
Name – PERSPEKTIVE»online – 13. Juli 2025
Nach der „Nakba77“-Demonstration am 15. Mai behauptete die Berliner Polizei, ein Beamter sei von Demonstrant:innen „schwer verletzt“ worden. Eine neue visuelle Untersuchung widerlegt die Behauptungen der Polizei zu diesem Vorfall und schlägt Wellen.
Am 15. Mai 2025 versammelten sich Demonstrant:innen am Südstern in Berlin-Kreuzberg zu ihrer jährlichen traditionellen Demonstration anlässlich des Nakba-Tags. Zuvor hatte es die Berliner Polizei geschafft, per Gericht ein Laufverbot für die Versammlung durchzusetzen. Auf der Kundgebung selbst kam es zu dutzenden Fällen von Polizeigewalt.
Am Abend nach der Demonstration teilte die Berliner Polizei dann mit, dass einer der Beamten, identifiziert als Beamter BE-24111, schwer verletzt worden sei und ärztlich behandelt werden müsse. Pressesprecher der Polizei charakterisierten den Vorfall dabei als einen vorsätzlichen und gezielten Angriff gewalttätiger Demonstrant:innen, bei dem die rechte Hand des Beamten gebrochen und er an der Wirbelsäule verletzt worden sei.
Nach Darstellung der Polizei soll der Beamte in die Menge gezerrt worden sein, wo Teilnehmer:innen der Demo auf ihn eingetreten hätten. Verschiedene Medien wie die BILD und die Jüdische Allgemeine hatten auf dieser Grundlage in hetzerischer Art und Weise die Demonstration als „mordlustigen Mob“ dargestellt, die einen Polizisten beinahe „tot getrampelt“ habe.
„Alle Behauptungen durch neu verfügbare Videobeweise widerlegt”
Der Verein Forensis aus Berlin hat nun Material veröffentlicht, das diese Schilderung in Frage stellt. Die Non-Profit-Organisation spricht in ihrer Pressemitteilung sogar davon, dass „alle Behauptungen durch neu verfügbare Videobeweise widerlegt“ seien.
Forensis wurde 2021 in Berlin als gemeinnütziger Verein gegründet und arbeitet investigativ für und in Zusammenarbeit mit Einzelpersonen und Gemeinschaften, die von staatlicher und ausbeuterischer Gewalt betroffen sind. Er recherchiert nach Beweisen zur Vorlage bei Gerichten, parlamentarischen Untersuchungen und kulturellen Einrichtungen. Forensis e.V. wurde von Mitgliedern der Recherche-Agentur Forensic Architecture (FA) mit Sitz in London gegründet und von dort aus geleitet.
Mittels einer 360°-Kamera hat ein unabhängiger Journalist die fragliche Situation detailliert einfangen können. Dessen Aufnahmen liegen Forensis vor und wurden auch mit dem NDR und der Süddeutschen Zeitung geteilt. Die auf dieser Grundlage vorgenommene Untersuchung und Auswertung zeigt, dass der Beamte zusammen mit anderen Beamten absichtlich in die Menge ging, um einen Demonstranten festzunehmen. Er ging daraufhin selbst zu Boden, um den Demonstranten zu fixieren.
Als weitere Polizeibeamt:innen eintreffen, kommt es zu einem Handgemenge, bei dem mehrere Demonstrant:innenen und Beamt:innen zu Boden gehen. In der Folge ist der Beamte mit der Rückennummer 24111 zu sehen, wie er wiederholt Demonstrant:innen auf den Kopf und ins Gesicht schlägt und eine Person zu Boden tritt.
