Proteste zur Kieler Woche

Ak­ti­vis­t*in­nen auf der Kieler Woche: Protest gegen „familienfreundliche“ Präsentation von Kriegsgerät der Marine Foto: Esther Geisslinger
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Kiel, Samstag 21. Juni – Ein Aufschrei gegen den Krieg: Während die Bundesmarine zur Kieler Woche Kriegsschiffe zur Schau stellt, setzt die Aktionsgruppe „NO PEACE. NO CLIMATE JUSTICE“ ein Zeichen des Widerstands.

Am Eingang des Marinestützpunkts, wo das sogenannte „Open Ship“ mit martialischem Gerät Besucher lockt, hängen Aktivisten in den Kronen zweier Bäume. Hoch über den Köpfen der Passanten schwenken Transparente im Wind: „Organisiert euch gegen Klimakrise und Aufrüstung“ steht auf einem davon, ein anderes zeigt ein zerbrochenes Gewehr – Symbol für den Widerstand gegen Krieg und Zerstörung.

Parallel dazu näherten sich andere Aktivisten in Kanus und Kajaks der Fregatte „Bayern“ – einem Kriegsgerät, das für weltweite Machtdemonstration und Ressourcenkriege steht. Sie markierten das Schiff mit auffälliger Farbe, ein unmissverständlicher Hinweis: Kriegslogik und Klimagerechtigkeit sind unvereinbar.

Die Botschaft der Gruppe ist klar und kämpferisch: Krieg ist der größte Klimakiller. Während die Welt brennt und Menschen an den Folgen der Klimakrise leiden, verschlingen Militärbudgets Milliarden. Die globale Aufrüstung verschärft soziale Ungleichheit, vergiftet das Klima und treibt Millionen in Flucht und Elend.

Doch statt Abrüstung und sozial-ökologischer Transformation setzt die Bundesregierung auf mehr Waffen, mehr Rüstung, mehr NATO. Für „NO PEACE. NO CLIMATE JUSTICE“ ist das ein Skandal: „Die Kriegsschiffe zur Kieler Woche sind keine Attraktion – sie sind Ausdruck einer mörderischen Politik. Wer Frieden will, muss Aufrüstung stoppen.“

Die B ullen* – wie gewohnt auf Seiten des Systems – beendete die Aktion, räumte die Bäume, und kriminalisierte damit den legitimen Protest. Doch der Widerstand lebt. Die Aktivisten kündigen weitere Aktionen an.

Keine Klimagerechtigkeit ohne Antimilitarismus! Keine Zukunft im Schatten von Kanonen!
No Peace. No Climate Justice. – Der Protest geht weiter!

„Es ist völlig absurd, dass hier gefeiert wird, als wäre nichts“, erklärt Tom, ein Sprecher der Aktionsgruppe gegenüber der taz. „Die Stadt Kiel bemühe sich um ein friedliches Image, doch gingen Waffenexporte und Einsätze der deutschen Marine von der Stadt aus in die Welt“, kritisiert die Gruppe.

Marinestützpunkt Kiel-Wik: Am Eingang zum Stützpunkt protestierten Aktivisten gegen Aufrüstung und für Klimagerechtigkeit.

In ihrer Pressemitteilung begründet die Gruppe ihre Aktion:

„Es ist völlig absurd, dass hier gefeiert wird als wäre nichts. Aufgrund der zahllosen, weltweiten Konflikte haben dieses Jahr mehr als die Hälfte der angekündigten Schiffe abgesagt. Einige sind direkt auf dem Weg in Kriegsregionen, andere unterstützen aus der Ferne, lenken Waffen oder teilen Informationen, während sie hier friedlich im Hafen zu liegen scheinen.“, erläutert Tom F.
„Von Kiel in die Welt“, heißt es im Motto der Kieler Woche. Das internationale Segelsportereignis ist gleichzeitig eines der größten Feste Nordeuropas. Die Stadt bemüht sich um ein friedliches Image, doch von hier gehen ebenso umfangreiche Waffenexporte und die Einsätze der Deutschen Marine in die Welt. Bevor die Fregatte „Bayern“ am NATO-Manöver „Baltic Operations“ (BALTOPS) teilgenommen hat, war sie in den Gewässern Ostasiens präsent. Solche Einsätze erfolgen, ebenso wie die Waffenexporte Deutschlands, aus geostrategischen Interessen. Gleichzeitig werden Waffen aus Deutschland bereits aktiv in diversen Kriegen eingesetzt. Die Rüstungsindustrie hat in Kiel einen festen Platz

„Die hier zur Schau gestellten und gefeierten Schiffe zu bauen und zu unterhalten verbraucht eine Unmenge an Ressourcen. Nun sollen weitere, hunderte von Milliarden Euro allein in die Aufrüstung der Bundeswehr gesteckt werden. In sozialen Bereichen finden dagegen massive Kürzungen statt: Gelder für Bildung, benachteiligte Menschen und auch für das Klima werden gestrichen“, sagt Lara T., die an der Aktion beteiligt ist.

