Einwohner ehemaliger Sowjetrepubliken verklagen Gorbatschow wegen Zusammenbruch der Sowjetunion

Volkskorrespondenz zum Osterwochenede
Heinrich Schreiber – 16. April 2022

Heinrich Schreiber

Eine Initiativgruppe will am 22. April eine Sammelklage gegen Michail Gorbatschow beim Obersten Gerichtshof einreichen, um eine rechtliche Bewertung des Zusammenbruchs der UdSSR zu erwirken, berichtet Belrusinfo.

Es wird berichtet, dass 105.000 Menschen aus 31 Ländern als Kläger auftreten werden, darunter alle 15 Republiken der ehemaligen Sowjetunion und Bürger anderer Länder, die nie in der Sowjetunion gelebt haben, aber glauben, dass ihre Rechte durch die Auflösung der Sowjetunion verletzt wurden.

Die Verfasser der Klage weisen darauf hin, dass die Ereignisse von 1990-1991 in der Sowjetunion nichts anderes als ein Machtwechsel waren, der unter Verletzung der damals geltenden Verfassungs- und Rechtsnormen durchgeführt wurde, d.h. ein Staatsstreich. Die Initiativgruppe vergleicht die Situation mit der Klage des Moskauer Dorogomilovskiy-Gerichts, das ähnliche Ereignisse in der Ukraine als Staatsstreich eingestuft hatte. Den Klägern zufolge hat dies einen Präzedenzfall geschaffen und gibt ihnen das Recht, auch über die Situation in unserem Land vor 30 Jahren zu sprechen.

„Die Situation zu Beginn der 1990er Jahre entwickelte sich zu einer Kette illegaler Handlungen, die zur Auflösung des einzigen großen Staates – der UdSSR -, zur verfassungswidrigen Beendigung staatlicher Behörden und zur Abschaffung der bestehenden Verfassung führten, und all dies gegen den Willen des Volkes, der in den vorangegangenen Referenden zum Ausdruck kam, insbesondere im unionsweiten Referendum vom 17. März 1991 über die Erhaltung der Union der Sozialistischen Sowjetrepublik. Infolge des Machtwechsels, der nach geltendem Völkerrecht als „Staatsstreich“ eingestuft wird, erlitt die Bevölkerung der ehemaligen UdSSR vielfältige Verluste im nationalen, öffentlichen und sozialen Bereich“, heißt es in der Erklärung.

Den Klägern zufolge führte der Zusammenbruch des Landes zum Verlust der politischen und militärischen Macht, zur Degradierung der Armee und zu einem geringeren internationalen Ansehen. Die Verfasser der Klage machen die Personen, die den Zusammenbruch der UdSSR verursacht haben, auch für die bestehenden interethnischen Konflikte, die Zunahme der Veruntreuung und die Skrupellosigkeit verantwortlich.

 

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4 Kommentare

  1. So sehr ich das auch für gut befinde, ist es fraglich ob diese Klage überhaupt angenommen wird. Eine Krähe hackt doch einer anderen Krähe kein Auge aus.

    • Es sorgt zumindest für Aufmerksamkeit und kann das Antikommunistische Narrativ vom gescheiterten Sozialismus ins Wanken bringen. Auch wenn die UDSSR damals nur noch das Zerrbild eines sozialistischen Staates war.

  2. Wo und wie kann man sich als zugehöriges Opfer (DDR Bürger, dessen Heimat eben durch Betrug okkupiert wurde), an der Klage beteiligen?

  3. Der Koloss taumelte dem Kollaps entgegen, und Gorbatschow wollte das unbedingt verhindern.

    Von Michail Schischkin

    »Der Westen blickt vornehmlich durch das Teleobjektiv auf die welthistorische Figur Michael Gorbatschows. Wichtig aber wäre ein Weitwinkelobjektiv, das auch den Hintergrund sichtbar macht.«

    Siehe NZZ am 03.09.2022 *

    Kompletter Bluff

    Ein Auszug:

    »Die Einheit der Sowjetrepubliken war Einbildung der kommunistischen Propaganda, und der Parteiführer fiel der eigenen Lüge zum Opfer. Am 17. März 1991 liess er das einzige Volksreferendum der Sowjetgeschichte durchführen: «Soll die Sowjetunion als einheitlicher Staat bestehen bleiben?» Mit einem klaren «Ja» antworteten 70 Prozent in der Ukraine, 82 Prozent in Weissrussland, 93 Prozent in Usbekistan, 94 Prozent in Kasachstan, 93 Prozent in Aserbaidschan, 96 Prozent in Kirgistan, 96 Prozent in Tadschikistan, 97 Prozent in Turkmenistan. Einige Monate später gab das Sowjetimperium den Geist auf, und die Einheit der Völker erwies sich als kompletter Bluff. In den Nationalrepubliken wurde die langersehnte Unabhängigkeit vom «grossen Bruder» jubelnd begrüsst.«

    Michail Schischkin, 1961 in Moskau geboren, gehört zu den führenden russischen Gegenwartsautoren.

    * Vgl. Michail Gorbatschow Sein Leben war ein grandioses Missverständnis (nzz.ch)
    https://www.nzz.ch/feuilleton/michail-gorbatschow-sein-leben-war-ein-grandioses-missverstaendnis-ld.1700690

    Laut M. Schischkin: »Am 17. März 1991 liess er [die Administration unter Gorbatschow] das einzige Volksreferendum der Sowjetgeschichte durchführen: «Soll die Sowjetunion als einheitlicher Staat bestehen bleiben?» Mit einem klaren «Ja» antworteten 70 Prozent in der Ukraine, 82 Prozent in Weissrussland, 93 Prozent in Usbekistan, 94 Prozent in Kasachstan, 93 Prozent in Aserbaidschan, 96 Prozent in Kirgistan, 96 Prozent in Tadschikistan, 97 Prozent in Turkmenistan.«

    Das Volksreferendum vom 17. März 1991:

    Auf die Frage: « Soll die Sowjetunion als einheitlicher Staat bestehen bleiben? »

    Mit einem klaren « Ja » antworteten:

    70 Prozent in der Ukraine,
    82 Prozent in Weissrussland,
    93 Prozent in Usbekistan,
    94 Prozent in Kasachstan,
    93 Prozent in Aserbaidschan,
    96 Prozent in Kirgistan,
    96 Prozent in Tadschikistan,
    97 Prozent in Turkmenistan.

    03.09.2022, Reinhold Schramm (Zusammenfassung)

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