Der Betrug mit der Berechnung der DDR-Renten durch die BRD

Zu wenig Rente. Bild: YouTube

Sascha – 8. Juli 2020

Ein Rentner ist ein Werktätiger, der das Rentenalter erreicht hat oder wegen Invalidität aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden ist. So hieß es in der DDR. Und weiter: „Im Mittelpunkt des Wirkens der sozialistischen Gesellschaft steht der Mensch. (Art. 1 Abs. 1 Verf. der DDR) Dieses zutiefst humanistische Anliegen der sozialistischen Gesellschaft und ihres Staates bestimmt den Inhalt  und das Ziel der umfassenden Verwirklichung des Grundrechts der Bürger der DDR auf Fürsorge im Alter und bei Invalidität. (Art. 36 Verf. der DDR) Mit dem Erreichen des Rentenalters bzw. dem Eintritt der Invalidität entsteht, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, Anspruch auf die entsprechenden Rentenleistungen der Sozialversicherung (Altersrente, Invalidenrente).“[1] – Das war in der DDR gesetzlich so geregelt, und dazu mußte nicht erst (wie in der BRD) ein „Antrag“ gestellt werden…

Der letzte Lebensabschnitt eines Werktätigen sollte in Würde und ohne Angst vor dem Morgen erlebt werden! Bild: YouTube

Die Rentenlüge der BRD
Ein Beitrag von Jürgen Heidig

Auch im dreißigsten Jahr nach der Annexion der DDR durch die BRD führen die ostdeutschen Rentner im Vergleich zu den Westdeutschen zum größten Teil immer noch ein ärmliches Dasein. Nun hat der sog. „Bundesrat“ der BRD am 5. Juni 2020, drei Jahrzehnte nach der sogenannten „deutschen Einheit“, einer Rentenerhöhung ab 1. Juli 2020 zugestimmt:

»[…] Der Bundesrat hat der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Verordnung am 5. Juni 2020 zugestimmt. […] Danach steigen die Altersbezüge in Westdeutschland um 3,45 Prozent und in Ostdeutschland um 4,2 Prozent. […] Der aktuelle Rentenwert Ost wird so angepaßt, daß er mindestens die gesetzlich festgelegte Angleichungsstufe von 97,2 Prozent des Westwerts erreicht. […]«[2].
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Falsche Versprechungen von 1990

„Viele Rentner und Invalidenrentner erhalten ab Juli 1990 eine höhere Rente in Deutscher Mark als nominal in Mark der DDR bis zu diesem Monat. […] Das bedeutet für viele bisherige Mindestrentenempfänger eine wesentliche Verbesserung der Lebenssituation.“.

Hier eine Kopie aus den 1990 verbreiteten „Informationen zum Staatsvertrag“ [3]

Drei Rentenlügen

Hier eine Kopie  aus den 1990 verbreiteten „Informationen zum Staatsvertrag“[3]:

1. Lüge: Eine höhere Rente als in der DDR?

Die den Ostdeutschen „verkaufte“ Rentenlüge war und ist ungeheuerlich und bis heute Bestandteil der „sozialen Sicherheitslüge“ in diesem Land. Die großspurig angekündigten, aber größtenteils marginal lächerlichen Summen „eine(r) höhere(n) Rente“ betrafen nicht einmal zwei Drittel der damaligen ostdeutschen Rentner. Dagegen stiegen aber die allgemeinen Lebenshaltungskosten bereits im Jahre 1990 rapide an..
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Wie sehen die angeblich höheren Renten aus?

Dazu konnte der DDR-Bürger in einem weiteren „Märchenbuch“, dem Pamphlet „Ratgeber zur Sozialunion 1990“, nachlesen, Zitat:

„Höhe der Versichertenrente 1990 eines Durchschnittsverdieners in der DDR vor und nach der Anhebung des Rentenniveaus (zum Juli 1990 und dem Zugangsjahr 1990 incl. der freiwilligen Zusatzversicherung, FZR):45 Arbeitsjahre: alt 602 DM, neu 672 DM40 Arbeitsjahre: alt 572 DM, neu 597 DM30 Arbeitsjahre: alt 512 DM, neu 512 DM25 Arbeitsjahre: alt 492 DM, neu 492 DM.“[4]
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Die betrogenen „Ost-Rentner“

