Angeklagte Magdeburger Antifaschisten drehten den Spieß um und nutzten den Gerichtssaal zur Anklage!

17. September 2020: Morgengrauen über dem Camp der Friedensaktivisten im Gefechtsübungszentrums Colbitz-Letzlinger Heide. Bild "GÜZ abschaffen"

Redaktion – 29. Oktober 2021

Große Solidarität erfuhren die vier angeklagte Antifaschisten und Antiimperialisten Jojo, Paula, Katja und Ernst Ludwig am gestrigen Donnerstag vor dem Bonner Amtsgericht. Sie waren angeklagt, vom 18. auf den 19. September dieses Jahres zusammen mit rund 20 weiteren Kriegsgegner/innen Teile des Truppenübungsplatzes Altmark besetzt zu haben. Für diese Zeit wurde der Übungsbetrieb auf diesem Gelände vonseiten der Bundeswehr eingestellt.
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Gefechtsstand auf dem Gefechtsübungszentrums Colbitz-Letzlinger Heide. Bild „GÜZ abschaffen“

Auf dem über 230 qkm großen Gelände ist von Rheinmetall Europas modernstes Gefechtsübungszentrum (GÜZ) mit der „Kampfstadt Schnöggersburg“ mitten in einem Naturschutzgebiet für die Bundeswehr und ihren „befreundeten“ Armeen errichtet worden. Alle Soldaten, die in Auslandseinsätzen der Bundeswehr eingesetzt werden, üben hier moderne Kriegsführung einschließlich Häuserkampf. Der Krieg, den Deutschland seit mehr als 20 Jahren in alle Regionen der Welt (mit)-trägt, wird hier vorbereitet. Die Phantomstadt Schnöggersburg hat einen Sakralbau, ein Parlamentsgebäude, Hotels, Wohngebiete, eine U-Bahn, die einzige in Sachsen Anhalt übrigens einen Kanal und ein Elendsviertel. Soldatinnen und Soldaten aus vielen NATO-Ländern werden dort auf ihre Auslandseinsätze vorbereitet, einschließlich Häuserkampf. Alle deutschen Soldaten, die in den letzten 20 Jahren in Afghanistan eingesetzt wurden, haben dort das Töten geübt.

Der Platz wird auch von Polizeieinheiten als Übung gegen innere Aufstände genutzt: eine unsaubere Vermischung von Polizei- und Militärarbeit! Es gibt dort eine Stammbelegschaft, die bei diesen Übungen den Feind spielt. Das Gebiet gehört Schwedens Rüstungskonzern Saab, der von der Bundeswehr für die Nutzung bezahlt wird. 2020 wurde der Platz trotz Corona an 240 Übungstagen gebucht.

16. September 2020: Marsch zum Gefechtsübungszentrums Colbitz-Letzlinger Heide. Bild: „GÜZ abschaffen“
Die Übugsstadt Schnöggersburg im Gefechtsübungszentrum Colbitz-Letzlinger Heide. (GÜZ). Bild: dpa

 

Die Gewaltgreie Aktion GÜZ abschaffen
veröfentlichte nachfolgende Pressemitteilung:

Pressemitteilung Bonn, 28.10.2021
„Vier Kriegsgegner/innen erklären: „Wir sind auch verantwortlich für das, was wir nicht tun!

Am heutigen Donnerstag wurden vier Aktivisten/iinnen vom Amtsgericht Bonn zu einem Bußgeld von 200€ bis 500€ verurteilt. Im Rahmen der ‚Gewaltfreien Aktion GÜZ abschaffen‘ besetzten sie im Sommer 2020 zusammen mit 19 weiteren Kriegsgegner/innen das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark, um den Übungsbetrieb zu stören. Vor dem Gericht protestierten 16 Unterstützer/innen im Rahmen einer Mahnwache gegen die Kriegsübungen der Bundeswehr und die Verhängung von Bußgeldern für Aktivisten/-innen.

