Prophezeiungen der Geschichte: Rousseau, Tocqueville und die Illusion der Demokratie

Volkskorrespondenz zum Wochenede
Heinz Ahlreip – 21. Februar 2025

Heinz Ahlreip

Manche Vorhersagen der Geschichte erscheinen heute fast prophetisch. Rousseau ahnte die Bedeutung Korsikas, Tocqueville sah die Zukunft der Weltmächte voraus – doch was bedeutet das für unser Verständnis von Demokratie?

Im Jahr 1762 verfasste Jean-Jacques Rousseau sein politisches Hauptwerk Der Gesellschaftsvertrag. Darin äußerte er eine bemerkenswerte Vermutung: Er ahnte, dass die kleine Insel Korsika eines Tages Europa in Erstaunen versetzen würde. Tatsächlich war es ein Mann von dieser Insel, der später die Geschicke Europas prägte – Napoleon Bonaparte, der 1821 auf der unwirtlichen Insel St. Helena verstarb.

1835 veröffentlichte der Aristokrat Alexis de Tocqueville (1805–1859) sein Werk Die Demokratie in Amerika. Auch dieses Buch enthielt eine erstaunliche Voraussage: Die Welt werde einst von zwei Mächten dominiert – Russland und Amerika. 1848, als Marx und Engels ihr Manifest der Kommunistischen Partei verfassten, galten diese Staaten noch nicht als entscheidende Akteure der zivilisierten Welt. Doch Tocquevilles Vision bewahrheitete sich: Die politische Bipolarität zwischen den USA und der Sowjetunion prägte fast die gesamte zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.

So zutreffend diese Ahnung ein Jahr nach dem Aufstand der Seidenweber von Lyon war, so falsch war Tocquevilles Einschätzung über die gesellschaftliche Entwicklung der USA. Er schrieb:

„Eine Zeit wird also kommen, da man in Nordamerika 150 Millionen einander gleichgestellter Menschen sehen wird, die alle der gleichen Familie angehören, den gleichen Ausgangspunkt haben, gleicher Kulturstufe, gleicher Sprache, gleicher Religion, gleicher Gewohnheiten, gleicher Sitten sind und von einem Denken durchpulst, das sich in den gleichen Formen und Farben malt. Alles übrige ist zweifelhaft, dieses jedoch ist gewiß.“1

Doch hier war nichts gewiss – diese Vorstellung war nicht mehr als eine idealisierte Postkarte.

Tocqueville selbst war kein überzeugter Demokrat. Er gestand offen ein, dass er die Demokratie nicht liebte. Sein Buchtitel darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die USA nie ein wirklich demokratisches Land waren. Karl Marx belegte dies bereits 1844 in seiner Schrift Zur Judenfrage, in der er die bürgerliche Demokratie als unzureichend kritisierte.

Mit dem Aufstieg des Imperialismus um 1900 zeigte sich die wahre Fratze der US-amerikanischen Politik: Die Vereinigten Staaten entwickelten sich zu einer Macht, die wirtschaftliche Interessen über demokratische Ideale stellte. Während des Ersten Weltkriegs profitierten amerikanische Finanzeliten erheblich, indem sie europäische Kriegsparteien unterstützten. Der Krieg trug dazu bei, dass sowohl Russland als auch die USA ins Zentrum der Weltpolitik rückten.

Der Gegensatz zwischen Marxismus-Leninismus und der westlichen Ordnung spitzte sich zu. Lenin verwies auf eine bezeichnende Aussage eines US-Millionärs:

„Dollars haben wir, Waffen werden wir kaufen, und uns wird die ganze Welt gehören.“

Lenin kommentierte dazu, dass in diesen wenigen Worten mehr Wahrheit stecke als in so mancher Vorlesung bürgerlicher Soziologieprofessoren. Und tatsächlich – diese Worte könnten ebenso gut aus einer aktuellen Schlagzeile stammen.

  1. Alexis de Tocqueville: Die Demokratie in Amerika, Werke und Briefe, Bd. 1 und 2, Stuttgart, 1959/62, Seite 478).

 

Über den Autor:
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse. Ahlreip arbeitete als Lagerarbeiter u. a. bei Continental in Hannover und bis zum Rentenbeginn als Gärtner für Museumsstätten und Friedhöfe.

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