Für die Bundeswehr ist das „Open Ship“ daher eine wichtige Werbeveranstaltung. Alljährlich kann hier der Flottenverband des NATO-Manövers „Baltic Operations“ (BALTOPS) besichtigt werden, der zur Kieler Woche einläuft. Das „Camp Marine“ richtet sich, als weiterer Programmpunkt, gezielt an Schüler*innen ab der 8. Klasse, um diese für den Dienst an der Waffe zu gewinnen.

Foto: No Peace. No Climate Justice

„Die Bundeswehr weitet ihre Werbekampagnen für Kinder und Jugendliche immer weiter aus und in rasantem Tempo droht die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Wir sollen dazu gezwungen werden, mit der Waffe andere Menschen zu bedrohen, verletzen und zu töten. Das macht mir große Angst.“, meint Aktivist Tom F.

Die Kieler Woche bot Politik, Wirtschaft und Militär schon immer einen Ort der Vernetzung. Heute laden einzelne Schiffe der NATO-Flotte zu Empfängen. An Land finden Veranstaltungen zu sicherheits- und wirtschaftspolitischen Fragen statt. Dass eine stärkere Bundeswehr und eine Steigerung der Waffenproduktion, für die sich dort häufig ausgesprochen wird, die Sicherheit in der Welt erhöhen würden, denken die Aktivist*innen nicht.

„Die Klimakrise ist weiterhin eine weltweite Bedrohung für uns alle und sie wird Konflikte um natürliche Ressourcen in Zukunft noch weiter anheizen. Da kann die Lösung doch nicht sein, einfach immer mehr Waffen zu produzieren und immer mehr Tote in Kauf zu nehmen.“, so Lara T. Die sogenannte ‚Abschreckungspolitik‘ im Kalten Krieg habe schon einmal zu einer immensen wechselseitigen Aufrüstung geführt, bis hin zum drohenden Atomkrieg. Was es stattdessen brauche, seien Verhandlungen, um die Kriege zu beenden und internationale Sicherheitskonzepte, die zukünftige Kriege jenseits von Aufrüstung verhindern. Lara schließt mit den Worten:

„Frieden braucht soziale- und Klimagerechtigkeit – deshalb müssen wir auch in Zeiten wie diesen weiter für eine solidarische Zukunft streiten. In der kein Mensch seine Heimat wegen Krieg oder Folgen der Klimakrise verlassen muss!“ (Ende der Presseerklärung)

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Ich unterstütze und befürworte solche Aktionen, muss aber auch immer wieder feststellen, wie naiv und inkonsequent viele dieser Aktivisten agieren – vor allem die, die dem akademischen Kleinbürgertum entstammen. Sie analysieren die Symptome des imperialistischen Weltsystems oft präzise: die Kriege um Rohstoffe, die brutale Sicherung militärischer Einflusszonen, die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte im globalen Süden – all das wird korrekt benannt und skandalisiert.

Doch wenn es um die Ursachen dieser Verhältnisse geht, bleibt es – wie auch jetzt wieder in Kiel – bei moralischen Appellen und allgemeinen Floskeln „gegen das Kapital“. Gemeint ist damit oft ein vages „System“ oder eine „Kultur der Gier“, nicht aber die real existierende herrschende Klasse – die Bourgeoisie, deren Macht auf dem Eigentum an Produktionsmitteln, auf der Ausbeutung der Arbeitskraft und auf der militärisch abgesicherten Weltmarktdominanz beruht.

Was fehlt, ist die konsequente Klassenanalyse – und daraus abgeleitet: Klassenkampf. Wer die Aufrüstung und den ökologischen Kollaps ernsthaft bekämpfen will, darf sich nicht mit symbolischen Aktionen begnügen. Er muss den Zusammenhang zwischen Militarismus und Kapitalismus begreifen – nicht als moralisches Versagen, sondern als strukturelle Notwendigkeit eines Systems, das Profite über das Leben stellt. Der Imperialismus, wie Lenin ihn analysierte, ist die höchste und letzte Phase des Kapitalismus: Die Monopole verschmelzen mit dem Staat, das Kapital wird global, und Krieg wird zur permanenten Option zur Sicherung von Absatzmärkten, Ressourcen und Einflusszonen.

