„No Justice! No Peace!“: Internationaler Tag gegen Polizeigewalt in Berlin

Lara Loyalka – PERSPEKTIVE»online – 16. März 2025

Am 15. März war der Internationale Tag gegen Polizeigewalt. In Berlin fand zu diesem Anlass eine Kundgebung am Leopoldplatz statt. Die Beiträge befassten sich mit rassistischen Polizeikontrollen, Schikane von armen Menschen, Polizeigewalt auf Palästina-Demonstrationen und der Frage: Was macht uns wirklich sicher?

Vergangenen Samstag versammelten sich ungefähr 200 Personen am Leopoldplatz vor dem Jobcenter in Berlin für den 15. März, den Internationalen Tag gegen Polizeigewalt. Die Gruppen Ihr seid keine Sicherheit, das Bündnis Polizei im Nacken – Kniefixierung verbieten! und die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) hatten zu einer Kundgebung aufgerufen.

Die Frauenorganisation Zora begann ihre Rede mit einer eindrücklichen Schilderung:
„Ich verlasse das Haus, ich schaue mich um. Blaulicht, Sirenen, Polizeiauto. Ich verspüre ein Gefühl, Unsicherheit, Angst. Bloß nicht auffallen, Kapuze auf, damit sie mein Kopftuch nicht sehen, soll ich meine Kuffiyeh abnehmen?
Ich schaue mich um. Ich zähle: eine Wanne, zwei Wannen, drei Wannen – ZEHN! Ein weiterer Tag, in der Großstadt Berlin, belagert von Bullen. Voll uniformiert, mit Helm beschmückt und mit Waffen ausgestattet. Ein. ganz. normaler. Tag.“

Auch auf der Kundgebung ist ein großes Aufgebot an Polizei. Viele Redner:innen beklagen die allgegenwärtige Präsenz von Polizei in den Kiezen, Schulen und Universitäten.

Racial Profiling: Waffen- und Messerverbotszone

Seit dem 15. Februar ist der Leopoldplatz eine sogenannte „Waffen- und Messerverbotszone”. In diesem Bereich ist es demnach verboten, ein Messer oder eine Waffe dabei zu haben. Die Polizei darf alle Menschen in diesem Bereich ohne Anlass kontrollieren.

Dies ist ein Beispiel für die stetige Ausweitung der staatlichen Überwachung und Einschränkungen von Grundrechten im Namen vermeintlicher Sicherheit. Die Waffen- und Messerverbotszonen sind nur Symbolpolitik und öffnen die Tür für mehr rassistische Kontrollen sowie Schikane von wohnungslosen Menschen und Drogenkonsument:innen.

Die Redner:innen machten dahingehend klar: Um den Problemen im Kiez zu begegnen, brauche es nachhaltige und soziale Lösungen. Genau diesen Projekten wird jedoch die Förderung gekürzt, stattdessen wird das Geld in die Aufrüstung von Polizei und Militär gesteckt.
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Gewalt auf Palästina Demos

Ein wichtiges Thema auf der Kundgebung war die massive Polizeigewalt auf palästina-solidarischen Demos. Seit über 17 Monaten gehen Menschen unermüdlich gegen den Genozid in Gaza, gegen die israelische Besatzung, gegen die deutsche Beteiligung an diesen Verbrechen und für ein freies Palästina auf die Straße.

Die Redner:innen berichteten von gewaltsamen Festnahmen und unzähligen Vorkommnissen, in denen Menschen durch die Gewalt der Polizei das Bewusstsein verloren oder Knochenbrüche erlitten. In den meisten Fällen verweigerte die Polizei den Verletzten die sofortige und notwendige medizinische Hilfe. Die Redner:innen bezeugten auch den Einsatz von Polizeihunden, das Verdecken von Nase, Augen und Mund bei Festnahmen, das Schlagen der Festgenommenen im Polizeiwagen, die Verweigerung des Kontakts zu Erziehungsberechtigten durch die Polizei und viele weitere Formen von Polizeigewalt.

