Presseerklärung der ROTEN HILFE e.V vom 10.07.2020 – 12. Juli 2020
Am vergangene Freitag wurde im Hamburger Elbchaussee-Prozess nach über eineinhalb Jahren das Urteil gefällt und die fünf angeklagten Gipfelgegner verurteilt.
Ein 24-Jähriger Aktivist aus Frankreich erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, er wurde angeblichen wegen schweren Landfriedensbruchs und Beihilfe zur Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Polizist*innen schuldig gesprochen.
Ein 26-Jähriger aus Hessen erhielt eine Bewährungsstrafe auf ein Jahr und fünf Monate Haft, ein weiterer Aktivist wurde zu einer eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.
Zwei der fünf Verurteilten sollen Sozialstunden ableisten, da sie wegen Landfriedensbruchs verurteilt wurden.
Dieses Urteil kam zustande, obwohl vier der fünf Aktivisten keine eigenhändige Straftat zugeordnet, sondern die bloße Teilnahme an dem Protestzug, der sich während des G20-Gipfels im Juli 2020 durch die Hamburger Elbchaussee bewegte und aus dem heraus es zu Angriffen gegen Schaufenster und Autos kam. Auch die Vorwürfe gegen den fünften beschränken sich auf zwei Flaschenwürfe, die weder Personen noch Gegenstände trafen. Mit der staatsanwaltlichen Konstruktion, dass allein das Mitlaufen in einer militanten Gruppe eine „psychische Beihilfe“ darstelle und somit alle Anwesenden für jede einzelne Aktion anderer haftbar gemacht und bestraft werden können, wurde trotzdem eine Verurteilung zu so hohen Strafen möglich.
Schon im Verlauf des Verfahrens war unübersehbar geworden, dass es dem Gericht ausschließlich um eine Verurteilung ging: offensichtliche Pfuschereien bei den Ermittlungen, systematische Beweisfälschungen seitens der SoKo „Schwarzer Block“ und manipulierte Zeug*innenaussagen riefen beim Gericht zwar Verärgerung hervor, führten aber keineswegs zur sofortigen Einstellung des Verfahrens. Die angeklagten Aktivisten selbst waren im Sommer 2018 bei brutalen Razzien von martialischen Polizeikommandos verhaftet und nach Hamburg in Untersuchungshaft verschleppt worden, in der drei über viele Monate festgehalten wurden; der fünfte Betroffene kam erst nach sechzehn Monaten frei.
„Durch diesen politischen Prozess, der lehrbuchhaft die Prinzipien der politischen Justiz und den unbedingten staatlichen Verfolgungswillen zeigt, will der Staat erneut ein Exempel an G20-Gegnern statuieren, linke Bewegungen delegitimieren und alle Aktivist*innen einschüchtern“, merkte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. an. „Indem Menschen, die sich an einem Protestzug beteiligen, aus ihrem Leben gerissen, in Untersuchungshaft genommen und mit so offensichtlich manipulierten Beweisen zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt werden, sollen andere Linke davon abgehalten werden, sich an politischen Aktionen zu beteiligen.“ Abschließend fügte Sommerfeld hinzu: „Mit diesem Urteil wird der Kriminalisierung weiterer Demonstrationen Tür und Tor geöffnet. Aus der Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit wird nach Ansicht des Gerichts die Mitgliedschaft in einer kriminellen Bande – Demonstrationen sind damit also kein grundgesetzlich geschütztes hohes Gut mehr, sondern werden zur Bedrohung und zur potenziellen Straftat erklärt. Ein solcher Angriff auf elementare Rechte kann nicht hingenommen werden, und es ist von größter Bedeutung, dass dieses Urteil in zweiter Instanz gekippt wird.“.
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