Heinrich Schreiber – 30. Juni 2020
Seit einigen Wochen sticht mir bei Facebook eine Werbung ins Auge, ich möge mich zum Trader an der Börse ausbilden lassen, natürlich von und durch einen „Börsenmillionär“. Derartige Werbung ist nicht neu und verfolgt mich, seit Facebook diese Art der Werbung als lukrative Einnahmequelle entdeckt hat.
Im ersten Moment frage ich mich, „laufen die Börsengeschäfte des Herren so schlecht, dass jetzt mit Angeboten zur Ausbildung die Seite des eigenen Verdienstes wieder ins Plus gebracht werden soll?“ Bei genauer Betrachtung soll an der FOREX-Front gewettet werden. Hier wird tatsächlich vom Wetten gesprochen. FOREX (Foreign Exchange) ist die Börse, in der Währungs- bzw. Devisenangelegenheiten gehandelt werden. Beispiel: die Wette ist, macht der Dollar im Verhältnis zum Japanischen Yen ein plus oder Minus? Und das z.T. im Sekundentakt (Thema Daytrading und Volatilität). Ist dein Tipp richtig, hast du gewonnen, ist es falsch, hast du verloren. Das lässt sich dann auch noch mit Leerverkäufen toppen. Das ist nicht einmal teuer denn die Ergebnisse sind durch eine Hebelwirkung (dem Leverage-Effekt) auf das Hundertfache angehoben, so dass gelegentlich mehr an Verlusten verdient werden kann, als an einer Verzinsung von Einlagen. Erfahrungen im Umgang mit Devisen oder Derivaten spielen eher eine untergeordnete Rolle. Leerverkäufe sind nicht erst ein Phänomen unserer Tage. Bereits im Jahre 1609 wurden Leerverkäufe auf Titel der Niederländischen Ostindien-Gesellschaft verboten. In der Finanzkrise 2008 traf es unter anderem Finanztitel und Wertpapiere wie Commerzbank, Deutsche Bank, die deutsche Börse, HypoRealEstate Holding und die Münchner Rück. Auch in den USA und Großbritannien waren Leerverkäufe einstweilen untersagt. Weltweit versuchten die Behörden, den totalen Zusammenbruch der Finanzmärkte zu verhindern. Im Moment ist der Zusammenbruch von Wirecard aktuelles Thema. 2019 waren die Leerverkaufs-Attacken gegen Wirecard kurzzeitig verboten.
Soviel zu Leerverkäufen, die besonders von Hedgefonds betrieben werden und diese Branche auch in bürgerlichen, neoliberalen Kreisen in Verruf gebracht haben. Aber das Thema ist interessant und weckt Wünsche. Vergleichbar, wie die steinreichen Börsengurus, durch einfaches Handeln (Traden) die große Kohle zu machen. Hedgen selber ist ja lediglich eine Form sein Portfolio gegen Verluste abzusichern, möglichst noch mit einer hohen Hebelwirkung (Leverage-Effekt) Am Besten noch ortsunabhängig am Strand der Träume und natürlich nur mit einem Notebook bewaffnet und dem kühlen Drink in der Hand. Genau diese Emotionen werden geschickt durch die verführerischen Angebote bei Facebook platziert. Die Finanzbranche ist da ja nur ein Bereich. Ganz oben steht folgender Wunsch an: ONLINE, ORTSUNABHÄNGIG und ohne zeitliche Vorgaben, GELD zu VERDIENEN. Mit kostenlosen Webinaren wird geworben. Das sind Beeinflussungs-Veranstaltungen die zum scheinbar selbst gewollten Tun anregen sollen. Am Ende der Vorstellung wird ein kostenpflichtiges Angebot offeriert. Dies Angebot nicht anzunehmen bedeutet nur, so die überheblichen Protagonisten dieses Angebots, du bist an deiner miesen Situation selber Schuld. Freies Unternehmertum, jeder ist seines eigenen Glückes Schmied und schlussendlich Milliooooonen verdienen – das sind die Schlüsselworte mit denen uns diese bürgerliche Weltanschauung verkauft werden soll. Geldverdienen hat nichts mit Ausbeutung zu tun, soll uns hier weis gemacht werden (das mit der Ausbeutung war nur vor 100 Jahren so – heute nicht). Die intelligenteste Reaktion auf diese Angebote bei Facebook & Co. ist, sie nicht anzunehmen! Der Einzige der Geld macht, ist der Initiator dieser Angebote. Ich meine, das ist Ausbeutung genug.
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