Biden gibt Gas – eine Analyse des Wirbels um die Ukraine

Die Volkskorrespondenz zum Wochenende
Rüdiger Rauls – 12. Dezember 2021

Rüdiger Rauls

Seit die USA von einer Bauernarmee mit altmodischen Waffen aus Afghanistan vertrieben wurden, werden sie nun in anderen Teilen der Welt verstärkt rührig. Vermutlich will man das unrühmliche Ende des erfolglosen zwanzigjährigen Krieges gegen den Terror schnell vergessen machen. Im politischen Washington will man dieses Thema von Tisch haben, ohne aber die Niederlage öffentlich aufarbeiten zu müssen. Was hilft da besser, als durch erhöhte Aktivität den Beginn einer neuen Epoche glauben zu machen. Anscheinend will man die Zeit, die man mit fruchtlosen und teuren Kriegen in den Wüsten der islamischen Welt vertan hat, nun durch hyperaktives Auftreten wieder hereinholen.

Dieses planlose politische Hyperventilieren richtet sich in erster Linie an die eigene Bevölkerung, wie es scheint. Man will vergessen machen, dass die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan nichts erreicht haben außer Hunderte von Milliarden verpulvert zu haben, während die Infrastruktur der amerikanischen Städte verfällt. Biden versucht, das „Make America great again“ seines Vorgängers Trump fortzusetzen. Doch es fällt dem Tattergreis schwer, den Eindruck von Stärke und Substanz zu vermitteln. Die Amerikaner selbst trauen ihm das zu weiten Teilen nicht zu. Und seine politischen Gegner in Moskau und Peking beeindruckt das noch viel weniger.

Aber er kann auch nicht zurück, will er nicht die Sehnsucht vieler Amerikaner nach der „guten alten Zeit“ unter Trump befeuern, der kraftvoll aufzutreten schien, auch wenn er selbst wenig Erfolge am Ende seiner Dienstzeit aufzuweisen hatte. Auch unter seiner Herrschaft ist Amerika nicht zu alter Größe aufgelaufen. Die Chinesen haben sich mit ihrer Wirtschaft die Erde untertan gemacht und Russland sowie Teheran haben mittlerweile im Nahen Osten mehr Einfluss und Gewicht als je zuvor.

US-Präsident Joe Biden. Bild: YouTube (Ausschnitt)

Was also bleibt sleepy Joe anderes übrig, als den kernigen Macher zu geben – außenpolitisch, wenn er schon im eigenen Land die Herzen nicht erobern kann. Denn nach den Umfragen zeigen sich die meisten Amerikaner enttäuscht über die ersten Amtshandlungen den neuen Präsidenten. Zuhause kann man den Menschen nicht so viel vormachen wie auf dem Feld der Außenpolitik. Sie erkennen, ob sich die Lage im Lande bessert, was Corona angeht, die Preissteigerungen, die Kriminalität und in Bezug auf all die anderen Felder des Alltags.

Da ist es in der Außenpolitik leichter, durch Aktionismus den Eindruck von Handlungsfähigkeit zu erwecken. Hier können doch die wenigsten Menschen aufgrund der Manipulationen der Medien und Meinungsmacher die wirkliche Lage realistisch einschätzen. Sie glauben den Behauptungen, dass die Russen und die Chinesen die Welt und die USA bedrohen. Wie sollten sie es auch anders sehen, wenn ihnen das jeden Tag über die Medien und Meinungsmacher eingeträufelt wird. Und vermutlich sind sie auch stolz auf ihren Präsidenten, auf Amerika und dessen Größe, wenn den Chinesen und Russen mal wieder gezeigt wird, wo der Hammer hängt.

Andererseits scheinen die Verantwortlichen in Washington aber auch zu erkennen, dass sei ein gefährliches Spiel betreiben. Denn mit ihrem Aktionismus wecken sie Erwartungen in der Ukraine und Befürchtungen in Russland. So werden nicht umsonst nach jedem werbewirksamen Drehen an der Eskalationsschraube sehr schnell die Angefeindeten in Moskau und Peking um Termine für Telefonate und Videokonferenzen gebeten. Es ist Washington, das um Gespräche bittet. Anscheinend will man es doch nicht zu sehr auf die Spitze treiben mit den Anfeindungen und dem Aufbau von Feindseligkeiten.

Denn weder gegenüber Peking in der Taiwan-Frage noch gegenüber Russland im Ukraine-Konflikt hat man mit dem Einsatz militärischer Mittel gedroht. Vielmehr hat Washington den ukrainischen Ministerpräsidenten vor Maßnahmen gewarnt, die die Russen zu sehr provozieren könnten. Denn einen militärischen Konflikt wollen die Amerikaner weder mit Russland noch mit China riskieren. Zündeln? Ja, aber Feuerlegen? Nein.

