Redaktion – 23. August 2021
Die in der GDL organisierten Lokführer/innen haben heute am Montag erneut die Arbeit niedergelegt, um ihren berechtigten Forderungen nach Anhebung ihrer Gehälter Nachdruck zu verleiten. Gleichzeitig nimmt die bürgerliche Presse wie gewohnt Einfluss auf die Stimmung der Bahnkunden/-innen und hetzt so auf allen Sendern gegen den Streik.
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Voller Streik, was denn sonst!
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Mitbürger/innen, Kolleginnen und Kollegen anderer Branchen, übt Solidarität! Lasst euch nicht spalten und gegeneinander aufhetzen! Hier gehts um das Geld für die Brötchen, um fairere Gehälter für gute und verantwortungsvolle Arbeit und um die Betriebsrente. Die Solidarität mit dem Kampf der Lockführer/innen geht uns alle an!
Der Kollege Winfried Wolf hat auf »gewerkschaftsforum.de« die Lage analysiert und auf den Punkt gebracht. Bitte lest seinen Artikel, die beschriebenen Hintergrundinformationen sind sehr wichtig um die Forderungen der GDL-Kollegen/innen richtig einschätzen zu können. Hier sein Bericht:
„Die Auseinandersetzung zwischen Deutsche Bahn AG und GDL spitzt sich zu. Nach dem Platzen der jüngsten Verhandlungsrunde stehen die Zeichen unzweideutig auf Streik. Dabei fährt der Bahnkonzern seit Herbst 2020 einen erkennbaren konfrontativen und provokativen Kurs, auch wenn das Gegenteil behauptet wird. Es spricht alles dafür, dass der Vorstand der DB AG für diesen Kurs die Unterstützung der Vertreterin des Eigentümers, der Bundesregierung, also von CDU/CSU und SPD hat.
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Die Auseinandersetzung fußt auf den folgenden
vier Themenschwerpunkten:
(1) Die materiellen Forderungen der GDL nach einem Abschluss, der keinen Reallohnverzicht darstellt sind berechtigt. Offiziell fordert die GDL derzeit eine Entgelterhöhung von 3,2 Prozent und eine Coronabeihilfe von 600 Euro wie im TVöD-Abschluss 2020 vereinbart. Der EVG-Abschluss vom Herbst 2020 beinhaltet einen Reallohn-Abbau. Zumal die Inflationsrate inzwischen deutlich anzieht – was sich im Herbst 2020 allerdings noch nicht abzeichnete (April 2021 gegenüber Vorjahr: +2%).
Fazit: Die Forderungen sind zu unterstützen.
(2) Die Behauptungen der DB-AG-Spitze und vieler Vertreterinnen und Vertreter in den Medien, diese Forderungen wären sich der hohen DB-AG-Verluste nicht vertretbar, sind nicht haltbar. Dies aus den folgenden Gründen:
– Die Verschuldung des DB-Konzerns übersteigt inzwischen deutlich die Summe von 30 Milliarden Euro. Dieser Schuldenberg hat wenig mit Corona und viel mit einer jahrzehntelangen Mißwirtschaft, mit falschen Großprojekten, mit der Global-Player-Orientierung (siehe unten) zu tun.
– Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es im Bahnkonzern permanent steigende Ausgaben für einen sich fortwährend vergrößernden Wasserkopf (Overhead).
– Es wurden allein in den letzten fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro für Berater ausgegeben.
– 2020 wurden auch die Boni für die meisten DB-AG-Manager (Ausnahme: Vorstand) weiter bezahlt – trotz der Milliarden-Verluste.
– Der Bund gewährt der DB AG Gelder für eine fortgesetzte Eigenkapitalerhöhung im Zeitraum 2020 bis 2030 in Höhe von mehr als 10 Milliarden Euro. Hinzu kommen Sonderzahlungen für die Ausfälle im Coronajahr 2020. Diese Zahlungen sind weitgehend intransparent und dürften nach der Bundestagswahl im September 2021 auf den Prüfstand gestellt werden.
– Die DB AG – hier: DB Netz – entwickelt immer neue zerstörerische Großprojekte, die Milliarden Euro verschlingen und oft sogar auf Kapazitätsabbau hinauslaufen. In jedem Fall sind es überteuerte und unnötige Projekte. Stuttgart 21 (Gesamtsumme bis zur Fertigerstellung unter Einschluss der neuen Projekte aus dem grün-schwarzen Koalitionsvertrag vom Mai 2021 = 20-25 Milliarden Euro) ist hierfür nur das bekannteste Beispiel.
– Der Konzern Deutsche Bahn AG hat sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten zu einem Global Player entwickelt. Er tätigt rund die Hälfte des Umsatzes im Ausland – und auch die Hälfte des Umsatzes außerhalb des angestammten Bahngeschäftes. Das kostet viel Geld. Und das birgt gewaltige Risiken. Die GDL fordert richtigerweise ein Abstoßen des Auslandsgeschäftes und eine Konzentration aller Bahnaktivitäten auf den Bahnbereich und das Inland.
