Paragraf 218: Schwangerschaftsabbrüche sollen laut Ampel-Regierung illegal bleiben

Ted Eytan from Washington, DC, USA, 2022.06.24 Roe v Wade Overturned - SCOTUS, Washington, DC USA 175 143324 (52169647607), CC BY-SA 2.0

Tabea Karlo – PERSPEKTIVE»online – 17. April 2024

Die Debatte um den umstrittenen Paragrafen zu Schwangerschaftsabbrüchen dauert seit Jahren an. Zur Klärung der Frage setzte die Regierung eine Kommission ein. Diese kam zu dem Schluss, dass die Aufrechterhaltung des Paragrafen 218 nicht nur wenig sinnvoll, sondern auch rechtswidrig wäre. Die Ampelregierung möchte das Gesetz nun trotzdem so lassen, wie es ist.

Vor wenigen Tagen hat die von der Ampelkoalition eingesetzte Kommission zu Schwangerschaftsabbrüchen ihre Arbeit abgeschlossen. Sie kommt in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass die bisherige Illegalisierung von Abbrüchen rechtlich nicht haltbar ist und schlägt eine Überarbeitung des Rechts vor. Der Schwangerschaftsabbruch soll in den ersten zwölf Wochen legal sein. Außerdem soll sich das Recht für Eizell-Spenden verändern – sie sind bisher verboten – und neu über das Konzept der Leihmutterschaft debattiert werden.

Verschiedene Politiker:innen der Koalition, Lisa Paus (Grüne), Karl Lauterbach (SPD) und Marco Buschmann (FDP) gaben nun in einer Pressekonferenz am Montag bekannt, dass sie trotzdem nicht planen, das Recht zu überarbeiten. Da die Empfehlungen der bisher eingesetzten Kommission aus Wissenschaftler:innen keinerlei Rechtsbindung haben, sind sie dazu auch nicht verpflichtet.

Frauenrechte dürfen keine Verhandlungssache sein

Die jetzige Regelung – also dass Schwangerschaftsabbrüche zwar verboten sind, unter bestimmten Bedingungen in den ersten 3 Schwangerschaftsmonaten jedoch straffrei – wird dabei als eine Art „Kompromiss“ zwischen Gegener:innen und Befürworter von Abbrüchen verkauft. Von einem Kompromiss zu reden, ist allerdings mehr als unpassend, wenn die eigentlich Betroffenen bei der Entscheidungsfindung keinerlei entscheidendes Mitspracherecht haben. Mal abgesehen davon, dass grundlegende demokratische Rechte für alle Menschen keine Verhandlungsfrage sein sollten.

Frauen, aber auch denjenigen Transpersonen, die schwanger werden können, wird bei diesem “Kompromiss” faktisch das Recht auf Selbstbestimmung aberkannt. Dieses Recht, das durch die kapitalistische Gesellschaft auch ansonsten eingeschränkt wird – schließlich können arme Menschen sich auch nicht frei entfalten – , wird Frauen und Transpersonen so nicht einmal auf dem Papier zugestanden.

Demokratie – aber für wen?

In der Debatte wird aber nicht nur das grundsätzliche Recht auf Selbstbestimmung infrage gestellt, zusätzlich zeigt sich in ihr auch das wahre Gesicht der deutschen Demokratie: Politiker stellen sie gerne als Optimum dar, als das Beste, was demokratisch möglich sei. In der Realität wird allerdings regelmäßig über den Willen des Volkes hinweg, bzw. direkt gegen seinen Willen gearbeitet.

Das zeigt sich in der Entscheidung zu Schwangerschaftsabbrüchen mehr als deutlich. So gibt es unter anderem eine Bevölkerungsumfrage, die im Auftrag des Bundesfrauenministeriums  erstellt wurde und belegt, dass sich die Mehrheit der Deutschen für ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch ausspricht: Mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung halten es für falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere sich nach einer Beratung entscheidet, rechtswidrig ist. Außerdem denken 75 Prozent, dass es falsch ist, Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch zu regeln.

Rechtsstaat, aber nicht für Frauen und Transpersonen

Spannend ist an dieser Stelle natürlich auch, dass sich gerade von der Politik immer wieder auf den sogenannten „Rechtsstaat“ bezogen wird. Abgesehen davon, dass man sich – wenn man der obigen Darlegung folgt – sicher fragen muss, inwiefern dieser Rechtsstaat uns tatsächlich alle vertritt, muss man sich jetzt zusätzlich fragen, warum es kein rechtliches Problem zu sein scheint, dass der Paragraf 218 aktiv gegen das Grundrecht auf Selbstbestimmung verstößt.