Dreißig Jahre später stellen wir etwas schier Unglaubliches fest. Das Haushaltsnettoeinkommen der „Ostrentner“ erreichte 2019 nur etwa 73 Prozent des Niveaus der Westrentner. Rund 15 Prozent dieser Haushalte leben heute in Altersarmut. Eine Angleichung der Ostrenten an das Westniveau liegt auch 2020 in unbestimmter Ferne. Die am 5. Juni 2020 beschlossenen künftigen Rentenwerte Ost liegen mit „97,2 Prozent des Westwerts“ noch immer hinter den Rentenwerten West weit zurück.
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2. Lüge: Anrechnung der Zusatzrenten der DDR?

Zur formulierten Rentenlüge in der „Information zum Staatsvertrag“, Frage und Antwort 2, gehört auch die Ankündigung,

„die freiwillige Zusatzrentenversicherung wird geschlossen. […] doch gehen die Ansprüche aus dieser freiwilligen Versicherung keineswegs verloren.“[5]

Doch die versprochene Anerkennung der Ansprüche aus der „freiwilligen Zusatzrentenversicherung“ der DDR wartet bis heute auf ihre Realisierung. Eingezahlte Beträge in die damaligen Zusatzversorgungssysteme der DDR durch Akademiker, Beschäftigte bei Bahn und Post, Polizei und andere, fanden bisher keine Berücksichtigung und sind damit für die Versicherten verloren.
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3. Lüge: Verbesserung der Lebenssituation?

Die Kostenlawine, bei gleichzeitigem Wegfall bisheriger sozialer Leistungen des DDR-Staates, fraß jegliche vermeintliche Erhöhung der Rentenbezüge wieder auf und führte auf geradem Wege zur sozialen Verelendung vieler Rentenbezieher im angegliederten DDR-Gebiet. Dafür sorgte allein schon die nach 1990 anlaufende drastische Anhebung der Wohnungsmieten auf „Westniveau“ um das Vielfache der bisherigen Miete, aber nicht in Mark der DDR, sondern in der gelobten Westmark.
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Der verlogene Populismus der BRD-Regierung

Mit der versprochenen „wesentliche(n) Verbesserung der Lebenssituation“ für die Rentner hatte das Geschehen in Wirklichkeit absolut nichts zu tun. Diese populistische Verkündung stellte sich nicht nur für die damalige Rentnergeneration als eine Verhöhnung ihrer Lebensleistung dar. Sie war, blieb und ist bis heute eine verlogene propagandistische Seifenblase der politisch herrschenden Klasse.
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Die Geschichte des Rentenunrechts

Das ist die Geschichte des Rentenunrechtes gegenüber den ehemaligen DDR-Bürgern: Anfang 1991. Im ersten Jahr nach der Angliederung der DDR an die BRD, bekam der Rentner West 39,58 DM für einen erarbeiteten Entgeltpunkt, der Rentner Ost hingegen nur 18,35 DM. Die Bezüge für den ostdeutschen Rentner erreichten dadurch im „Deutschland einig Vaterland“ in jenem Jahr noch nicht einmal fünfzig Prozent der Westrente. Auch in den Folgejahren setzte sich dieses Unrecht fort.

Pro Renten-Entgeltpunkt (EP) bekam der Rentner:

  1. im Jahre 2000, West: 48,58 DM pro (EP), Ost: 42,26 DM pro (EP), Differenzbetrag pro Entgeltpunkt: 6,32 DM,
  2. im Jahre 2009, West: 27,20 EURO pro (EP), Ost: 24,13 EURO pro (EP), Differenzbetrag pro Entgeltpunkt: 3,07 Euro,
  3. im Jahre 2015, West: 29,21 EURO pro (EP), Ost: 27,05 EURO pro (EP), Differenzbetrag pro Entgeltpunkt: 2,16 EURO.
  4. 2019 erhielt der Westrentner 33,04 EURO pro (EP), der Ostrentner hingegen 31,88 EURO pro (EP), Differenzbetrag pro Entgeltpunkt: 1,16 EURO.
  5. Ab 1. Juli 2020 soll der Westrentner 34,19 EURO pro (EP), der Ostrentner hingegen 33,23 EURO erhalten, Differenzbetrag pro Entgeltpunkt: 0,96 EURO.