Nicht zuletzt gibt es mehrere dokumentierte Fälle von sexualisierter Gewalt durch die Polizei gegenüber den Demonstrierenden. Dies wurde noch einmal deutlich, als die Polizei mit massiver Brutalität gegen den Palästina-Block der Demonstration der Alliance of Internationalst Feminists zum 8. März vorging.

Diese Polizeigewalt gegen Demonstrierende ist Ausdruck und Kontinuität der zunehmend weitreichenden anti-palästinensischen Repression des deutschen Staats. Diese reicht von unzähligen Gerichtsverfahren über Vereinsverbote bis hin zu Abschiebungen.
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Gedenken an die Ermordeten

Gegen Ende der Kundgebung wurde es still für eine Schweigeminute. Denn die Polizei hat in Deutschland und weltweit vielen Menschen das Leben genommen. Die Initiative Copwatch Leipzig zählte im vergangenen Jahr 35 Tote im Polizeikontext. An diese zu erinnern, Aufklärung und Gerechtigkeit zu fordern, war ein zentrales Anliegen der Kundgebung.

Polizeigewalt richtet sich in erster Linie gegen Menschen in den prekärsten Lebenssituationen: Gefährdet sind besonders ​​​​​​​Betroffene von Rassismus, Menschen, die durch Aufenthaltsrecht ausgegrenzt werden, Menschen in psychischen Krisen und Menschen in Armut. Das sind auch in der Regel diejenigen Menschen in unserer Gesellschaft, die keine starke Lobby und kaum Ressourcen haben, sich laut und deutlich gegen das Unrecht zu wehren. Polizist:innen wissen das. Sie wissen, dass sie faktisch nahezu straffrei handeln können und weiter im Dienst bleiben und ihr Gehalt beziehen, während die Betroffenen mit bürokratischer Schikane mürbe gemacht werden.​​​​​​​

Zu diesem Anlass wurde auf der Kundgebung ein starkes Grußwort von der Initiative 2. Mai abgespielt. Es erinnerte an ihren fröhlichen und geselligen Freund Ante P.. Sie prangerte an, wie der 47-jährige in einer psychischen Krise von Beamten auf dem Mannheimer Marktplatz geschlagen, gewaltsam fixiert und getötet wurde.

Auch wurde an Kupa Ilunga Medard Mutombo gedacht: Der 64-jährige war an einer Schizophrenie erkrankt und sollte in ein Krankenhaus verlegt werden. Als er die vielen Polizist:innen sah, geriet er in Panik. Die Beamt:innen fixierten ihn gewaltsam mit dem Knie im Nacken, und Herr Mutombo starb am 6. Oktober 2022 an den Folgen dieses brutalen Polizeieinsatzes in Berlin.

​​​​Ein weiteres bewegendes Grußwort schickte die Mutter von Sammy Baker, der am 13. August 2020 in Amsterdam in eine Psychose geriet und von der Polizei erschossen wurde. Sammy war für seinen 23. Geburtstag nach Amsterdam gefahren.

All diese Fälle eint, dass die beteiligten Polizist:innen bis heute im Dienst sind und es für sie kaum negative Konsequenzen gab. Der Solidaritätskreis, der sich nach der Tötung von Mouhamed Lamine Dramé am 8. August 2022 in Dortmund bildete, kommentierte diese Straflosigkeit wie folgt: „Recht wird gesprochen. Gerechtigkeit muss erkämpft und gemeinsam hergestellt werden.“
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Polizei im Nacken – Kniefixierung verbieten!

