute Arbeit und der Genehmigung der Weiterveröffentlichung. Bilder und Bilduntertexte wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.
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Für uns stellt sich natürlich auch hier die Frage: Wer ist unser Verbündeter – wer ist unser Feind. Unsere Verbündeten sind die die in der Landwirtschaft lohnabhängig arbeiteten und die kleinen Bauern. Unsere Feinde sind deren Feinde, die Agrarkonzerne und die Großgrundbesitzer (Kulaken) die immer mehr landwirtschaftliche Fläche aufkaufen und durchaus vom Ruin der Kleinbauern profitieren.
Gute und notwendige Demonstrationen. Was fehlt: Friedensfahnen am Trecker und die Forderung nach Reparatur von Nord Stream. Die Forderungen der Bauern lassen sich dauerhaft nur durchsetzen, wenn Deutschland seine Beteiligung am Krieg beendet.
Stephan Krüger für dich und unser Land hoffe ich, dass deine/diese Position mehr ist als nur ein oberflächlicher Allgemeinplatz…Ich teile diese merkwürdig Vermischung unterschiedlicher Politikfelder jedenfalls nicht…
Es ist sehr viel mehr als ein oberflächlicher Allgemeinplatz. Es ist wieder einmal der allererste Platz unter den Politikfeldern. So wie wir das bereits sauber in Theorie und Praxis in den 80ern herausgearbeitet hatten. In langen Diskussionen und mit Bergen von Literatur.
In der Friedensfrage geht es um das Überleben der Gattung – krasser als in jeder anderen Frage. Nichts Neues, das wussten schon Einstein und Co.
Die Gefahr eines dritten Weltkrieges und nuklearen Holocaust war seit der Erfindung der Atombombe noch nie so groß wie heute, sie ist größer als in den 80ern und größer als während der Kuba-Krise.
Die Vermischung der der Politikfelder liegt in der Natur der Sache begründet: A- in der alles überragenden Bedeutung der Friedensfrage. B- in der Tatsache, dass Gelder die in Rüstung investiert werden für die Zivilgesellschaft „verbrannte“ Gelder sind. Insofern ist jedes andere Politikfeld selbst in Friedenszeiten von der Mittelvernichtung im Sektor Rüstung betroffen. Noch unmittelbarer sind die Bauern (und wir alle) betroffen von der Kappung der sicheren und kostengünstigen Rohstoffzufuhr aus Russland. Hier vermischt sich das Politikfeld Krieg/Frieden von ganz allein mit allen anderen Politikfeldern. So wie es auch in der Losung von Heizung, Brot und Frieden zum Ausdruck kommt.
Ohne Wiederaufnahme guter Beziehungen mit Russland ist die hiesige Ökonomie schlicht im Arsch. Das wars, könnte man schon jetzt sagen, wenn wir keine Wende erkämpfen. Ein Teil der kämpfenden Akteure sind zur Zeit die Bauern. Noch nicht wissend, dass auch sie ohne Handel mit Russland am A…..sind. Einige werden es bei Diesel ahnen, andere beim Gas. Diese Energierohstoffe werden mit Krieg gegen Russland (und einer verkorksten Energiewende) weiter teurer aber in keinem Fall billiger werden. Verbraucher werden (sie tun es schon) weniger Geld für teure landwirtschaftliche Produkte ausgeben können…..
Ich finde – und ich habe nur sehr wenige Beispiele genommen – die Politikfelder und damit die Kampffelder – sind sehr eng miteinander verbunden, miteinander in Wirkung und Wechselwirkung verbunden und verzahnt. Ohne Frieden ist der Wohlstand futsch. Für die, die nie im Wohlstand lebten, sieht es noch bescheidener aus.
Die Armen werden ärmer.
Billigen Diesel für die Bauern und günstiges Brot und günstigen Strom wird es nur geben, wenn Nord Stream und Druschba wieder funktionieren.
Der Kapitalismus wird durch gute Beziehungen zu Russland nicht zum Paradies, aber ohne sie wird er zur Hölle.
Das sind schon längst keine Bauern mehr…
Ändert die Feststellung ihre Situation?
(…) Würdest du nur für und mit einer Arbeiterklasse kämpfen, die gut, edel und kein bisschen korrumpiert ist? Wo der IG Metall Vorstand oder der freigestellte VW-Gesamtbetriebsrat ausschließlich aus Revolutionären besteht? Oder sind die Genannten nicht häufig dem „reichen“ Bauernfunktionär und dem Manager näher als dem Arbeiter?
Es geht um das richtige und berechtigte Anliegen einer Klasse, einer Schicht, die der der selbstständigen Handwerker nah ist und die nicht selten weniger verdienen als der gut bezahlte VW-Facharbeiter.
In meinen Augen sind die Bauern klarer Ansprechpartner im Kampf um antimonopolistische Bündnisse. Soweit sie nicht bereits von Agrarmonopolen gefressen sind, sind sie unser Partner im Kampf um Veränderung. Auch, wenn sie das noch nicht wissen.
Welche denn bitte und im Schnitt verdienen jene mindestens 5000 Euro/ Monat und das pro Person als Unternehmerfamilie.
Wieviel macht denn die Erhöhung wirklich aus? Ein paar Cent und nicht mehr, aber die CO2-Steuer trifft vor allem finanziell schwache und erst recht jene die in Armut leben bedeutend mehr.
Es sind wenigstens in Bayern jene die möglichst rechts wählen, also die CSU usw., heulen, wenn die Mitarbeiter besser bezahlt werden sollen usw.
Jene die gegen die Erhöhung des Regelsatzes der Grundsicherung sind.
Jene bedeutet die Mehrheit der Bauern.
Jene deren Gewinne um über 30% in den den letzten beiden Jahren gestiegen sind.
Gute und notwendige Demonstrationen. Was fehlt: Friedensfahnen am Trecker und die Forderung nach Reparatur von Nord Stream. Die Forderungen der Bauern lassen sich dauerhaft nur durchsetzen, wenn Deutschland seine Beteiligung am Krieg beendet.