Volkskorrespondenzen zum Wochenende – 22. Februar 2023
Täglich wird man in Gesprächen, in der Familie und auf der Straße mit Meinungen, Anschauungen, Konflikten und Banalitäten konfrontiert. Zumeist aus dem persönlichen Umfeld heißt es, warum opferst du dich für andere auf – Lebe doch dein Leben. Wenn du schon nicht mit dem Strom schwimmen willst, passe dich an. Was hat es dir persönlich gebracht, dich immer nur für andere undankbare Leute einzusetzen und wenn du von diesen auch noch angespuckt wirst. Du musstest erleben, wie Wendehälse, 150-prozentige Bonzen und Schnellanpasser sich ihren Einfluss sicherten. Beantworte nur diese Frage, was hat es dir genützt?
Meine Antwort lautet: Ich habe wahre Freunde und Genossen kennengelernt. Falsche Freunde verschwanden von sich aus aus meinem Leben. Es hat mir die Einsicht gebracht, lieber für eine neue und bessere Gesellschaft einzutreten und mit meiner ganzen proletarischen Klasse den Kapitalismus auf den Komposthaufen der Geschichte zu entsorgen. Darum unterstütze ich mehr als nur die „Generation Zukunft“, sondern auch den Kampf für den Sozialismus, wie er einst wissenschaftlich angedacht war. Das ist eine schöne Aufgabe und keiner hat mich dazu gezwungen.
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„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“ Fragt Bert Brecht in seinem Werk „Lob der Dialektik“ (siehe auch unten). Recht hat er und dennoch stecken uns die Niederlagen und der beschwerliche Weg der Überzeugung unserer Kollegen, Nachbarn und Verwandten wie ein Bremsschuh in den Knochen. Der tägliche Kampf für den Sturz des Kapitalismus ist nicht immer angenehm und kann auch deprimierend wirken. Ja, er hat sogar einige Mitkämpfer an den Rand der Verzweiflung, ja sogar zu Suizidgedanken gebracht. Allerdings waren das nach meinem Wissen meist Einzelkämpfer, die zwar den Gedanken des sozialistischen Kollektives im Mund führen, ihn aber in der Praxis nicht befolgen. Dann ist es nicht mehr weit, bis zur Aussage: „Es geht niemals!“
Bert, der rote Genosse von der Kulturfront, kannte schon zu Lebzeiten die Antwort: „Wenn die Herrschenden gesprochen haben, werden die Beherrschten sprechen! Wer wagt zu sagen: niemals? An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns! An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? Ebenfalls an uns! Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich! Wer verloren ist, kämpfe!
Unsere Gemütsschwankungen können wir gemeinsam überwinden! Seite an Seite das gemeinsame Ziel vor Augen und den Fahrplan, den wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus strickt einhaltend, lassen sich sogar Berge versetzen! Dazu ist das permanente Studium des Marxismus-Leninismus die Hauptschlagader des fortschreitenden Kampfes – lasst es uns deswegen nicht vernachlässigen! Die Gruppe RoteMorgen bietet weiterhin Grundlagenschulungen an, die in keinem und großen Kreis stattfinden!