Fazit: Die zitierten Behauptungen von DB AG und vielen Medienvertretern sind nicht haltbar. Der Konzern gibt Milliarden für falsche und fragwürdige Zwecke und Projekte aus und knausert bei einer gerechten Bezahlung für die produktiv Beschäftigten. Die Orientierung auf einen Global-Player-Konzern ist abzulehnen, zumal sich die DB AG zu 100 Prozent in Bundeseigentum befindet.
(3) Am Beispiel der GDL soll zum ersten Mal das Tarifeinheitsgesetz angewandt werden. Dieses Gesetz wurde, wie bereits erwähnt, zwar 2015 im Bundestag von CDU/CSU und SPD beschlossen. Es kam bislang jedoch bislang nicht zur Anwendung. Die DB AG schloss 2015 eine Vereinbarung mit der GDL ab, wonach während der Gültigkeit des damals – nach einem harten Arbeitskampf – zustande gekommenen Tarifvertrags das Gesetz NICHT zur Anwendung kommt. Diese Vereinbarung lief am 31. Dezember 2020 ohne Nachwirkung aus. Die DB AG hätte eine neue Vereinbarung dieser Art treffen können (allerdings hätte dies nun laut Bundesverfassungsgericht eine „trilaterale Vereinbarung“ (DB + EVG + GDL) sein sollen. Das lehnte die EVG ab. Explizit will die DB AG nunmehr das Tarifeinheitsgesetz zur Anwendung bringen. Das heißt: In den „Betrieben“ der DB soll es jeweils nur eine Gewerkschaft geben, mit der die DB verhandelt – und das ist jeweils die relativ stärkere. Wer konkret wie entscheidet, wer „der relativ Stärkere“ ist, ist absolut unklar. Auch kann der Arbeitgeber selbst festlegen, was seine „Betriebe“ sind und wie diese zugeschnitten sind. Im Ergebnis der bisherigen Aussagen des DB-AG-Vorstands ist in den 56 Betrieben in mehr als drei Viertel die EVG die relativ größere Gewerkschaft.
Fazit: Das Tarifeinheitsgesetz ist grundsätzlich gewerkschaftsfeindlich und undemokratisch. Es muss von allen demokratisch gesinnten Gewerk-
schaftsmitgliedern und Gewerkschaften abgelehnt werden.
(4) Bislang sah sich hierzulande noch jede Gewerkschaft, die bereit zu einem harten Arbeitskampf war, massiven Angriffen der Öffentlichkeit und der Mehrheit der Parteien ausgesetzt. Das liegt in der Natur der Dinge; in der Spaltung der Gesellschaft in Kapitaleigner und Arbeitskrafteigner – wobei die Erstgenannten nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Übrigen gesellschaftlichen Leben – also in Politik und in den Medien – dominieren. Das einzige Instrument der Arbeitskrafteigner, ihre grundsätzlich schwächere Position aufzuwerten, ist der Arbeitskampf. Entsprechend sehen sie sich im Fall eines solchen Kampfes mit massiven Angriffen, Demagogie und oft auch Hass konfrontiert.
Das war in Westdeutschland so bei den Streiks für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Ende der 1950er Jahre, das war so im großen Metallarbeiterstreik in Baden-Württemberg 1963, das war der Fall bei den Kämpfen für die 35-Stunden-Woche in den 1970er und vor allem in den 1980er Jahren, das war im vereinten Deutschland so bei dem (verlorenen) Kampf um die Übertragung der Arbeitszeitverkürzungen in Westdeutschland auf die neuen Bundesländer im Sommer 2003. Das war so bei den GDL-Arbeitskämpfen in den Jahren 2007/2008 und vor allem 2014/15
Im Fall eines GDL-Arbeitskampfes 2021 wird sich das nicht anders verhalten. Das ist bereits jetzt deutlich – beispielsweise wenn in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 10. Juni ein der IG Metall nahestehender Professor Wolfgang Schroder zur GDL-Position erklärt: „Das grenzt an die Methoden der AfD“. Und unter anderem argumentiert: „Die GDL hat in den meisten Betrieben [der DB AG; WW] das Nachsehen. Jetzt will sie ordentlich auf den Putz hauen … um wieder mehr Mitglieder zu gewinnen.“
Fazit: Wir erleben im Vorfeld des GDL-Arbeitskampfes das, was wir seit Gründung der Bundesrepublik im Fall von gerechtfertigten Arbeitskämpfen erlebt haben. Die öffentliche Stimmungsmache gegen die GDL und deren Bundesvorsitzenden als Person wird sich noch verstärken mit Verweisen wie „Am Ende der Corona-Pandemie wollen doch viele Leute wieder Bahn fahren“ oder „Ausgerechnet in der beginnenden Urlaubszeit!“ Natürlich wird auch das Argument angeführt werden, mit einem solchen Arbeitskampf werde die Bundestagswahl am 26. September 2021 auf unzulässige Art und Weise „politisiert“.
