
Redaktion – 15. Juni 2020
Die Bundesagentur für Arbeit gab aktuell einen Rekordwert von 7,3 Millionen Kollegen bekannt, die sich in Kurzarbeit befinden. 2009 wurden aufgrund der Finanzkrise „nur“ 1,5 Millionen Beschäftigte als „Kurzarbeiter“ geführt. Die Redaktion des ROTER MORGEN verglich beide Krisen miteinander und stellen fest: Es betraf vor elf Jahren vorwiegend Industrieunternehmen, heute zieht sich die Kurzarbeit über fast alle Wirtschaftszweige hinweg. In den nächsten Monaten werden uns Massenarbeitslosigkeit und Inflation erwarten. Hinzu kommt, dass die üppigen Geschenke an die Großindustrie jemand bezahlen muss. Da wird uns dann die regierung im Auftrag ihrer Herren, natürlich erst NACH der Bundestagswahl im Herbst 2021, mit umfangreichen Steuererhöhungen foltern.
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Insolvenzen und Massenentlassungen zur Sicherung der Profite des Kapitals
An der Situation gibt es nichts zu beschönigen. Daimler Benz beabsichtigt 10.000 Kollegen zu entlassen.
Bei Audi in Ingolstadt stehen auch nahezu 10.000 Arbeitsplätze vor dem aus.
Bei der Lufthansa, Deutschlands größter Fluglinie verliert das Unternehmen stündlich eine Million Euro. Bisher war offiziell von deutlich mehr als 10.000 Arbeitsplätzen die Rede, jetzt wird der Wegfall von 26.000 Jobs diskutiert. Vergessen wir nicht, dass die Lufthansa ein Rettungspaket von insgesamt neun Milliarden Euro erhält. Hier geht es ab, wie in einem Selbstbedienungsladen.

Der Job-Kahlschlag in der Autobranche greift weiter um sich: Der Zulieferer ZF Friedrichshafen will bis zu 7.500 Stellen streichen. Insgesamt sollen es 15.000 in drei Jahren werden.
Der Autozulieferer Continental will einen dreistelligen Millionenbetrag einsparen. Der Konzernchef Degenhard bezeichnet diesen Vorgang als „sehr schmerzhaft“, will sich aber über die Größenordnung des Stellenabbaus nicht äußern. Bei Continental arbeiten 241.000 Kollegen. Was als „schmerzhaft“ bezeichnet wird, können wir uns nur denken.
Galeria Karstadt Kaufhof hatte im April eine sog. Schutzschirm-Insolvenz eingeleitet. Bis zu 80 von den 170 Filialen sind von der Schließung betroffen. Die Warenhauskette beschäftigt 32.000 Mitarbeiter. Ein Kahlschlag auf Kosten der Beschäftigten könnte gut die Hälfte der Kollegen den Job kosten.
Volkswagen hatte bereits im Herbst 2016 mit dem Betriebsrat ein großes Sparprogramm verabredet, das bis Ende 2020 läuft. Es sieht den weltweiten Abbau von 3.000 Stellen vor, 23.000 davon in Deutschland. Jetzt sollen zusätzlich bis zu 9.000 Arbeitsplätze in den Verwaltungen vernichtet werden.
Auch BMW will Stellen im Konzern abbauen. Der Vorstand verhandelt mit dem Betriebsrat darüber, wie er rund 6.000 der weltweit 126.000 Arbeitsplätze streichen kann.
Eine perfide Besonderheit erleben wir bei Opel Deutschland. Rund 15.000 Mitarbeiter des Autobauers müssen sich auf Einschnitte bei ihrer betrieblichen Altersversorgung einstellen. Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung sind „Lohnersatzkosten“ gleichzustellen, auch wenn der Aufwand arbeitgeberfinanziert ist. Wir nennen das versteckter Lohnraub. „Darüber hinaus steht die Automobilindustrie vor der Herausforderung eines weitreichenden Strukturwandels, was die kontinuierliche Optimierung der Kostenstrukturen erfordert“, sagte der Sprecher des Konzerns. Na was das wohl heißt?