Dass die Bundeswehr zur Kieler Woche Kriegsschiffe präsentiert und die NATO überall aufrüstet, ist kein Irrweg, sondern Teil einer bewusst geführten Strategie zur Neuaufteilung der Welt. Auch der Kampf gegen die Klimakrise muss ein Kampf gegen den Imperialismus sein – und dieser wiederum muss mit der revolutionären Überwindung des Kapitalismus verbunden werden. Wer das nicht erkennt, bleibt harmlos – ein Störfaktor, aber keine Bedrohung für die Macht der Kapitalisten.

Daher: Meine Solidarität gilt den mutigen Aktivisten, unsere Kritik aber ihrem fehlenden Klassenstandpunkt. Nur wenn sich Umweltbewegung, Friedensbewegung und Arbeiterbewegung vereinen, kann aus Protest eine revolutionäre Kraft werden. Der Feind ist nicht nur „die Gier“, sondern eine globale Klasse mit Namen, Adressen, Panzerfabriken und Profitinteressen.

Kampf dem Imperialismus!
Für Klimagerechtigkeit, Sozialismus und Frieden – weltweit!

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Über den Autor:
  Fiete Jensen, geboren 1954 in Kiel, stammt aus einer Arbeiterfamilie. Geprägt von seinem Elternhaus und besonders durch den Einfluss seiner Großmutter, entwickelte er schon früh ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und politisches Bewusstsein. Nach seiner Ausbildung zum Tischler engagierte er sich als Jugendvertreter, Betriebsrat und in der Gewerkschaft – wurde Mitglied der Roten Garde und später der KPD/ML.
  Jensen arbeitete in verschiedenen Handwerksberufen und war über Jahrzehnte hinweg als Arbeiterjournalist, Redakteur, Pressefotograf und in der außerschulischen Jugendbildung aktiv. Heute ist er im (Un)Ruhestand weiterhin publizistisch tätig – als Autor zahlreicher Beiträge aus klassenbewusster, marxistisch-leninistischer Perspektive sowie als Redakteur des Roten Morgen, dessen Leitung er 2021 übernommen hat.

Hinweis:
Kolumnen spiegeln die persönliche Meinung der Autorinnen und Autoren wider und müssen nicht in allen Punkten mit der Sicht der Redaktion übereinstimmen. Für den Inhalt sind allein die Verfasser verantwortlich.

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1 Kommentar

  1. Der Kapitalismus in seinem Lauf braucht (beruht auf) Gier und Dummheit, sowohl als auch:
    Die Gier in Form eines grenzenlosen Wachstums von Bedürfnissen bzgl. Konsum und Unterhaltung unter einer „Kultur von Einschaltquoten“…
    Die Dummheit in Form einer allzu verinnerlichten Bewertung von Fakten und von Wissen, wie hoch der Wissensstand auch immer sein mag.
    – Beispielsweise zur „Rettung des Klimas“ als eine perfekte Geschäftsidee:
    Wenn es dann nicht mehr wärmer werden sollte, so waren es die „Maßnahmen“. Wenn nicht, so müssen sie noch verstärkt werden. Egal, was passiert, die „Maßnahmen“ sind immer korrekt. PERFEKT!
    – Oder auch in Form einer ständigen EU- Osterweiterung unter dem ideologischen Banner, dass an liberalen westlichen Werten die Welt zu genesen habe, hin dann zur Generierung von neuen Absatzmärkten und Billiglöhnern via Förderung/Inszenierung von „bunten Revolutionen“ (bis in zur Provoziering / Inszenierung von Angriffskriegen zum Regime Change von nicht genehmen Autokraten …)
    Fazit:
    Der Kapitalismus in seinem Lauf braucht Alternativen, sowohl als auch: In Form einer multipolaren Welt mit den Werten einer friedlichen Koexistenz, unter der „Praxis als Kriterium der Wahrheit“ (frei nach Karl Marx, Lenin), für konkurrierende Vorstellungen und Ideen auf der Suche nach einer friedlicheren und sozial gerechteren Welt. Hin zu einer Welt, in der beispielsweise auch „ein Kuba“ seinen gleichberechtigten Platz hat, frei von Sanktionen!

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