Es war die Deutsche Bahn AG, hier unterstützt von der EVG, die im Herbst ein Ende des Aussetzens des Tarifeinheitsgesetzes angekündigt und seit Anfang 2021 umgesetzt hat. Es geht in diesem Arbeitskampf nicht zuletzt darum, dass eine kämpferische Gewerkschaft existenziell bedroht wird – insbesondere mit der erstmaligen Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes. Solidarität mit der GDL ist zugleich – wie bereits 2014/15 – Ausdruck der Ablehnung des undemokratischen und gegen den Grundsatz der freien gewerkschaftlichen Organisierung gerichteten Tarifeinheitsgesetzes. Es ist dieses Tarifeinheitsgesetz, das die GDL dazu ZWINGT, ihren Organisierungsbereich so auszuweiten, dass sie Chancen des Überlebens im Gesamtkonzern Deutsche Bahn AG hat. Dazu ist die GDL entschlossen. Seit Anfang 2021 ruft sie zur Mitgliedergewinnung auch „jenseits“ der Bereiche Lokführer und Zugpersonal – und damit im gesamten produktiven Bereich der Deutschen Bahn – auf. Sie hat nach eigenem Bekunden seither mehrere Tausend neue Mitglieder gewonnen – bislang Unorganisierte und auch Beschäftigte, die bislang bei der EVG organisiert waren.
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Unsere Aufgaben
Die Gefahr einer gesellschaftlichen Isolation der GDL in diesem Arbeitskampf ist erkennbar. Die DGB Gewerkschaft EVG und Teile der übrigen DGB-Gewerkschaften demonstrierten in der Vergangenheit, dass sie der GDL feindlich gegenüberstehen, ja sogar, dass sie das Tarifeinheitsgesetz begrüßten oder zumindest nicht bekämpften. Unter den größeren organisierten gesellschaftlichen Gruppen ist es vor allem der Beamtenbund dbb, der die GDL unterstützt – auch in einem kommenden Arbeitskampf.
Es ist unsere Aufgabe, mit einer „Streikzeitung“ und mit einer breiten Palette von Aktivitäten in Solidarität mit der GDL dieser drohenden Isolation entgegenzuwirken. Insbesondere muss in den Bereich der DGB-Gewerkschaften hineingewirkt werden, um Verständnis für den GDL-Arbeitskampf zu erzielen und eine solidarische Unterstützung für die Kolleginnen und Kollegen zu erreichen.
Ein Erfolg der GDL in diesem Arbeitskampf und mit ihren berechtigten Forderungen wäre ein Erfolg für die gesamte gewerkschaftliche Bewegung in diesem Land. Eine Niederlage würde das gesamtgesellschaftliche Kräfteverhältnis nach rechts verschieben und alle gewerkschaftlich Organisierten negativ treffen.
Seien wir solidarisch mit der GDL!
Kämpfen wir gemeinsam auch als Gewerkschaftsaktive aus dem Bereich der DGB-Gewerkschaften für die Forderungen gegen Reallohnabbau, gegen die selbstzerstörerische Politik des Global Players Deutsche Bahn AG und für eine Bahn in öffentlichem Eigentum und im Interesse von Beschäftigten und Fahrgästen.„
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Hier gehts zur aktuellen Streikzeitung.
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Wir fordern:
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Solidarisiert Euch mit allen streikenden
Kollegen/innen und ihren Forderungen!
Sofortige Weiterführung des Streiks bis
zur Erfüllung der Forderungen der GDL-Kollegen/innen!
Protestiert gegen den Versuch der
Bundesregierung die GDL aus den
Tarifverhandlungen herauszudrängen!
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Leider weiß anscheinend ein nicht geringer Teil der Bevölkerung nicht mehr, dass Streiks Arbeitnehmern zugute kommen.
Kämpft weiter um euer Recht ,das Kapital und Vasallen werden weiter gegen euch Hetzen ,mein Herz gehört euch und euren Kampf
Super, ein sehr guter Mann, dieser Weselsky, da könnten sich die Rentner/innen in Deutschland einmal ein Beispiel nehmen. Vielleicht sollten sie eine Gewerkschaft gründen und den Weselsky zum Vorsitzenden wählen!!!
Das ist typisch für eine Regierung und vor allem für deren hilfsbereiten Medien, die kein Interesse an den berechtigten Forderungen der Lokführer haben! Lieber willige Gewerkschafts-Kräfte unterstützen, die die Arbeiter spalten.