Der britische Ölriese BP will Insidern zufolge rund 15 Prozent seiner Stellen abbauen. Die Vorstandsetage kündigte in einer Online-Mitarbeiterversammlung an, dass das Unternehmen 10.000 der gegenwärtig 70.100 Stellen streichen will – die meisten davon bis Jahresende.
Der Windradhersteller Enercon aus Aurich steckt wegen der schwachen Nachfrage im Heimatmarkt Deutschland seit Monaten in einer Krise. Das Unternehmen hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, 3000 Stellen streichen zu wollen. Jetzt erklärt ein leitender Mitarbeiter, Martin Prillmann, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung „Wir werden in der Enercon-Gruppe um einen weiteren Stellenabbau nicht herumkommen“.
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Hinzu kommen jedoch noch die klein und mittleren Unternehmen (KMU), die i.d.R. Eigentümer geführte Unternehmen sind. Ganz besonders greift die Insolvenzwelle bei Startups der letzten drei Jahre. Unternehmen, die meist nur wenig Beschäftigte haben, allerdings in der Masse die Arbeitslosenzahlen in die Höhe katapultieren lassen.
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Der drohenden Massenarbeitslosigkeit die uns erwartet,
stehen hohe Rettungsmaßnahmen zugunsten
der kapitalistischen Wirtschaft gegenüber!
Über 800 Milliarden Euro an Garantien für Kredite an den Mittelstand. Ein Stabilisierungsfond für die Wirtschaft von 600 Milliarden Euro. Ein Nachtragshaushalt von 156 Milliarden Euro. Steuerausfälle für die kommenden Jahre von mehr als 300 Milliarden Euro. Und jetzt noch ein Konjunkturprogramm von 130 Milliarden. Inzwischen haben sich die EU-Staaten geeinigt, dazu kommt noch ein Wiederaufbaufond für die EU, in Höhe von 750 Milliarden Euro. Das war’s? NEIN, das ist erst der Anfang.

Zugegeben, nicht alle Hilfsprogramme belasten sofort die Staatsfinanzen. Dennoch sind die Geschenke an die Wirtschaft enorm. Auch vor dem Hintergrund, dass manches doppelt gezählt wird, möglicherweise nie wirksam ausgezahlt und mit manchen Hilfszahlungen vom bürgerlichen Staat zusätzlich Ansprüche erworben werden, die bereitgestellten Zahlungen haben ein Volumen wie noch nie zuvor.
Bei der Betrachtung ergeben sich drei Kategorien:
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1. Kategorie | (Hilfs-)Zahlungen und Einnahmeausfälle
(bis zu 400 Milliarden Euro)
Sofort belastet werden die öffentlichen Haushalte durch Hilfszahlungen wie Kurzarbeitergeld und die Zuschüsse an Unternehmen sowie Investitionen in den Gesundheitsbereich. Zusammen mit den Einnahmeausfällen (wurde bei der Steuerschätzung ermittelt) von knapp 100 Milliarden und den wahrscheinlich um etwa 24 Milliarden Euro niedrigeren Sozialbeiträgen ergeben sich nach Schätzungen der Redaktion, zusätzliche Ausgaben und geringere Einnahmen von bis zu 350 Milliarden Euro.
Wenn wir unterstellen, dass im Rahmen des Konjunkturprogramms dieses Jahr noch einmal zusätzliche Ausgaben anfallen werden – für das Gesamtpaket haben wir (die Redaktion) Ausgaben von insgesamt 100 Milliarden Euro unterstellt, die zur Hälfte aber erst im kommenden Jahr wirksam werden – ergibt sich sogar ein zusätzlicher Fehlbetrag von bis zu 400 Milliarden Euro!
