PERSPEKTIVE»online – 28. Dezember 2022
Nach mehrtägigen Artilleriebeschuss hat die türkische Luftwaffe am Sonntag erneut verschiedene Gebiete in Nordsyrien bombardiert. Derweil laufen in den von der kurdisch geführten SDF kontrollierten Gebiete Vorbereitungen auf einen „revolutionären Volkskrieg“ gegen eine drohende türkische Invasion.
Seit langem sieht die türkische Führung um Recep Tayyip Erdoğan die kurdischen Autonomiebestrebungen in Nordsyrien als Bedrohung an. Immer wieder erklärte er öffentlich die Notwendigkeit einer Militärinvasion zur Zerstörung des demokratischen Aufbauprojekts. Bisher schien es jedoch dafür von zentralen Mächten in der Region, wie den USA oder Russland kein grünes Licht zu geben.
Doch da diese den Luftraum über Nordsyrien kontrollieren müssen sie sich zumindest neutral zu den Bombardements gestellt haben, welche die Türkei seit dem 20. November durchführt. An diesem Tag begann die türkische Luftwaffe mit einer breiten Bombardierung von militärischen und zivilen Zielen in der kurdischen Autonomieregion in Nordsyrien (kurdisch: Rojava). Diese dauerten drei Tage an.
Vergangenen Dienstag erklärte Erdoğan, dass er eine Bodenoffensive anstrebt: „Sobald wie möglich werden wir, so Gott will, zusammen mit unseren Panzern, Soldaten und Weggefährten, alle ausrotten“. In der Folgezeit kam es zu verschiedentlichen Angriffen mit Artillerie, wie die kurdische Nachrichtenagentur ANF berichtet.
Am Freitag teilte das US-Zentralkommando (CENTCOM) mit, dass Raketen auf einen Stützpunkt der US-Truppen in Şedadê (al-Shaddadi) im Süden von Hesekê abgefeuert wurden. Bei dem Angriff gab es weder Verletzte noch Schäden an der Basis. CENTCOM-Sprecher Joe Buccino erklärte jedoch: „Angriffe dieser Art gefährden die Koalitionsstreitkräfte und die Zivilbevölkerung und untergraben die hart erarbeitete Stabilität und Sicherheit in Syrien und der Region.”
Am Sonntag kam es dann erneut zu Bombardements aus der Luft. Laut Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte trafen diese Stellungen am Militärflughafen Meng, sowie viele Städte und Dörfer im ländlichen Aleppo, Hesekê und Reqa. Bisher seien keine Opfer bekannt. Im Umland von Reqa kam es zu Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und den kurdisch geführten “Demokratischen Kräften Syriens” (SDF).
Insgesamt seien laut Syrischer Beobachtungsstelle seit beginn der der türkischen Luftangriffe bisher 45 Menschen getötet und 34 weitere verletzt worden. Darunter befänden sich:
- 21 Angehörige von militärischen Verbänden, die in den von den kurdisch geführten SDF kontrollierten Gebieten operieren
- Ein Korrespondent einer Presseagentur
- 18 Soldaten der syrischen Armee
- Sowie Fünf kurdische Kämpfer:innen, die an der Frontlinie von Baylouniyah im Norden Aleppos getötet worden sein.
Bevölkerung bereitet sich auf „revolutionären Volkskrieg“ vor
In folge der türkischen Luftangriffe kam es in den SDF-kontrollierten Gebieten vielerorts zu Protesten gegen eine mögliche Invasion. Diese forderten ein Ende der „türkischen Aggression“ und forderten die „internationale Gemeinschaft“ auf, diese zu beenden. Insbesondere die Beerdigungen von Gefallenen seien zu Massenprotestaktionen geworden.
Zugleich finden in der Bevölkerung Mobilisierungsaktionen zur Verteidigung gegen eine Bodenoffensive statt. So berichtet die Nachrichtenagentur ANHA von einer Gruppe von 25 Jugendlichen, die sich am Gründungsjubiläumstag der PKK den YPG und YPJ anschlossen. Diese würden sich auf einen „revolutionären Volkskrieg“ vorbereiten.
Der QSD-Generalkommandant Mazlum Abdi erklärte dazu am Samstag gegenüber Journalist:innen, die Türkei bereite einen Angriff auf Kobanê, Minbic und Tel Rifat im Kanton Şehba vor. Abdi betonte, dass die QSD und die Bevölkerung von Kobanê bereit seien, jedem türkischen Angriff entgegenzutreten, und dass diese Schlacht anders sein werde als frühere.
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Erstveröffentlichung am 28. November 2022 auf »PERSPEKTIVE>>«. Wir danken den Genossinnen und Genossen von »Perspektive« für ihre gute Arbeit und der Genehmigung der Weiterveröffentlichung. Bilder und Bilduntertexte wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.
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