Jojo Müller aus der Pfalz erklärte vor Gericht:
‚Während wir uns heute und in den kommenden Wochen vor diesem
Gericht für eine Ordnungswidrigkeit verantworten müssen, klagen wir auf der anderen Seite das weitaus größere Unrecht des militärischen Status Quo an. Wenn in den nächsten Jahrzehnten das System Militär weiterhin das dominante Mittel zur „Lösung“ bleiben sollte, wenn wir nicht Mittel und Wege gefunden haben, aufkommendes Konfliktpotenzial anderweitig zu entschärfen, wenn wir nicht massiv abgerüstet und die Bundeswehr in eine zivile Friedens- und Katastrophenschutzmacht umgewandelt haben, dann werden wir uns als globale Gemeinschaft in Situationen wiederfinden, die enorm viel Zündstoff für Kriege bergen.‘

Paula Schumann, 22 Jahre alt und Studentin erklärte:
‚Ich bin 1999 geboren. In meinem gesamten bisherigen Leben gab es keinen einzigen Tag, an dem Bundeswehrangehörige nicht an Kriegshandlungen teilgenommen haben. Mit dieser entsetzlichen Tatsache kann ich mich nicht abfinden.‘
Den Aktionsort, der ganz in der Nähe ihres Wohnortes liegt, bewertete sie so: ‚Die Colbitz-Letzlinger Heide ist ein Ort, an dem weder Nachhaltigkeit noch Respekt für Menschenleben irgendeine Bedeutung zu haben scheinen. Die Bundeswehr nutzt diesen Platz, der als FFH-Gebiet ausgewiesen ist, auf eine sehr rücksichtslose Art und Weise, um Völkerrechtsbrüche und Menschenrechtsverletzungen vorzubereiten.‘

Die Bundeswehr verstoße mit ihren Auslandseinsätzen seit 22 Jahren gegen Artikel 25 und 26 Grundgesetz und gegen die UN-Charta. Sie bezieht sich u.a. auf den völkerrechtswidrigen Nato-Einsatz unter Bundeswehrbeteiligung gegen die Volksrepublik Jugoslawien im Jahr 1999.

Ernst-Ludwig Iskenius, ehemaliger Kinderarzt aus Lübtheen, berichtete von seinen Erfahrungen in ehemaligen Jugoslawien:
‚Ich war 3 Jahre während des Krieges in der Verantwortung für humanitäre Hilfe unterwegs. Ich bin
Zeuge von Zerstörung, Menschenrechtsverletzungen, ethnischen Säuberungen und individueller und sozialer Gesundheitsschädigung geworden. Das führte mich zu dem Schluß: Krieg ist die schlimmste Krankheit, eine durch Menschen verursachte Seuche. Ihr ist nicht mit vorbereiteten militärischen Gewaltmaßnahmen zu begegnen, sondern nur mit konsequenten zivil-präventiven Maßnahmen.“ (…) „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“

Elke Schrage, Gynäkologin aus Branschweig, erläuterte die Basis ihres Handelns:
‚Von deutschem Boden soll kein Krieg mehr ausgehen«“ ist tief in der sozialen Genetik der Bundesrepublik und in mir verwurzelt. Dieser Grundwert wird durch die Vorbereitung von Angriffskriegen, die auf dem GÜZ geübt werden, mit Füßen getreten.  Das «Gefechtsübungszentrum Heer« nördlich von Magdeburg ist mit seinen 232 km² und der genutzten Technik einer der modernsten Truppenübungsplätze Europas. Soldaten/-innen aus vielen Nato-Ländern werden dort auf ihre Auslandseinsätze vorbereitet, selbst Häuserkampf wird dort geübt. Alle deutschen Soldaten/-innen, die in den letzten 20 Jahren in Afghanistan eingesetzt wurden, haben dort das Töten geübt.‘

Rüdiger Wilke aus Bischofferode hat sich an der Aktion beteiligt: Weil ich die immer größer werdende Gefahr eines atomaren Konflikts sehe und die Schwelle zur Auslösung eines solchen Konflikts sich immer weiter absenkt – dagegen wollte ich handeln.‘ (…) ‚Militarisierung ist ein enorm ressourcen- und treibhausgasausfwändiger Bereich und damit einer der wichtigsten unterschätzten Klimakiller.‘
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Für die Besetzung des Truppenübungsplatzes Altmark im September 2020 bekamen in den vergangenen Monaten noch weitere 20 Aktivisten/innen Bußgeldbescheide in Höhe von 200 bis 500 Euro. Die Prozessreihe wird am 15. November 2021 fortgesetzt.