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2. Kategorie | Eigenkapitalhilfen, Kredite und Ähnliches
(bis zu 210 Milliarden Euro)
Keine Rolle für das Defizit nach der Definition des Stabilitätspaktes und der (derzeit ausgesetzten) Schuldenbremse spielen hingegen Ausgaben des Staates, durch die er einen Anspruch auf zukünftige Leistungen in mindestens gleicher Höhe erwirbt. Hierunter fallen die 100 Milliarden Euro, die dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds für eine Rekapitalisierung von Unternehmen zur Verfügung stehen, wobei es ähnliche Programme auf Länderebene (insbesondere in Bayern) gibt. Zudem kann der Fonds bis zu 100 Milliarden Euro an die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geben, damit diese über ihre Sonderprogramme mehr Kredite vergeben kann. Diese Darlehen werden ausgereicht durch die Geschäftsbanken, um Investitionen zu finanzieren. Insgesamt können sich die Ausgaben dieser Gruppe auf über 200 Milliarden Euro belaufen.
Da diese Gelder über den Finanzmarkt beschafft werden müssen, erhöhen sich allerdings die Schulden des Staates. Gleiches gilt für den Teil des Wiederaufbaufonds, der als Zuschüsse an EU-Länder verteilt wird. Allerdings wird dies erst dann der Fall sein, wenn die ersten Gelder fließen, was wohl erst 2021 passieren wird. Im Jahr 2021 wird der 20. Bundestag gewählt.
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3. Kategorie | Garantien
(bis zu 1.300 Milliarden Euro)
Den größten Teil der angekündigten Maßnahmen machen Staatsgarantien aus. Auf Bundesebene teilen sie sich auf zwei Programme auf: Garantien des Wirtschaftsstabilisierungsfonds von bis zu 400 Milliarden Euro, mit denen Finanzierungen größerer Unternehmen über den Kapitalmarkt abgesichert werden sollen, und Garantien der KfW von bis zu 822 Milliarden Euro für Kredite der Geschäftsbanken an mittlere und kleinere Unternehmen. Hinzu kommen vergleichsweise kleine Programme einzelner Bundesländer.
Die öffentlichen Haushalte belasten diese Garantien erst, wenn sie tatsächlich bewilligt werden und die damit abgesicherten Kredite auch ausfallen. Damit dürfte sich insbesondere in diesem Jahr der Effekt auf die Haushalte von dieser Seite in Grenzen halten..
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Defizitquote bei 10 Prozent, …
Die Defizitquote bezeichnet im Allgemeinen das prozentuale Verhältnis des Defizits der öffentlichen Haushalte eines Staates (Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherung) zum nominalen Bruttoinlandsprodukt dieses Staates. Die Defizitquote wird meist auf Jahresbasis ermittelt. Gemäß der Maastrichter Konvergenzkriterien sollte die Defizitquote für die Mitgliedsstaaten der EU einen Wert von 3% des BIP nicht überschreiten. Mit etwa zehn Prozent dürfte die Defizitquote die höchste seit der Wiedervereinigung sein.
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….und Schuldenquote springt auf fast 80 Prozent
Kommendes Jahr dürfte das Defizit wieder deutlich niedriger ausfallen, so die Hoffnung der Volkswirte. Sie vertreten die Meinung, die Hilfspakete von Bund und Ländern würden auslaufen, und die Belastung von Seiten der Konjunktur und damit der Unterbeschäftigung dürften deutlich geringer sein als in diesem Jahr. Dennoch vermutet die Redaktion eine Höhe, die gegen die Regelungen des Grundgesetzes verstoßen. Erstaunlich, dass dem bürgerlichen Staat seine eigenen Vorgaben egal sind, wenn es nur seine Interessen betrifft. Anderen Staaten gegenüber, die z.B. den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht einhalten, verhält sich der deutsche Staat als europäischer Imperialist. Der Bundestag wird wohl schon bei der Verabschiedung des Konjunkturpakets diese Regelung des Grundgesetzes mit Verweis auf die Schwere der aktuellen Krise auch für 2021 aussetzen.
