Alle Jahre wieder

Heinz Ahlreip – 25. Dezember 2022

Alle Jahre wieder werden fortschrittliche, über den Verfahrensprozess der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeiter aufgeklärte und folglich sozialrevolutionär eingestellte Menschen am 24. Dezember Zeugen eines im christlichen Religionsbereich stattfindenden gespenstischen mittelalterlichen Mummenschanzes.  

Menschen, durchaus nicht alle mit einem niedrigen Intelligenzquotienten, denen es aber an innerer Reife, an einer wissenschaftlich fundierten Begründung ihrer Daseins- und Lebensweise und folglich auch an historischen Kenntnissen mangelt, die borniert im Teller des Kapitalismus hocken, ohne dessen Rand zu erblicken, geben uns alljährlich dieses deprimierende Schauspiel zum Besten.  Dieses zeigt eben auch den Wert bzw. den Schrottcharakter des kapitalistischen Bildungssystems an, dessen Quintessenz trotz anders lautender blumiger Worte vom mündigen aufgeklärten Bürger in der Heranzüchtung von gehorsamen Lohnsklavinnen und Lohnsklaven für den kapitalistischen Verwertungsprozess besteht. Das deutsche Bildungsbürgertum schreit heute auf, wenn die dem Mittelalter verpflichteten Taliban Frauen nicht zum Studieren in die Universitäten zulassen, aber im Vergleich mit dem Bildungsbürgertum unserer Breitengrade sind die Taliban doch noch humaner. In unserem Kulturkreis kann man Frauen nicht mehr von den Universitäten verbannen, aber man kann sie nach dem Studium mit einem Berufsverbot belegen, eine Hinterfotzigkeit, die sich kein Taliban untersteht. Die Taliban stehen moralisch höher als der deutsche Bildungsbürger, der heute in Brandenburg an neuen Berufsverbotsverfahren zündelt.  Doch zurück zur Religion, die nach Lenin eine Art geistiger Fusel ist, mit dem der Lohnsklave sein Sklavendasein betäubt, das gilt heute weltweit für alle Religionen.

Das Christentum ist aufgekommen im Niedergang des römischen Imperiums, dessen Bevölkerung bereits abnahm, und dass nach einer Blüte des Handels und Verkehrs zurückkehrte zu einem Ackerbau auf niedriger Stufe, der ohne Sklaven auskam, dieser Ackerbau als wichtigster Produktionszweig der ganzen alten Welt. Das Sklaventum dezimierte sich auf ein paar Luxussklaven für die wenigen Reichen.

Historiker, die die Lohnsklaverei verteidigen und den sie benötigenden Fusel vertreiben, dichten dem Christentum einen emanzipativen Beitrag zum Niedergang des römischen Imperiums an. Das ist eine Lüge. Die Christen haben zum Aussterben der Sklaverei nichts beigetragen, im Gegenteil, sie haben jahrhundertelang gemäß ihrer die Bibel auslegenden religiösen Anweiser gekuscht, wie es Sklavenmemmen zukommt. Die neuere Geschichte weist wiederum auf, dass Christen bei dem modernen Sklavenhandel stets profitbesessen dabei waren bis hin zum Handel mit Farbigen. Friedrich Engels verweist in diesem Zusammenhang auf den Bischof Luitprand von Cremona in Verdun, also im heiligen deutschen Reich, der zu berichten weiß, dass im 10. Jahrhundert der Hauptindustriezweig in der Eunuchenfabrikation bestand, “… die mit großem Profit nach Spanien für die maurischen Harems exportiert wurden“ (Friedrich Engels, Über den Ursprung der Familie, des Staates und des Privateigentums, in: Ausgewählte Werke, Band 2, Dietz Verlag Berlin, 1972,276). Diese ganze himmelschreiende Perversion mit abgetrennten Penissen zählt in den Augen unserer heutigen Christen nicht. Warum? Die Scheidung der großen Masse ehrlichen christlichen Fußvolks von einer verdorbenen Priesterkaste bringt uns auch nicht weiter. Die bürgerliche Aufklärung im 18. Jahrhundert verfiel der Priestertrugstheorie: Eine kleine Gruppe raffinierter, hinterhältiger Priester habe sich aus Gründen der Manipulierbarkeit und Abrichtung der Massen zur Verfügung der weltlichen Obrigkeit das ganze bizarre Brimborium ausgedacht. Das schien zur damaligen Zeit die habgierige und volksfeindliche Zusammenarbeit zwischen Adel und Klerus zwar wiederzugeben, der aufgeklärte Monarch Preußens, Friedrich der sogenannte Große war ein Anhänger dieser Theorie, aber mit dieser Einseitigkeit hatte sich die bürgerliche Aufklärung selbst ein Bein gestellt. Sie erklärt nicht, warum die Bauern im Mittelalter in die Kirchen kamen und einer Predigt in lateinischer Sprache lauschten, die ihnen unverständlich bleiben musste. Obwohl hier also der religiöse Gedanke fremdsprachlich gar nicht zur Wirklichkeit des Landlebens und des Landvolks drängen konnte, drängte dieses sich in die Kirchen. Die Religion musste also ein gesellschaftliches Bedürfnis sein und nicht aus einer obrigkeitlichen Verschwörung, sondern aus gesellschaftlichen Defiziten selbst erklärt werden. “Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks“ (Karl Marx, Zur Kritik der bürgerlichen Rechtsphilosophie/Einleitung, Werke, Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1960,378). Opium des Volks – ganz wichtig! Der bürgerliche Aufklärer hätte hier formuliert: Die Religion ist das Opium für das Volk, verabreicht von pfäffischen Dealern. Wir sehen also, wie der bürgerlichen Aufklärung selbst noch Unaufgeklärtheit anhaftet, so ging sie immer davon aus, dass die Frau in der Menschheitsgeschichte immer Sklavin des Mannes gewesen sei, was falsch ist, und dass die monogame Einzelfamilie der Kristallkern sei, um den sich Gesellschaft und Staat angesetzt haben. Anthropologischer Ansatz, Priestertrugstheorie, Frauenfrage, monogame Einzelfamilie – das sind wohl die wichtigsten Bolzen, die die bürgerliche Aufklärung im 18. Jahrhundert geschossen hat und es wäre für die in ihrer Emanzipation begriffene Arbeiterklasse verhängnisvoll, die heute ihren Kindern mit Ausnahme der Priestertrugstheorie(!) (in dieser Frage liegt noch eine mittelalterliche Weltsicht zugrunde) in den Schulen eingeimpfte bürgerliche Ideologie als das letzte Wort der Gesellschaftswissenschaften zu nehmen. Nein, die Frage, warum 2022 nach unserer Zeitrechnung erwachsene Menschen guten Glaubens wie Schafe in den Kirchenschiffen blöken, ist anders zu beantworten: “Der religiöse Widerschein der wirklichen Welt kann überhaupt nur verschwinden, sobald die Verhältnisse des praktischen Werkeltagslebens den Menschen tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur darstellen“ (Karl Marx, Das Kapital, Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1960,94).  