Typisch für solche politischen Prozesse, bei denen es um zivilen Ungehorsam geht, hat die Richterin die Erklärungen abgewiegelt und alle vorgebrachten Argumente vom Tisch gewischt: Es gäbe andere Möglichkeiten des Handelns in einem Rechtsstaat. Fie Friedesaktivisten/-innen sollten erst alle legalen Möglichkeiten des Protests nutzen.

Aber das Ziel ist mit Demonstrationen und Unterschriftensammlungen wesentlich schlechter zu erreichen, als wenn Kriegsgegner direkt vor Ort sind. Eine der Beteiligten erklärte vor der Presse: ‚Wir wollen irritieren, damit die Entscheider ihr Verhalten direkt überdenken. Ziviler Ungehorsam hat nicht die Absicht, demokratische Strukturen zu zerstören, sondern soll einen Denkprozess zum gesellschaftlichen Wandel in Gang setzen. Indem wir einen Ort wie das GÜZ 30 Stunden lang besetzen und dort übernachten, stoßen wir etwas an.'“

September 2020: Camp der Friedensaktivisten im Gefechtsübungszentrums Colbitz-Letzlinger Heide. Bild „GÜZ abschaffen“

Das die vier Angeklagten Friedenskämpfer/innen sich nicht auf die Anklagepunkte der bürgerlichen Justiz eingelassen haben und den Prozesssaal selber zur Anklage nutzten, war genau richtig. Nur wenn wir verschleierte politische Prozesse auch politisch führen, können wir gewinnen, Aufmerksamkeit erlangen und so andere Menschen die Augen öffnen. Dieses Vorgehen, wie es schon Ernst Thälmann und Ernst Aust betrieben haben, ändert nichts am Strafmaß. Bei politischen Prozessen steht die Verurteilung schon vor der jeweiligen Verhandlung fest. Hoch die Faust für die vier Angeklagten – Ihr hab es gut gemacht!

Aber auch diese vorbildlichen Aktionen des Zivilen Ungehorsams wird nicht reichen, um Kriege, Flucht und Armut von unserem Planeten zu verbannen. Letztlich sind imperialistische Kriege nur die logische Folge der kapitalistischen Weltordnung. Dieses Unterdrückersystem kann nur existieren, wenn es immer wieder neue Profitquellen in Formen von Rohstoffen, billigen Arbeitskräften und zu deren Sicherung auch immer neue Militärbasen und das Besetzen anderer Länder wie jüngst Afghanistan verschafft und unterhält. Dafür brauchen die Bosse der Banken Fabriken, ein im Töten ausgebildetes Militär – darum gibt es Übungsplätze wie das Gefechtsübungszentrum bei Magdeburg. Erst wenn wir, das arbeitende Volk die Ursache aller Kriege beseitigt haben, haben wir Chancen auf Frieden auf unserem Planeten.

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Wir fordern:

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Sofortige Rücknahme aller Busgeldbescheide gegen die Magdeburger Friedensaktivisten/-innen

Den sofortigen Abzug aller deutschen Truppen aus dem Ausland!

Kein Einsatz der Bundeswehr im Innern!

Keine deutsche Beteiligung an US-amerikanischen Kriegen!

Schluss mit der Kriegspropaganda gegen Iran und Russland!

Deutschland raus aus der NATO.

Sofortiger und entschädigungsloser Abzug aller
fremder Truppen aus Deutschland.

 

Für Frieden, Völkerfreundschaft und internationale Solidarität!
Krieg dem Imperialistischen Staat!
Nieder mit der Herrschenden Klasse und ihrer Weltordnung!

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