„Das größte Glück der größten Menge“ – Erinnern heißt kämpfen!

Am Lilo Herrmann Gedenkstein
 im Stadtgarten der Universität Stuttgart am 20. Juni 2020. Bild: Wolfgang Weichert für beobachternews

Redaktion – 3. Juli 2020

„Wenn ich über das mir bekannte Ziel des Kommunismus befragt werde, dann kann ich dies in einem Satz ausdrücken, und der heißt: das größte Glück der größten Menge … Wenn ich weiter gefragt werde, wie ich mir den Weg zu diesem Ziel vorgestellt habe, dann antworte ich darauf: Durch Überzeugung der Massen und Schaffung einer Mehrheit für den Kommunismus.“ (Lilo Herrmann: 20. Juni 1938)

Einer mutigen Frau, der KPD-Genossin Lilo Herrmann, wurde am 20. Juli in Stuttgart gedacht. Anlass war der 82. Jahrestag ihrer Ermordung durch die Mordschergen der Hitlerflerfaschisten. Ein Aktionsbündnis, rund um das „Linkes Lilo Herrmann Zentrum“ konnte rund 100 Menschen zu einer eindrucksvollen Gedenkfeier mobilisieren.

Wer war Lilo Herrmann?  „Am 20. Juni 1938 wurde die Kommunistin und antifaschistische Widerstandskämpferin Liselotte (Lilo) Herrmann von den Mordschergen der Nazis mit dem Fallbeil hingerichtet, im Alter von noch nicht einmal 29 Jahren. Sie wurde ermordet, obwohl sie ihren kleinen Sohn Walter zurücklassen musste, der dann von den Großeltern großgezogen wurde.

Lilo Hermann 1934 mit ihrem Sohn Walter

Lilo Herrmann hatte der Nazibarbarei vom ersten Tag an Widerstand geleistet. Auch Fritz Rau, der Vater ihres Kindes war im Widerstand gewesen und wurde am 20. Dezember 1933 von Nazischergen im Gefängnis Berlin Moabit bestialisch totgeschlagen.

Als Kommunistin war Lilo Herrmann 1931 der KPD beigetreten. Bewusst stellte sie sich auf die Seite der Ausgebeuteten, der revolutionären Arbeiterbewegung und stritt für Sozialismus und Kommunismus!

Solange sie in Berlin Biologie studierte, beteiligte sie sich an der Organisierung des studentischen Widerstandes, kritisierte den grassierenden biologistischen Rassismus der Nazis. Sie behauptete sich gegen Nazistudenten, die immer frecher jüdische und antifaschistische Studierende und Hochschullehrer  angriffen. Überliefert ist, dass sie nach dem Machtantritt der Nazis einen verschollenen „Aufruf zur Verteidigung demokratischer Rechte und Freiheiten an der Berliner Universität“ unterschrieb. Zusammen mit 110 Berliner Studierenden wurde sie im Juli 1933 von der Uni geworfen, „wegen kommunistischer Betätigung“.

Lilo Herrmann unterstützte in Berlin weiter den illegalen Widerstand, verdiente ihren Unterhalt als Kinderpflegerin. Im September 1934 zog sie mit dem neugeborenen Kind nach Stuttgart und arbeitete im Ingenieurbüro ihres Vaters, wohnte bei den Eltern. Sie nahm auch hier am antifaschistischen Widerstand teil, unterstützte den illegalen KPD-Bezirksleiter Stefan Lovasz. Am 7. Dezember 1935 verhaftete die Gestapo sie in der Wohnung ihrer Eltern in der Hölderlinstraße 22. Vor dem Haus erinnert heute ein „Stolperstein“ daran.

Die Vorbereitungen für Hitlers Eroberungskrieg waren bereits in vollem Gange. Deshalb sahen es die antifaschistischen Widerstandskämpfer/innen als wichtige Aufgabe an, Hitlers heimliche Aufrüstung in der Welt bekannt zu machen. So beschafften sie auch entsprechende Dokumente. Bei Lilo Herrmann wurde der geheime Plan einer unterirdischen Munitionsfabrik gefunden, den ihr die KPD zur Weiterleitung ins Ausland übergeben hatte, für die Nazis ein todeswürdiger Akt des Hochverrats. Am 12. Juni 1937 verurteilte in Stuttgart der für die bewusste öffentliche Demütigung der Angeklagten berüchtigte „Volksgerichtshof“ des brüllenden Blutrichters Roland Freisler Lilo Herrmann, zusammen mit drei Mitstreitern, zum Tode.

Ein breite internationale Soli-Kampagne konnte den Mord nicht mehr verhindern. Am 20. Juni 1938, vor 80 Jahren, wurde Lilo Herrmann gemeinsam mit Stefan Lovász, Artur Göritz und Josef Steidle in Berlin Plötzensee enthauptet. Zum ersten Mal in Nazideutschland starb eine junge Mutter wegen ihres antifaschistischen Widerstands unter dem Fallbeil.
 Lilo Herrmann angesichts von Folter und Todesdrohung laut einem Gestapo-Verhörprotokoll: „Wenn ich über das mir bekannte Ziel des Kommunismus befragt werde, dann kann ich dies in einem Satz ausdrücken, und der heißt: das größte Glück der größten Menge … Wenn ich weiter gefragt werde, wie ich mir den Weg zu diesem Ziel vorgestellt habe, dann antworte ich darauf: Durch Überzeugung der Massen und Schaffung einer Mehrheit für den Kommunismus.“ Ehre dem Angedenken Lilo Herrmanns und ihrer Genossen!