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Spätestens 2022 Zeitenwende für die Politik, … und für Steuererhöhungen
Ab 2022 wird die Schuldenbremse aber wohl wieder gelten. Nicht alleine deshalb, weil bis dahin die akute Krise endgültig überwunden sein dürfte, sondern weil eine neu gewählte Bundesregierung (Bundestagswahl findet im Herbst 2021 zum 20. Bundestag statt) schmerzhafte und unpopuläre Entscheidungen treffen wird. Das wird der Zeitpunkt sein, dass die Geschenke an die Wirtschaft dem Steuerzahler als Rechnung präsentiert wird. Vor der Wahl werden die Parteien die „rostigen Säbel“ zu Gunsten ihrer Wähler schwingen. Lassen wir aber das Pinocchio-Spiel beiseite. Nach der Wahl werden, wie wir es kennen, die Masken auch in 2021 fallen gelassen. Der kapitalistische Staat ist mit seinem Parlament Organ der herrschenden Klasse, der Bourgeoisie. Da alle den gleichen bürgerlichen Karren ziehen ist es unerheblich, welche Partei diesen ziehen soll.
Unpopuläre Entscheidung, das heißt: Steuererhöhung!
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Das Handelsblatt schrieb in seiner Onlineausgabe schon vor Jahren zum Thema
ENTSCHULDUNG ÜBER INFLATION:
Die Folterinstrumente des Staates
Regierungen können die relativen Staatsschulden senken, ohne einen Cent von dem geliehenen Geld zurückzuzahlen. Dafür gibt es verschiedene Stellschrauben, an denen Politiker drehen können.
Die Staatsschulden eines Landes werden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen. Deswegen ist immer von „Schuldenquoten“ die Rede. Die relative Staatsschuldenmessung ermöglicht die Senkung der Schuldenquoten mit Hilfe von niedrigen Zinsen. Wenn sich ein Staat rechnerisch von seinen Schulden befreien will, muss das nominale BIP schneller steigen als der Schuldenberg. Dann sinkt die Schuldenquote.

Das nominale BIP misst die Menge aller in einer Volkswirtschaft produzierten Güter und Dienstleistungen zu aktuellen Preisen, enthält also auch die Teuerungsrate. Wenn man die Inflation herausrechnet, erhält man das reale BIP. Dessen Wachstumsrate zeigt, um wie viel die Menge der hergestellten Güter und Dienstleistungen gestiegen (oder gesunken) ist. Das nominale BIP steigt also jährlich in Höhe der Inflationsrate und der realen Wachstumsrate.
Angenommen die Zinsen für die Staatsschulden im Inland wären genauso hoch wie die Inflationsrate. Dann könnte die Regierung die Zinsen vollständig mit neuen Krediten bezahlen, ohne dass die für die Kreditwürdigkeit entscheidende Schuldenquote ansteigt. Denn das BIP würde dann ja mindestens so schnell wie die Schulden wachsen. Falls das BIP auch real zunimmt, würde die Schuldenquote um diese Rate Jahr für Jahr abnehmen.
Ideal für eine Regierung wäre natürlich eine Inflation, die höher als der Zins ist. Dann würde die Schuldenquote noch schneller sinken – nämlich in Höhe des negativen Realzinses plus des realen Wachstums. Die Staatsschulden würden zwar von Jahr zu Jahr um die kreditfinanzierten Zinsen wachsen, aber gemessen am nominalen BIP würden sie jährlich kleiner, weil sie mit einer deutlich geringeren Rate wachsen als das nominale BIP. Auf diese Weise verschwindet ein Schuldenberg, ohne jemals Zinsen und Tilgung zu bezahlen. Und jetzt fragen wir uns, wo sind die ganzen Hilfsprogramme hin geflossen? Natürlich in die Konzerne. Eine Erhöhung der Grundsicherung für Jugendliche und Erwachsene haben die großen Parteien abgelehnt. Übrigens auch die AfD (ohne Stimmenenthaltung).
Fazit: Regierungen im Kapitalismus lieben niedrige Zinsen und manchmal auch höhere Inflationsraten.
Einen Finger kann man brechen
aber fünf Finger sind eine Faust!
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