Armut der „Ost-Rentner“ war geplant…

Die Nichtanerkennung dieser Ansprüche hatte und hat bis heute dramatische soziale Folgen für die betroffenen Rentner und deren Erben. So blieb die „wesentliche Verbesserung der Lebenssituation“ für die bisherigen Rentnergenerationen in der okkupierten DDR eine Lüge, pure Heuchelei und reine Propaganda zur vorbeugenden Ruhigstellung der betroffenen DDR-Bürger.

Jürgen Heidig

Quellenangabe:
[1] Lexikon des Arbeitsrechts der Deutschen Demokratischen Republik, Staatsverlag der DDR, Berlin, 1972, S.322.
[2] Quelle: https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/20/990/990-pk.html#top-26, aufgerufen am 5. Juni 2020.
[3] Archiv Heidig: »Informationen zum Staatsvertrag. Neue Freiheit, neue Sicherheit: Währungsunion, Wirtschaftsunion, Sozialunion. Fragen und Antworten«. – Eine Information der Regierungen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Herausgeber: Ministerium für Medienpolitik, Otto-Grotewohl-Straße 19D, 1000 Berlin, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Welckerstraße 11, 5300 Bonn, Gestaltung: Werbeagentur Spiess Ermisch Abels GmbH, 4000 Düsseldorf 11, Hersteller: H.G. Weiss, 5108 Monschau, 1990.
[4] Archiv Heidig: »DIE NEUE SOZIALE SICHERHEIT. Ein Ratgeber zur Sozialunion, 1990«, Seite 21.
[5] »Informationen zum Staatsvertrag«, a. a. O., Frage und Antwort 2.
Quelle: Die Luftblase von der »deutschen Einheit« (leicht überarbeitet; vielen Dank an Jürgen Heidig! Foto: Symbolbild / Internet. N.G.)

Nachtrag: Bei alldem sind noch nicht einmal alle betrügerischen Maßnahmen genannt, die nach 1990 für die DDR-Bürger eingeführt worden waren: der falsche Umrechnungskurs von DDR-Mark zur Westmark, die Halbierung der Sparkonten der DDR-Bürger, die Strafrenten für Mitarbeiter der Staatsorgane, der NVA und des Ministeriums für Staatssicherheit, die Einbehaltung von gezahlten Versicherungbeiträgen der DDR-Bürger, die Beschlagnahme des Staatseigentums, des Goldes und der volkseigenen Konten der DDR, die „Umbewertung“ der DDR-Kredite, die Rückübertragung rechtmäßig enteigneten Vermögens der Nazi- und Kriegsverbrecher an deren Nachkommen sowie die betrügerischen Immobilien- und Grundstücksgeschäfte der sogenannten „Treuhand“.

Mit der annektierten DDR eröffnete sich ein neuer Absatzmarkt für überflüssige Westprodukte und Ladenhüter, ab sofort standen massenhaft billige Arbeitskräfte zur Verfügung. Ganz abgesehen davon, daß 10 Jahre später mit der Einführung erneut eine spekulative Umwertung von DM zu Euro erfolgte. Alle diese Maßnahmen spülten bedeutende Milliardenbeträge in die Kassen privater Unternehmen und des bundesdeutsche Staates. Nicht zu vergessen aber auch  die private Bereicherung und einzelner DDR-Bürger, der Diebstahl und die massenhafte Vernichtung von Volkseigentum  der DDR, die Umverteilung des Vermögens von unten nach oben, was ebenfalls zur Erhöhung der Profite und zur Stabilisierung der Währung beitrug. Alle diese Maßnahmen und Erscheinungen trugen in nicht unerheblichem Maße dazu bei, die Wirtschaftskrise der BRD 1990 abzuwenden.

Erstveröffentlichung am 5. Juni 2020 auf Sascha’s-Welt. Veröffentlichung mit freundlicher genehmigung des Herausgebers. Bilder und Bilduntertexte wurden von der Redaktion Roter Morgen hinzugefügt.

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Für den Inhalt dieses Artikels ist der Autor bzw. die Autorin verantwortlich.

Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.

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