Redaktion – 22. Dezember 2024
Kein Land der Welt erlebte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts so viele revolutionäre Umwälzungen wie Russland. Von 1905 bis 1930 durchlebten die sowjetischen Völker vier einschneidende Revolutionen, die tiefgreifende gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Veränderungen mit sich brachten. Der historische Fortschritt Russlands hob sich besonders in der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 hervor, während kapitalistische Staaten in eine tiefe Rezession stürzten.
Die Kommunisten der Sowjetunion hatten gerade die Kollektivierung der Landwirtschaft abgeschlossen, als eine Weltwirtschaftskrise ausbrach, die weltweit Millionen Menschen an den Rand des Existenzminimums brachte. Dabei ist „Weltwirtschaftskrise“ ein ungenauer Begriff, da er zwei wesentliche Aspekte ausblendet: erstens die parallel verlaufende Agrarkrise, die besonders hart zuschlug, und zweitens, dass ein Sechstel der Erdoberfläche – die Sowjetunion – von dieser Krise verschont blieb1.
Die vier russischen Revolutionen veränderten die Welt grundlegend:
- Die Revolution von 1905 weckte „politisch schlafende“ Völker, wie das Beispiel Persiens zeigt2.
- Die bürgerliche Februarrevolution 1917 führte zu Chaos und Orientierungslosigkeit unter den russischen Völkern, da die Bourgeoisie unfähig war, eine tragfähige Perspektive zu bieten3.
- Die Oktoberrevolution 1917 transformierte Russland in einen Vorreiter des gesellschaftlichen Fortschritts. Europa wurde umgekehrt: Aus dem vormals reaktionären Russland, dem Bollwerk der Konterrevolution, wurde ein progressiver Staat, während das zuvor fortschrittliche Westeuropa in Reaktion verfiel. Die sozialen Errungenschaften waren beachtlich: Frieden für die Soldaten, Land für die Bauern, Macht für die Arbeiter, Frauenwahlrecht, Freiheit antireligiöser Propaganda und die Förderung von Bildung und Alphabetisierung4.
- Schließlich folgte die vierte Revolution: die Kollektivierung der Landwirtschaft, eine von oben initiierte und zugleich von unten durchgeführte Umwälzung. Die Kulaken als „Bollwerk der kapitalistischen Restauration“ wurden enteignet, während Millionen arme Bauern zu wohlhabenden Kollektivbauern wurden.1
Die Revolution von 1905
Auslöser der Revolution von 1905 war die Niederlage Russlands im Krieg gegen Japan 1904, die den Hunger und Unzufriedenheit des Volkes verstärkte. Der „Blutsonntag“ am 22. Januar 1905, bei dem die Palastwache friedliche Demonstranten erschoss, brachte das Fass zum Überlaufen. Im ganzen Land kam es zu Streiks und Protesten. Die Revolution entwickelte neue Organisationsformen, darunter den ersten Arbeiter-Sowjet in Iwanowo-Wosnessensk. Die Bauern entzündeten Gutsbesitze und verteilten Getreidevorräte. Sogar in der Armee kam es zu Aufständen, wie auf dem Panzerkreuzer Potemkin.
Im Dezember 1905 gipfelte die Revolution in einem bewaffneten Aufstand in Moskau. Doch ohne Unterstützung der Garnison blieb der Generalstreik erfolglos.
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Die Februarrevolution 1917
Die Februarrevolution begann mit Arbeiterstreiks und Massendemonstrationen, die schließlich zum Sturz des Zaren führten. In ihren ersten Tagen entstanden erneut Sowjets, darunter erstmals Soldatensowjets. Die Doppelherrschaft zwischen Sowjets und der bürgerlichen Provisorischen Regierung führte zu Spannungen. Die Bolschewiki gewannen zunehmend an Einfluss und bereiteten den Boden für die sozialistische Oktoberrevolution.
Lenins Aprilthesen prägten die politische Richtung und zielten auf die Umwandlung der bürgerlichen Demokratie in eine sozialistische Räterepublik. „Alle Macht den Sowjets“ wurde zum zentralen Slogan der Bolschewiki.
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Die Oktoberrevolution 1917
Am 25. Oktober 1917 (7. November nach gregorianischem Kalender) übernahmen die Bolschewiki die Macht. Der Rat der Volkskommissare setzte weitreichende Reformen um: Enteignung des Großgrundbesitzes, Einführung von Arbeiterräten, Gleichstellung unehelicher Kinder und Legalisierung der Homosexualität. Der US-amerikanische Journalist John Reed schrieb: „Ganz Russland lernt lesen.“
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Die Kollektivierung der Landwirtschaft
Die vierte Revolution war eine doppelte: von oben durch die Staatsmacht und von unten durch klassenkämpferische Aktionen der Bauern. Produktionsmittel gelangten in die Hände vereinter Bauern. Während die kapitalistische Weltwirtschaft Ende der 1930er Jahre kaum das Vorkriegsniveau erreichte, verzeichnete die Sowjetunion beeindruckende Produktionssteigerungen.