Daran arbeitet die arbeitende Menschheit und die von der imperialistischen Bourgeoisie angehäufte Krisenpluralität kann nur durch eine proletarische Revolution in den Orkus der Weltgeschichte gerissen werden, so dass im Produktionsprozess unserer Lebensgüter tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur bestehen, also das totale Gegenteil der jetzigen gesellschaftlichen Situation, in der keine einzige Krise gelöst werden kann. Krisenverschleppung und Täuschung der Volksmassen – zu mehr reicht es bei den auf einem absteigenden Ast sitzenden Kleinbürgern und Großbürgern potentiell nicht mehr. Gegen die immanenten Widersprüche der spätbürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft ist kein grünes Dämpfungskraut gewachsen. Im Gegenteil, diese Widersprüche vibrieren, rasen ununterbrochen und müssen sich zusehends verschärfen, schneller und schneller, alles andere ist religiöser Wunderglaube.  Und der Zusammenbruch einer Gesellschaft, die nur den Erwerb von Reichtum auf ihre Fahnen geschrieben hat, muss an ihrer eigenen Vernichtung arbeiten, was schon Lewis Henry Morgan, seines Zeichens materialistischer Ethnologe, Archäologe und Historiker, eine Koryphäe auf jedem dieser Gebiete, festgestellt hatte. In seinem 1877 publizierten Hauptwerk ‘Ancient Society‘ hatte er den Gedanken geäußert, dass die Jagd nach Reichtum nicht die Endbestimmung der Menschheit sein könne. Die bürgerliche Gesellschaft enthält nach Morgan die Elemente ihrer eigenen Vernichtung in sich. Wir fügen noch hinzu: Wer dies nicht erkennt, wird mit ihr untergehen. Die Bourgeoisie und ihr im Bundestag vertretener Parteienschwanz ist bereits unter Wasser und schnappt nach Luft. Wir stehen kurz vor der weltgeschichtlichen Einlösung der Gedanken Morgans und daran mitzuarbeiten, dass die völlige Vernichtung der Bourgeoisie (Lenin) die alleinige Bedingung ist für die Weiterexistenz der Menschheit ohne religiöses Brimborium, das ist die heilige Aufgabe nicht der Christenheit, sondern des internationalen revolutionären Proletariats. Nur die weltweite Einheit der immer mehr verelenden Arbeiterklassen unter sich und mit der großen Masse der immer ärmer werdenden Bauern kann heute die Menschheit vor der Vernichtung durch die Parasiten verhindern, andere gesellschaftliche Kräfte gibt es nicht und kann es nicht geben. Andere gesellschaftliche Kräfte sind verwandt und verschwägert mit dem Parasitenpack, zu dem auch die Pfaffen gehören.

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Über den Autor:

Heinz Ahlreip, geb. am 28.2.1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse. Ahlreip arbeitete als Lagerarbeiter u. a. bei Continental in Hannover und bis zum Rentenbeginn als Gärtner für Museumsstätten und Friedhöfe.

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