Wenn auch Biden ordentlich Gas gibt auf dem außenpolitischen Parkett, so will er doch nicht aus der Kurve fliegen. Vermutlich weiß er selbst am besten um die Machtlosigkeit der USA in beiden Konflikten. Denn wer in Afghanistan kein Bein auf die Erde bekommt, wie will der gegen Russland und China, die beide immer mehr als strategischer Block zusammenwachsen, bestehen?
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Bilder und Bildunterschriften wurden von der Redaktion RoterMorgen hinzugefügt.
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Über den Autor:
Rüdiger Rauls, Jahrgang 1952, ist Reprofotograf sowie Autor mehrerer Bücher. Die bekanntesten sind „Wie funktioniert Geld?“, „Zukunft Sozialismus“, „Kolonie Konzern Krieg“ und „Die Entwicklung der frühen Gesellschaften“.

Einige Buchveröffentlichungen von rüdiger Rauls:

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4 Kommentare

  1. Selbst wenn sie derzeit nicht so offensichtlich mit dem ganz heissen Feuer spielen wollen, sollten sich die USA im Klaren darüber sein, dass der nächste verlorene Krieg ihr letzter gewesen sein könnte. Und ein Gegner, der sich so in eine Ecke gedrängt fühlt, dass ihm die Luft zum Atmen fehlt, könnte, der Not gehorchend, einige höchst gefährliche „Ausfallschritte“ veranstalten.

  2. Er will ja die ultra-konservativen Kriegsbefürworter und Imperialisten jetzt davon überzeugen dass er die richtige Strategie hat. Welche Terrorkumpane er da mit in dieses schmutzige Unternehmen reisst ist ihm egal. Zur Not wird eben das in den Augen vieler Amerikaner , kommunistische Deutschland dafür gerade stehen müssen. Die jetzige blassgrüne Aussenministerin mit ihren willigen Stiefelknechten wurde schon lande darauf eingenordet.

  3. Zündeln? Ja, aber Feuerlegen?

    »Die USA würden „entschlossen“ auf eine russische Invasion in der Ukraine reagieren«

    Sollte es in Europa zu einem begrenzten Krieg mit Russland kommen, so wäre dies vor allem auch im wirtschaftlichen Interesse der USA. Eine militärische Auseinandersetzung, begrenzt auf Europa, würde zur wirtschaftlichen Schwächung Westeuropas führen und damit zugleich die wirtschaftliche Position der USA stärken. Insbesondere Deutschland hätte in infolge mit einem nicht unerheblichen wirtschaftlichen und sozialen Schaden zu kämpfen.

    PS: Deutschland würde bei einer militärischen Auseinandersetzung in Europa am meisten verlieren, dies wäre so ganz im ökonomischen und politischen Interesse der USA. Der wirtschaftliche Zusammenbruch hätte unabsehbare soziale und gesellschaftspolitische Folgen für die deutsche Bevölkerung.

    Vgl. Biden stellt sich auf die Seite der Ukraine (msn.com)

    03.01.2022, R.S.

  4. Vorsicht, braver deutscher Michel: „Verschwörungstheorie“ ?

    Aspekte der geopolitischen und militärischen Eskalation um die Ukraine für EU-Deutschland.

    »Der Kalte Krieg ist kein kalter Kaffee. Die Ost-West-Konfrontation hat nach 1989 niemals wirklich geendet – das wird von westlichem Wunschdenken gern verdrängt.«

    Vgl. Neue Zürcher Zeitung *

    Kommentar

    Aufwachen, braver evangelikaler Seenotretter und deutscher Gutmensch und Kuschelbärchen Werfer:

    NATO-Außenpolitik und EU-Innenpolitik – für die soziale Migration nach Deutschland?

    ►Millionen Ukrainer demnächst als Flüchtlinge nach Deutschland?

    Oder: Wohin mit den Sozialflüchtlingen und Migranten aus der Ukraine, vor allem nach Deutschland?

    ►Wer einen begrenzten militärischen Konflikt mit Russland herbeiredet und befürwortet, der sollte sich auch schon heute Gedanken darüber machen: über die Millionen Flüchtlinge und Migranten aus der Ukraine in die deutschen Sozialsysteme und auf den begrenzten deutschen Wohnungsmarkt.

    ►Es ist wohl kaum anzunehmen, dass die Befürworter eines Konflikts mit Russland dazu bereit sein werden, Millionen Flüchtlinge und Familien aus der Ukraine in ihren Ländern aufzunehmen.

    ►Allenfalls rechnen die baltischen, polnischen und selbst die ukrainischen Befürworter einer militärischen Auseinandersetzung mit einer sozialen Aufnahme flüchtiger Ukrainer durch die Sozialkassen und durch den begrenzten und bereits angespannten Wohnungsmarkt in Deutschland.

    PS: Den Villenbesitzern und Aktionären der Rüstungsindustrien und den gut situierten Demagogen und politischen Eliten in den NATO-Staaten können die sozialen Folgeprobleme egal sein, deren soziale Sicherheit wird im Vergleich zur großen Mehrheit ihrer EU-Bevölkerungen vorrangig gewährleistet. ◄◄

    * Vgl. https://www.nzz.ch/meinung/ost-west-konfrontation-der-kalte-krieg-hat-nie-geendet-ld.1664032

    23.01.2022, R.S.

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