Plädoyer für das Stürzen zu verehrender „Größen“ vom Sockel der Geschichte.

In Bristol reßen Demonstranten die Statue eines Sklavenhändlers vom Sockel. Bild YouTube

Heinz Michael Vilsmeier – 29. Juni 2020

Manche sagen, man dürfe Denkmäler, die im öffentlichen Raum an imperiale Eroberer, Kolonialisten, Sklavenhalter und Verantwortliche von Genoziden erinnern, nicht vom Sockel stoßen, weil man dann auch die Werke von Geistesgrößen wie Marx oder Goethe, die nicht frei von Rassismen gewesen sein sollen, verbrennen müsse… Das sehe ich anders!

Es ist ein Unterschied, ob es um Bücher oder Denkmäler geht, die den öffentlichen Raum bestimmen, wo sie zum ehrenden Gedächtnis aufgestellt sind. Gedachtes und Geschriebenes, ebenso wie Taten, sind konstitutive Elemente der historischen Wirklichkeit, zu denen man sich rückblickend und im Lichte neuer Erkenntnisse kritisch positionieren kann und auch muss. Das betrifft natürlich auch historische Persönlichkeiten.

Emancipation Memorial in Lincoln Park, Washington, D.C. Bild: Juri free

Nichts und niemand ist sakrosankt! – Thomas Jefferson beispielsweise, einer der Gründerväter der USA, war sowohl gegen die Sklaverei, wie auch gegen deren Abschaffung. Zu seinem Besitz gehörten viele Hunderte schwarze Menschen, denen es nicht besser ging, als vielen anderen Sklaven anderer Sklavenhalter. Eine junge Frau hielt er sich zu seiner persönlichen Lustbefriedigung. Wieso ist es schwer zu verstehen, dass die Nachfahren dieser Sklaven die Statue eines solchen Menschen nicht als Denkmal sehen wollen? Sie als Bilderstürmer zu diffamieren, ist eine Respektlosigkeit!

Nach ‘45 bekamen, zurecht, Adolf-Hitler-Straßen und -Plätze ihre alten Namen wieder, Hakenkreuze und Reichsadler wurden entfernt und Hitlerbüsten zerschlagen. – Geschichtsbewusstsein geht auch ohne Denkmäler von Massenmördern, Sklavenhaltern und anderen Verbrechern und ohne Symbole der Unterwerfung und Auslöschung ganzer Bevölkerungen. Sie stehen zu lassen, ist nicht Ausdruck kritischen Geschichtsbewusstseins, sondern des Gegenteils.

Auch die Umstände der Entstehung eines Denkmals können sehr wohl Gründe sein, weswegen man darüber nachdenken sollte, ein Denkmal zu beseitigen. Beispiel hierfür ist das Freedman‘s Memorial, das Lincoln in paternalistischer Haltung mit Archer Alexander, einem ehemaligen afroamerikanischen Sklaven, zeigt. – Trump ist natürlich dagegen…

.
Für den Inhalt dieses Artikels ist der Autor bzw. die Autorin verantwortlich.

Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.

.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*