Am vergangenen Samstag sprach auch ein Überlebender von massiver und rassistischer Polizeigewalt: Zefanias M. überlebte im Jahr 2019 Misshandlungen durch die Polizei am U-Bahnhof Hermannstraße. Unter anderem kniete ein Beamter minutenlang auf seinem Nacken, sodass er keine Luft bekam. Nach diesem Abend standen nicht die Beamten, sondern Zefanias selber vor Gericht. Der Vorwurf: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung.
Durch die Unterstützung des verstorbenen Aktivisten Biplab Basu und der Beratungsstelle ReachOut konnte Zefanias mit Erfolg die Anklage abwehren. Nun verklagt er seinerseits das Land Berlin.

Mit der Kampagne Polizei im Nacken – Kniefixierung verbieten! setzt er sich seitdem dafür ein, die lebensgefährliche und oftmals tödliche Polizeipraxis zu skandalisieren. Die Klage gegen die Kniefixierung reiht sich ein in die immer lauter werdende Kritik an den lebensgefährlichen und brutalen Polizeipraktiken wie auch die von Schmerzgriffen.

Eine Rednerin für ReachOut beschreibt ihre 24-jährigen Beratungserfahrung von Opfern rechter und rassistischer Gewalt: „Diese Gewalt ist nicht nur physisch, sondern auch psychisch, und sie hinterlässt tiefe Wunden. Wunden, die nicht immer sofort sichtbar sind, aber deren Auswirkungen über Jahre und Jahrzehnte hinweg das Leben der Betroffenen prägen.“
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Die Polizei schützt uns nicht – Wir schützen uns selber!

Auf der Kundgebung wurde klargemacht: Die Polizei schützt uns nicht. Die sozialistische und internationalistische Jugendorganisation Young Struggle fasste die Rolle der Polizei treffend zusammen: „Die Polizei ist nicht unser Freund, sie ist nicht unser Beschützer. Sie schützt nicht die Unterdrückten, sondern die Unterdrücker! Sie ist der bewaffnete Arm des Kapitals, die Faust des Staates, die Waffe des Patriarchats! Sie schlägt nieder, wo Menschen für ihre Freiheit kämpfen! Sie führt Zwangsräumungen durch, sie schützt Nazis auf den Straßen, sie schlägt Arbeiter:innen nieder, die für bessere Löhne streiken!“

Deswegen gab es an einem Infotisch auch praktische Tipps für den gegenseitigen Schutz fernab der staatlichen Institutionen: Darunter eine Broschüre zu „Know your Rights” bei rassistischer Polizeigewalt, Informationen zum Verhindern von Abschiebungen, eine Broschüre zu Leben in Berlin / Antioffizielle Netzwerke für MigrantInnen, Asylsuchende und Illegalisierte, eine Schrift für Nachbar:innen bei drogenbezogenen Problemen im öffentlichen Raum, sowie Hinweise für die Schlafplatzorganisation.

Die junge Frauenorganisation Zora beendete ihre Rede schließlich mit den Worten: „Der deutsche Staat schützt uns nicht! Meine Schwestern schützen mich!“ Die Teilnehmenden riefen von Trommeln begleitet: „Überall Polizei – nirgendwo Gerechtigkeit! Überall Polizei – Überall auch Widerstand!“

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Erstveröffentlichung am 16. März 2025 auf »PERSPEKTIVE>>«. Wir danken den Genossinnen und Genossen von »Perspektive« für ihre gute Arbeit und der Genehmigung der Weiterveröffentlichung. Bilder und Bilduntertexte wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.
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Zum Thema Gendern: Das in Mode gekommene »Gendern« und die damit einhergehende Sexualisierung der Sprache widersprechen der marxistischen Erkenntnistheorie, nach der das Sein das Bewusstsein prägt – nicht das Geschlecht. Auch in der traditionellen deutschen Sprache steht nicht das Geschlecht im Vordergrund, sondern der Mensch. Aus diesem Grund gendern wir nicht, respektieren jedoch den Willen anderer, dies in ihren Texten zu tun, die wir daher nicht verändern. Mehr dazu könnt ihr hier nachlesen.
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