Die Bedeutung der russischen Revolutionen für den Fortschritt des 20. Jahrhunderts bleibt unbestreitbar. Sie veränderten nicht nur Russland, sondern beeinflussten die gesamte Weltpolitik nachhaltig.
- Vergleiche Geschichte der KPdSU (B), Der Weg zur Partei Nr. 9, Arbeitsgruppe Der Weg zur Partei, Hamburg, 2024, Seite 417.
- Vergleiche a.a.O., Seite 76.
- a.a.O., Seite 220.
- Vergleiche a.a.O., Seite 397.
Anhang: Revolutionen in anderen Ländern
Die revolutionären Umwälzungen in Russland waren kein isoliertes Phänomen, sondern spiegelten globale Entwicklungen wider, die auch andere Länder erschütterten. Besonders auffällig sind die Parallelen zur deutschen Revolution, die ebenfalls entscheidend für den gesellschaftlichen Fortschritt im frühen 20. Jahrhundert war.
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Die deutsche Revolution von 1918/19
Die deutsche Revolution von 1918/19 war eine direkte Folge der militärischen Niederlage im Ersten Weltkrieg. Ähnlich wie die Februarrevolution in Russland begann sie mit Massendemonstrationen und Streiks, wobei der Kieler Matrosenaufstand einen entscheidenden Impuls gaben.
Innerhalb weniger Wochen brach die Monarchie zusammen, und am 9. November 1918 wurde die Republik ausgerufen. Gleichzeitig entstanden Arbeiter- und Soldatenräte, die, wie in Russland, eine Doppelherrschaft einleiteten. Doch anders als in Russland gelang es in Deutschland nicht, die revolutionären Kräfte dauerhaft zu vereinen. Die Arbeiter- und Soldatenräte dankten schon im Dezember 1918 auf einem Rätekongress mit 344 gegen 98 Stimmen zu Gunsten eines bürgerlich-parlamentarischen Regimes ab. Die SPD hatte sich auf die Seite des Kapitals geschlagen und verwaltete von nun an deren Interessen im Staat. Kommunisten und Anarchisten wurden verfolgt und eingekerkert und ermordet.
Trotz ihres Scheiterns hinterließ die Revolution wichtige Errungenschaften:
- Einführung des Achtstundentags
- Abschaffung der Monarchie
- Einrichtung einer demokratischen Verfassung, die 1919 in Weimar verabschiedet wurde.
Revolutionen in anderen Ländern
Auch in anderen Ländern des frühen 20. Jahrhunderts kam es zu revolutionären Bewegungen, die vom Beispiel Russlands inspiriert waren. Unter Anderen:
- Ungarn 1919: Nach dem Ersten Weltkrieg entstand eine kurzlebige Räterepublik unter Béla Kun, die jedoch von der Entente und reaktionären Kräften niedergeschlagen wurde.
- Albanien 1944-46: die rühmliche Ausnahme. Nach dem 2. Weltkriegt siegte die Revolution und eine Wahrhaft sozialistischer Staat wurde unter der Führung der Partei der Arbeit, errichtet. Est 1990 entartete dies unter dem Druck der kapitalistischen Nachbarländer.
- China 1925-27: Die chinesische Revolution erlebte in den 1920er Jahren eine Phase intensiver Kämpfe zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei, die in den 1940er Jahren zur sozialistischen Revolution führen sollte.
- Spanien 1936-39: Der Spanische Bürgerkrieg wurde von tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzungen begleitet, darunter die Bildung von Arbeiterräten und Kollektiven.
Parallelen und Unterschiede
Während die Revolutionen in Russland und der späteren Sowjetunion durch eine konsequente Umgestaltung der Gesellschaft gekennzeichnet waren, scheiterten viele andere Bewegungen an inneren Widersprüchen oder äußerem Druck. Dennoch sind sie Ausdruck desselben historischen Prozesses: des Kampfes um gesellschaftlichen Fortschritt und die Überwindung kapitalistischer Verhältnisse.
Die Revolutionen des frühen 20. Jahrhunderts offenbaren, dass die weltweiten Kämpfe um Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit nicht nur lokale Ereignisse waren, sondern miteinander verbundene Schritte auf dem Weg zu einer neuen Gesellschaftsordnung.
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Unser Theoretisches Organ »Der Weg zur Partei« beschäftigt sich heute in seinen Onlineausgabe noch etwas ausführlicher mit den russischen Revolutionen:
Russland: Vier Revolutionen in 25 Jahren; 1905 – 1917 – 1917 – 1929 bis 1930
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