Notizen zur materialistischen Dialektik

Volkskorrespondenz zum Wochenede
Heinz Ahlreip – 18. Juli 2025

Heinz Ahlreip

Oft behaupten Gegner des Materialismus und des Marxismus-Leninismus, dieser sei im Grunde gar nicht materialistisch. Sie unterstellen, dass die Kritik des Kapitalismus, wie sie Marx, Engels und Lenin formuliert haben, in Wirklichkeit von Hegels idealistischer Dialektik ausgehe. Alles, so meinen sie, habe seinen Ursprung in Hegels Denken. Diese Ansicht vertrat zum Beispiel der deutsche Professor Eugen Dühring gegenüber Marx und Engels sowie der russische Schriftsteller N. Michailowski gegenüber Lenin. Doch diese Behauptung ist falsch.

Es muss festgestellt werden, dass Marx nur den tatsächlichen Klassenkampfverlauf herausarbeitete und notierte. Er ging niemals von irgendeiner idealistischen philosophischen Konstellation aus, sondern von historischen Tatsachen, die es nach Maßgabe des Manifestes der Kommunistischen Partei nüchtern zu betrachten galt. So kam es dann natürlich nicht selten vor, dass die materialistischen Forschungsergebnisse dialektischen Entwicklungsgesetzen entsprachen und dass die Entwicklungsausgestaltung zum Beispiel einer ökonomischen Gesellschaftsformation Formen der Hegelschen Trias annahmen: Affirmation – Negation – Negation der Negation.

In den Makrozügen der Weltgeschichte ebenfalls die Trias: Urgesellschaft – die noch mit animalischen Verhaltensweisen versehene Vorgeschichte der Menschheit, als die von Klassenkämpfen, kapitalistische Vergesellschaftung der Arbeit. Und wie in der materiellen Produktion, so auch in der geistigen Entwicklung des Überbaus, in den ideologischen Formen: naturwüchsiger Materialismus, dann die dunklen Jahrhunderte mit den schwarzen Wolken der platonisch-christlichen Leibfeindschaft, fast kongruent mit der Leibeigenschaft gehend, sodann der wissenschaftliche Materialismus.

Es steht für den wissenschaftlichen Materialismus außer Frage, den historischen Prozess richtig und exakt darstellen zu müssen.1 Ausgangspunkt im Materialismus kann niemals die Philosophie sein, der Philosoph Ludwig Feuerbach betont ausdrücklich, es habe eine Natur vor der Philosophie gegeben. Ausgangspunkt des Marxismus ist die materialistische dialektische Logik. „Der Marxismus, das heißt die dialektische Logik…“2 Das ist eine Fundstelle, eine Perle, ein Merksatz. Wir finden diesen sehr aufschlussreichen und nur selten vernommenen Satz am 25. Januar 1921 in der Schrift gegen Bucharin und Trotzki während der sowjetischen Gewerkschaftsdebatte Anfang der 20er Jahre.

Abzugrenzen ist der Marxismus von der trockenen formallogischen beziehungsweise von der scholastischen Logik, die zu starr sind, um die Entwicklungsprozesse der Natur, der Gesellschaft und des Denkens richtig widerzuspiegeln. Abzugrenzen ist der Marxismus auch vom Subjektivismus, vom Skeptizismus und von der Sophistik, die das Absolute ausschließen, während die objektive Logik das Absolute einschließt: Die Menschen und die Wissenschaften sind in ihren Erkenntnissen grenzenlos. Weiter. Der ganzen menschlichen Erkenntnis ist Dialektik eigen. Die Dialektik ist eben die Erkenntnistheorie sowohl Hegels als auch des Marxismus.3

Bucharin führte die Gewerkschaftsdebatte 1920/21 nicht dialektisch, sondern verfing sich in einem formalen und scholastischen Eklektizismus. Er ersetzte die materialistische Dialektik durch Eklektizismus. Nach seiner Auffassung waren die Gewerkschaften sowohl ein technisch-administrativer Apparat, so stimmte er Trotzki zu, als auch eine Schule des Kommunismus, so stimmte er Sinowjew zu. Sowohl als auch – das ist ein Erkennungszeichen für eine eklektische Position in der Argumentation.

Es kann keine liberal-sozialistische Gesellschaftsformation geben. Entweder Sozialismus oder imperialistische Barbarei. Auf letztere stellt die Bourgeoisie bei aller demokratischen Schönrednerei die Weichen. Zwar ist positiv, dass sich das Proletariat aus allen Klassen der Gesellschaft rekrutiert, aber es legt sich dadurch auch eine dicke Schicht von Semirevolutionären bei aller sozialistischen Schönrednerei schützend vor die Barbaren. Erst muss die Mitte zerschmettert werden, sodann der im eigenen Land stehende Hauptfeind.

* = (der Semi-Revulutionäre)
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Vergleiche:

  1. Lenin: Was sind die ‘Volkfreunde‘ und wie kämpfen sie gegen die Sozialdemokraten?, Werke, Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 156.


  2. Lenin: Noch einmal über die Gewerkschaften und die Fehler Bucharins und Trotzkis, Werke, Band 32, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 86.

  3. Lenin: Zur Frage der Dialektik, in: Lenin, Über Hegelsche Dialektik, Reclam Verlag Leipzig, 1985, Seite 45.

 

Über den Autor:
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse. Ahlreip arbeitete als Lagerarbeiter u. a. bei Continental in Hannover und bis zum Rentenbeginn als Gärtner für Museumsstätten und Friedhöfe.

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