Laut Forensis bestätige das Videomaterial die Aussage der Berliner Polizei, dass der Beamte 24111 bei dem fraglichen Vorfall tatsächlich eine Verletzung an der rechten Hand erlitten hat. Nach Einschätzung des Vereins, die sich auf das Videobeweismaterial stützt, sei die Verletzung des Beamten jedoch höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass er wiederholt seinerseits Demonstrant:innen gegen den Kopf geschlagen hat: Auf dem Material sei zu sehen, wie er mehrere Schläge ausführte, von denen jeder den Kopf oder das Gesicht einer Person aus der Demonstration in der Nähe getroffen habe. Sein Verhalten nach diesem Geschehnis deute dann tatsächlich auf eine Verletzung seiner rechten Hand hin: Er habe seinen rechten Arm dicht an die Brust gehalten, sich schützend hinter seine Kolleg:innen gestellt und sei gegen ein nahe gelegenes Auto gestolpert.
Vom Polizeisprecher bis zum Innenminister
Bezugnehmend auf Berichte der Polizei und die Erstmeldungen in der Presse wiederholte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) im Bundestag die dort aufgestellten Behauptungen und deutete an, dass dieser Vorfall auf die Notwendigkeit neuer polizeilicher Befugnisse verweise:
„Ein Beamter wurde bei einer ‚Anti-Israel-Demo‘ in Berlin von aggressiven Demonstranten in eine Menschenmenge gezerrt und dort schwer verletzt (…) Die Polizei, unsere Sicherheitsbehörden, brauchen die bestmögliche Ausstattung und entsprechende Befugnisse (…) Das werden wir auch im Gesetz deutlich machen”.
Es ist offensichtlich, dass die Behauptungen der Berliner Polizei in den politischen Diskurs auf höchster Ebene eingeflossen sind, die möglicherweise zu weiteren Einschränkungen von Grundfreiheiten und Verfassungsrechten führen können. Diese Forderungen beruhten jedoch laut Forensis auf Falschaussagen der Berliner Polizei.
Ein Sprecher von Forensis zieht als erstes Fazit: „Unsere Untersuchung liefert wichtige Beweise dafür, dass ein Polizeibeamter unverhältnismäßige und ungerechtfertigte Gewalt gegen Demonstrant:innen angewandt hat, und wirft Fragen darüber auf, wie diese Geschichte in den nachfolgenden Erklärungen der Polizei so eindeutig falsch dargestellt wurde. Die Tatsache, dass diese Polizeiberichte ungeprüft weitergegeben wurden, zeigt auch, dass es an einer soliden, kritischen Medienberichterstattung mangelt. Dies ist sehr bedenklich, wenn die von der Polizei vertretenen Darstellungen anschließend dazu benutzt werden, Forderungen nach weiteren Einschränkungen des Rechts auf Protest in Deutschland zu rechtfertigen.“
Und Alexander Gorski, Rechtsanwalt beim European Legal Support Center, kommentiert: „Der Umgang mit der diesjährigen Nabka-Demonstration in Berlin zeigt einmal mehr, dass die Versammlungs- und Meinungsfreiheit der pro-palästinensischen Bewegung massiv beschnitten wird. Die Polizeigewalt bei dieser Kundgebung ist ein weiterer Beleg dafür, dass die deutsche Staatsräson notfalls auch mit Gewalt gegen friedliche Demonstrationen durchgesetzt wird.“
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Erstveröffentlichung am 12. Juli 2025 auf »PERSPEKTIVE>>«. Wir danken den Genossinnen und Genossen von »Perspektive« für ihre gute Arbeit und der Genehmigung der Weiterveröffentlichung. Bilder und Bilduntertexte wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.
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Zum Thema Gendern: Das in Mode gekommene »Gendern« und die damit einhergehende Sexualisierung der Sprache widersprechen der marxistischen Erkenntnistheorie, nach der das Sein das Bewusstsein prägt – nicht das Geschlecht. Auch in der traditionellen deutschen Sprache steht nicht das Geschlecht im Vordergrund, sondern der Mensch. Aus diesem Grund gendern wir nicht, respektieren jedoch den Willen anderer, dies in ihren Texten zu tun, die wir daher nicht verändern. Mehr dazu könnt ihr hier nachlesen.
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