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Lenin lehrte uns: „Im eigentlichen Sinne ist die Dialektik die Erforschung des Widerspruchs im Wesen der Dinge selbst: Nicht nur die Erscheinungen sind vergänglich, beweglich, fließend, nur durch bedingte Grenzen getrennt, sondern die Wesenheiten der Dinge ebenfalls“.1 Jede Ideologie, die der Absicherung von Klassenherrschaft dient, muss sich gegen die Vergänglichkeit der Wesenheiten der Dinge sperren. “ ‚Aber‘, wird man sagen, ‚religiöse, moralische, philosophische, politische, rechtliche Ideen usw. modifizierten sich allerdings im Lauf der geschichtlichen Entwicklung. Die Religion, die Moral, die Philosophie, die Politik, das Recht erhielten sich stets in diesem Wechsel …‘ “2 In dieser Passage aus dem Kommunistischen Manifest gehen Marx und Engels auf die ewigen Wahrheiten der bürgerlichen Ideologie ein, die sich nicht eingestehen darf, dass ihre ewigen Wahrheiten auf der „Ausbeutung des einen Teils der Gesellschaft durch den anderen“3 basieren. Der dialektischen Abbildung als dialektischer Prozess steht die ideologische entgegen, die den lebendigen Weltprozess unter der Kategorie der Ewigkeit auf eine zeitlich befristete Klassenherrschaft deformativ fixiert. Aus der Fixierung von Prozessualität ergibt sich die ideologische Weltinterpretation als verzerrte Realität, als kristallin gefrorene, in der sich Klassenherrschaft als unabänderliche ergibt. In der Vereinnahmung einer historisch, also nur für einen bestimmten Zeitraum tätigen und gültigen Prozesskonstellation als ewige, spiegelt sich die prätendierte Allmacht einer bestimmten Eigentumsform über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die Negierung von Weltprozess überhaupt. Marx und Engels haben dargelegt, dass adialektische Denkblockaden eigentumsbedingt sind: „Die interessierte Vorstellung, worin ihr eure Produktions- und Eigentumsverhältnisse aus geschichtlichen, im Lauf der Produktion vorübergehenden Verhältnissen in ewige Natur- und Vernunftgesetze verwandelt, teilt ihr mit allen untergegangenen Klassen. Was ihr für das antike Eigentum begreift, was ihr für das feudale Eigentum begreift, dürft ihr nicht mehr begreifen für das bürgerliche Eigentum“.4 Der Kern der marxistischen Weltveränderung ist die revolutionäre Veränderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse. Ricardo zum Beispiel stößt auf diesen Kern nicht vor, weil er das Wesen begreift wie Newton seine Prinzipien, für immer gegeben. Was hier hemmte, war ideologischerseits die reaktionäre Seite des Spinozismus: Durch die Gleichsetzung von Gott und Natur schloss man auf die Ewigkeit der Naturgesetze, wir finden diese Fixierung noch bei Goethe und selbst noch im anschauenden Materialismus Feuerbachs, in dem er das religiöse Gemüt für sich fixieren muss. Deshalb auch der fatale Hang der Ökonomen, überall ewige Naturgesetze dort am Wirken zu sehen, wo nur die spezifischen Gesetze einer historisch vorübergehenden ökonomischen Gesellschaftsformation vorliegen. Dennoch waren die Forschungen Ricardos wissenschaftsgeschichtlich nicht nichtig so wie der mechanische Materialismus für den dialektischen durchaus eine Bedeutung hatte. „Die Dinge mußten erst untersucht werden, ehe die Prozesse untersucht werden konnten“.5 Bereits vor der technisch-industriellen Revolution wurde die Welt der Dinge der Zeit unterworfen. Die Naturgeschichte transformierte zu einer Geschichte der Natur. Es gab etwas Neues unter der Sonne, ja es gibt jetzt ständig etwas Neues unter ihr. Die Entwertung der Chronologie, der Vergangenheit und der Abstammung wurde während der französischen Revolution fassbar im Namen ‚Capet‘ und im Erstellen eines neuen Kalenders. Bereits die Enzyklopädisten hatten mit einer Explosion des Wissens zu kämpfen, das Hegel noch einmal unter einem absoluten bannen wollte. Die Zoologie kannte um 1740 nur etwa 600 Tierarten.6 Der Verlust des Fundamentalen im reißenden Strom der Prozesse, der sich in Spinozas Bibelkritik ankündigte, kulminierte im 20. Jahrhundert in der chinesischen Kulturrevolution in ihrem Toben selbst gegen die Kommunistische Partei. Heute potenziert sich das Volumen des für den Menschen Wissbaren im Sekundentakt, in jeder Sekunde