Denn dass er das tut, ist offensichtlich: schließlich dürfen Schwangere nicht mehr vollständig selbst über ihren Körper bestimmen, werden also gezwungen, Schwangerschaften auszutragen – jetzt von der Expertenkommission bestätigt.

Das alles scheint für die Regierung aber eher zweitrangig zu sein. Im Kontext der aktuellen Abschiebungsdebatten zeigt sich, dass unser „Rechtsstaat“ nur dann von Bedeutung ist, wenn er Staat und Kapital nützt. Und dass Grundgesetze eben auch mal verletzt werden können, wenn die Debatte zu „emotional“ und „komplex“ ist, wie Lisa Paus (Grüne) in der Pressekonferenz so schön sagte.

Erstveröffentlichung am 17. April 2024 auf »PERSPEKTIVE>>«. Wir danken den Genossinnen und Genossen von »Perspektive« für ihre gute Arbeit und der Genehmigung der Weiterveröffentlichung. Bilder und Bilduntertexte wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.

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4 Kommentare

  1. Was eine Frau mit ihrem Körper tut kann niemals „illegal“ sein! Dieser Körper ist von ihrer Geburt an ihr Legat. Es liegt in unserer aller (auch meinem männlichen) Interesse, solche Bevormundungen abzustellen.

    • Was ist mit dem Körper, der in der Frau heranwächst, wer entscheidet für den? Setzt sich der Stärkere Teil, die erwachsene Frau, durch oder wird auch Rücksicht auf den schwächeren Teil, das heranwachsende Kind, genommen?

      • Hallo Mathias, das sind doch olle konservative Kamellen. Abtreibungsgegner wie Du haben unterschiedliche Motive: Von ihrer eigenen religiösen Überzeugung bis hin zu blankem Frauenhass und rassistischen Verschwörungen über Geburtenrückgang und “Umvolkung”. Sie alle eint ein unterdrückerisches Frauenbild.
        Unter dem Vorwand von „Lebensschutz“ fordern sie die vollständige Kontrolle über Menschen, die schwanger werden könnten. Besonders ausgeprägt war diese Unterdrückung zur Zeit des Hitler-Faschismus, der dem §218 nämlich einen weiteren zur Seite stellte: Laut §219 sind sogar Informationen von Ärzten zu Abbrüchen straftbar und werden ihnen als Werbung zur Last gelegt. Der Fall der Ärztin Kristina Hänel, die über verschieden Möglichkeiten des Abbruchs auf ihrer Webseite aufklärt, wurde populär. Sie wehrt sich seit Jahren gegen verhängte Strafen und kämpft dafür, Patientinnen aufklären zu dürfen, wie es auch bei jedem anderen medizinischen Eingriff gängig und wichtig ist.
        So lange die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung derart eingeschränkt wird, so lange gibt es auch schon Widerstand dagegen. Die Kommunistin und Künstlerin Käthe Kollwitz zeichnete für die KPD im Jahre 1923 eine hungrige Mutter mit zwei Kindern und brachte damit das Leid vieler Schwangerer ihrer Generation zum Ausdruck: Sie hatten keine Möglichkeit, ihre Kinder zu versorgen, waren aber gezwungen, sie zu gebären.
        Die Gründe, aus denen Schwangere sich heute entscheiden, kein Kind zu bekommen, sind vielleicht andere. Manchmal sind es auch genau dieselben Gründe. Wichtig ist vor allem eins: ganz egal welcher Grund, ganz egal wo, ganz egal wer – ein kostenfreier, sicherer und legaler Schwangerschaftsabbruch ist Grundversorgung und muss raus aus dem Strafgesetzbuch!
        Fiete, Red. Roter Morgen

        • Hallo Fiete, danke für deinen Kommentar. Ich stimme mit vielem überein, was Roter Morgen schreibt, aber wie es so im Leben ist, eben nicht mit allem.
          Du bezeichnest mich als Abtreibungsgegner, aber wo in meinem Text schreibe ich das? Ich stelle lediglich Fragen zum Nachdenken… und in deinem Text sehe ich nicht, dass du auf die Fragen eingehst. Mich würde ehrlich echt deine Meinung zu den Fragen interessieren. Freue mich auf eine Antwort. Gruß Mathias

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