Redaktion – 29. Februar 2024
Systemkritische Linke in Russland für aktiven Wahlboykott
In Russland hat sich eine Koalition systemkritischer linker Kriegsgegner „Für eine gerechte Welt“ bzw. „Für einen gerechten Frieden“[1] gebildet, welche für die Präsidentschaftswahl (15. bis 17. März) dazu aufruft, ungültig zu stimmen. An der Koalition sind mehrere medial bekannte Politiker wie der Abgeordnete der Moskauer Stadtduma – jedoch aus der KPRF ausgeschlossene – Jewgeni Stupin, der ehemalige KPRF-Kandidat Michael Lobanow und das bekannte linke Youtube-Projekt Westnik Buri um Andrei Rudoy beteiligt.
Auch die linkssozialdemokratische Russische Sozialistische Bewegung (RSD) unterstützt die Koalition. Viele, aber nicht alle, der Beteiligten wurden bereits von den russischen Behörden zu „Ausländischen Agenten“ erklärt und mussten wegen Repressionen Russland verlassen. Die Koalition weist auf die Gleichartigkeit aller Kandidaten in der Kriegsfrage und der Frage der repressiven antidemokratischen Gesetzgebung hin und kritisiert die Nichtzulassung oppositioneller Kandidaten. Für die russische antiputinistische und kriegskritische Linke könnte die Präsidentschaftswahl die letzte Chance darstellen, auf die politischen Prozesse in Russland Einfluss zu nehmen und Protest auf legalem Wege zum Ausdruck zu bringen.
Die Kampagne ruft dazu auf, am 17. März um 12:00 gemeinsam in den Wahllokalen zu erscheinen und eine ungültige Stimme abzugeben, indem das Kreuz bei mehreren Kandidaten gleichzeitig gesetzt wird. Durch die Stimmabgabe am letzten Abstimmungstag soll Wahlfälschung vorgebeugt werden. Auch der elektronischen Stimmabgabe wird misstraut, zumal sie kein Ungültigstimmen erlaubt. Mit dem Erscheinen am 17. März um 12:00 schließt sich die Kampagne offenbar bewusst an ähnliche Aufrufe der liberalen Opposition, inkl. der Nawalny-Anhänger, an.
Ein politisches Manifest der Koalition ist separat auch in deutscher Übersetzung verfügbar[2]. Es stellt ein Minimalprogramm dar und zeigt deutliche Spuren politischer Kompromissfindung zwischen seinen sehr unterschiedlichen Unterzeichnern. So werden die Ursachen für den Ukraine-Krieg im Aufeinanderprallen der Interessen russischer und westlicher Imperialisten zwar angedeutet, aber nicht offen ausgesprochen. Dies dürfte wohl auch der Grund dafür sein, dass eher orthodox-marxistische Kriegsgegner wie die Nowosibirsker Gruppe „Krasny Poworot“, die Vereinigte Kommunistische Plattform der Internationalisten (OKPI), die Russische Arbeitsfront (RTF) und ihnen nahestehende mediale Figuren wie der Ökonom Oleg Komolow sich der Koalition bisher nicht angeschlossen haben. Die Union der Marxisten und Organisation der Kommunisten-Internationalisten haben sich bisher auch noch nicht positioniert. Die Idee des aktiven Wahlboykotts wird jedoch auch unter all diesen Gruppen aus ähnlichen Gründen breit beworben. Einzig der ehemalige KPRF-Abgeordnete der Saratower Duma und bekannte Video-Blogger Nikolai Bondarenko, den man ebenfalls der antiputinistischen Linken zurechnen kann, betreibt Wahlwerbung für den KPRF-Kandidaten Nikolai Charitonow.
Weitere bekannte russische Linke wie der Soziologe Boris Kagarlitzki[3] – von den Behörden zum „Agenten“ und Terroristen erklärt – wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Dem Anführer der Linksfront Sergei Udalzow, der jedoch den Krieg auf Seiten Russlands unterstützt, wird derzeit unter ähnlichen Vorwürfen der Prozess gemacht.
Die Seite der Kampangne wurde inzwischen in Russland gesperrt.
Festzustellen ist das der Aufruf nicht revolutionär, sondern sozialdemokratische Wurzeln hat. Allein die Einschätzung des Steuerssystems im „Westen“ belegt dieses eindeutig.
Was wir und das russische Volk brauchen, ist aber eine revolutionäre Partei die in der Lage ist den Massen den Marxismus-Leninismus zu lehren und sie in diesem Sinne zu leiten. Nur so ist gewährleistet das bei der Einschätzung des Kapitalistischen Wirtschaftssystems nicht solche Fehler gemacht werden wie es die russischen Systemkritiker machen. Lenin lesen und verstehen wäre hier ein guter Rat.
[1]: https://www.spravedlivost2024.org
[2]: Manifest „Gerechte Welt“
[3]: https://freeboris.info/de
[1] Anm. d. Übers.: Kann auch „Gerechter Friede“ gelesen werden. Der Text spielt fast durchgängig mit dieser Zweideutigkeit.
[2] Anm. d. Übers.: Eine staatliche soziale Leistung, welche für bestimmte Zwecke zur Familiengründung ausgegeben werden darf und nicht zurückbezahlt werden muss.
Kontakt: Info@RoterMorgen.eu
.
Zum Wahlboykott-Aufruf kann man feststellen, dass das Ganze ein sozialdemokratischer Schmuß ist was u. a. besonders hervorgehoben wird durch die Behauptung das im Westen ein besseres Steuersystem herrsche. also das Steuersystem das täglich die Herrschaft es Kapitals aufrecht erhält.
Zitat aus dem Aufruf:
„Die absurde Steuerpolitik, bei der die Armen in Russland einen höheren Prozentsatz ihres
Einkommens (inklusive Mehrwertsteuer) an den Haushalt abführen als die Reichen, sollte revidiert
werden.
Nach zwei katastrophalen Weltkriegen haben die europäischen Regierungen hohe Steuern auf
Höchsteinkommen und auf die Vererbung von großen Vermögen eingeführt. Dies trägt dazu bei, das
Anwachsen der Ungleichheit und der Machtkonzentration einzudämmen und so Kriege und Konflikte
zu verhindern. Wir sollten uns auf dieser Erfahrung stützen, ebenso wie auf die modernen Ökonomen,
die sich mit dem Problem der Vermögensbesteuerung befassen.“
Gut, das bei einem solchen Bündnis nicht die Revolution propagirert wird, ist nachvollziehbar. es zeigt aber auch das die Initiatoren die Funktion des kapitalistischen Wirtschaftsystems noch nicht durchblicken.
Der Meinung bin ich auch. Ich habe ihnen geschrieben, das ich persönlich das Manifest auch nicht unterschrieben hätte. Dafür gibt es zwei Gründe:
– Zum Einen wegen den Illusionen über westlichen Kapitalismus
– und zum Anderen weil der zwischenimperialistische Charakter des Krieges nicht klar ausgesprochen wird.