finden im Universum Milliarden Explosionen statt, die in unserem Weltwissen einzufangen wären. Das ganze Wissen der gesamten Menschheit ist nur ein kleiner Punkt in einem unendlichen Puzzle. Es darf im vollendeten Kommunismus nicht die Illusion aufkommen, dass Koryphäen vereint in (für unsere heutigen Vorstellungen) Mega-Kollektiven das Weltwissen auf einen Nenner bringen könnten. Wir müssen vielmehr heute und in Zukunft den erreichbaren relativen Wahrheiten nachjagen auf dem Weg der positiven Wissenschaften und der Zusammenfassung ihrer Resultate vermittelst des dialektischen Denkens.7 Lenins Feststellung, dass auch die Wesenheiten der Dinge vergänglich sind, ist auf den Marxismus selbst anzuwenden, insofern er als wissenschaftlicher Sozialismus das Wesen der letzten in Klassengesellschaften möglichen Gesellschaftswissenschaft ausmacht. Der Marxismus versteht sich als Anleitung zum Handeln gegen die bürgerliche Klassengesellschaft, um diese zu überwinden. Im vollendeten Kommunismus entfällt diese Anleitung und er geht einher mit der wissenschaftsgeschichtlichen Entwertung des Marxismus. Im Erlöschen des Klassenkampfes erlischt auch der Marxismus als die letztmögliche Gesellschaftswissenschaft in einer Klassengesellschaft, die die Klassengesellschaft negiert (hat). Der Kommunismus strebt nicht die Weltherrschaft an, sondern die Welt ohne Herrschaft, eine Welt ohne Marxismus. Der Marxismus ist nicht ewig, ist kein Modell einer Welterklärung und schon früh setzte sich Marx mit Proudhon, dem Stammvater des Anarchismus, auseinander, der sich eine ewige Gerechtigkeit (justice éternelle) als voranleuchtenden Stern seiner Gesellschaftslehre ausgesucht hatte. Steht endlich der Mensch im Mittelpunkt und nicht mehr der Profit, könnte es gut sein, dass die Humanmedizin die Sonne ist, um die alle anderen wissenschaftlichen Disziplinen kreisen, denn materieller Wohlstand und Überfluss ist ohne Wohlbefinden verdrießlich. Die neuzeitliche Philosophie hob an mit Descartes, der der Medizin bereits einen hervorragenden Platz in der Welt der Wissenschaften einräumte.
- 1.Lenin, Konspekt von Hegels ‚Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Die eleatische Schule, in: Lenin, Über Hegelsche Dialektik, Reclam Verlag, Leipzig, 1986,Seite 179.
- Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1977, Seite 480
- a.a.O.
- a.a.O., Seite 478. Es kann heute nicht genug betont werden, dass einer der zentralen Begriffe unseres Daseins, der der Demokratie, hinter die sich die Konterrevolution flüchtet, zur Manipulierung ganzer Völker benutzt wird. ‚Demokratie bedeute die Aufhebung der Klassenherrschaft‘, sagen die Volksfeinde.
- Friedrich Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, Werke Band 21, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 294. Da die metaphysische Weltanschauung die Dinge außerhalb ihres Zusammenhangs betrachtet, fehlt sie in der Angabe der Entwicklungstendenz.
- Vergleiche Wolf Lepenies, Das Ende der Naturgeschichte, Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 227, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1978, Seinte 17.
- Vergleiche Friedrich Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, Werke Band 21, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 270.
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Lob der Dialektik
Bertolt Brecht
Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt.
Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre.
Die Gewalt versichert: So, wie es ist, bleibt es.
Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden.
Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut:
Jetzt beginne ich erst.
Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt:
Was wir wollen, geht niemals.
Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wenn die Herrschenden gesprochen haben,
Werden die Beherrschten sprechen.
Wer wagt zu sagen: niemals?
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird?
Ebenfalls an uns.
Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen,
Und aus Niemals wird: Heute noch!
Zur Unterstützung vom M-L Grundlagenschulungen
erscheint im Februar52 Seiten 46 Seiten
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