Heute erinnern neben dem Stuttgarter „Linken Zentrum Lilo Herrmann“, einem Ort selbstorganisierten Widerstandes, ein Gedenkstein im Stuttgarter Stadtgarten (nahe der Universität) an Lilo Herrmann. Beim diesjährigen Gedenken gab es wegen der Corona-Bestimmungen keine Live-Musik. Redebeiträge kamen von dem Genossen Klaus Mauser (DKP), dem Genossen Lothar Letsche (VVN-BdA), dem AABS und vom Aktionsbündnis 8. März.

Letsche erzählte die Geschichte Lilo Herrmanns. Er berichtete auch, dass der Stadtjugendring Stuttgart den Gedenkstein, an dem man sich versammelte, 1998 in einer Nacht-und Nebelaktion aufstellte. Da der Stein auf städtischem Boden steht und von der Stadt geduldet wird, konnte die Unileitung nichts gegen das Mahnmal tun. Vertreter andere Organisationen oder Parteien waren leider nicht anwesend, was sicherlich nicht daran lag das sie den Termin vergessen haben..
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Ungezählte Frauen im Widerstand

Die Rednerin des „Aktionsbündnisses 8. März“ sagte, es sei wichtig, an politisch aktive Frauen zu erinnern und ihrer zu gedenken, da die Geschichtsschreibung männlich dominiert sei. Männer erlangten für ihr Handeln immer mehr Aufmerksamkeit als Frauen. Dabei gab es ungezählte Frauen, die Widerstand gegen den deutschen Faschismus leisteten. Es gab Frauen, die sich den Faschisten widersetzten und dafür auch zur Waffe griffen. Nur würden ihre Namen viel zu selten genannt.

Die Rednerin nannte einige Namen: Else Himmelheber, Elisabeth Schikora, Antje Hasenclever, Hannie Schaft, Gretel Maraldo. Weiter sagte sie: „Doch auch heute greifen Faschisten die Rechte von uns Frauen an, versuchen bereits Erkämpftes wieder rückgängig zu machen. Sie vertreten ein Frauen- und Familienbild, wie es in den fünfziger Jahren zu Tage trat. Sie wollen Frauen aus dem gesellschaftlichen Leben herausziehen und ihnen die Rolle der Hausfrau und Mutter zuschreiben.“

Sie gedachte außerdem Clara Zetkins. Auch ihr Todestag jährt sich am 20. Juni. Ohne Zetkin gäbe es keinen Frauenkampftag am 8. März, sagte die Rednerin. Frauen sollten sich Zetkin und Herrmann als Vorbild nehmen.

In der Rede des AABS wurde an den Kampf von Herrmann erinnert, denn diesen müsse man auch heute noch fortführen. „Faschismus und Rassismus sind nach wie vor tödlich und der Kampf dagegen ist immer aktuell.“ Denn erinnern heiße auch kämpfen.

Zum Ende der Kundgebung wurden ein Trauerkranz, rote Nelken und mit den Namen verstorbener Antifaschisten/-innen beschriftet.

Stadtgarten Universität Stuttgart am 20. Juni 2020. Bild: Alfred Denzinger für beobachternews

Erinnern heißt kämpfen!

Das sollte uns, wenn wir unseren ermordeten Genossen gedenken, immer bewusst sein. Kämpfen für eine Gesellschaftsordnung in der es keinen Faschismus und keine Ausbeutung des Menschen, durch den Menschen gibt. Das heißt auch, das wir uns über die Ursachen des Faschismus im Klaren sein müssen. Faschismus ist die Fortführung der kapitalistischen Ausbeuterordnung, unter extrem verschärften Bedingungen – demnach geht die Hauptgefahr für die Errichtung des Faschismus vom kapitalistischen Stadt und seinen Hintermännern in den Aufsichtsräten der Banken und Konzerne aus. Nicht von diesen lächerlichen Gruppen mit ihren dummen, reaktionären Geschwätz. Sie selbst sind das Ergebnis der Existenz des kapitalistischen Staates. Dieser Staat duldet, unterstütz und fördert die faschistische Brut von NPD, AfD, NSU und anderen und noch schlimmer – er selber sorgt schon heute für Verhältnisse, die denen im Faschismus ähnlich sind: Oder wie soll man die derzeit gültige Sozialgesetzgebung nennen? Da werden zigtausende erwerbslos gemacht und mit Almosen abgespeist, der ihnen nicht ermöglicht, in Würde wieder auf die Beine zu kommen. Jedes 3. Kind in den Großstädten ist arm. Die Erwerbslosenzahl sinkt weiter, damit die Herrschenden genügend „Arbeiterpotenzial“ haben um die anderen Werktätigen zu erpressen. Banken und Großbetriebe werden laufend mit Steuergelder „gerettet“ um die Profite zu sichern. Die Regierung ist die Interesssenvertretung der Reichen und kümmert sich letztlich einen Dreck um die Bevölkerung die immer mehr verelendet. Die Polizei wird aufgerüstet und geht immer brutaler gegen Menschen vor, die sich gegen die Regierungsmeinung und das kapitalistische System stellen. Die Regierung schließt die Beteiligung an Angriffskriegen nicht aus und kontrolliert schon heute durch die Stationierung von Truppen der Bundeswehr, die Interessen der Industriellen an 11 Orten der Welt.

Aber, „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“, warnte schon Bertolt Brecht in seinem „Arturo Ui“ vor faschistischen Nachfolgern. Sie sind wieder da und dürfen agieren.

Der Imperialismus nutzt – je nach Lage der Dinge – zur Ausübung seiner Herrschaft entweder die bürgerliche Demokratie, die Präsidialdemokratie oder faschistische Diktatur in unterschiedlicher Ausprägung und Form. Meint das Kapital, seine Interessen letztlich nur mittels faschistischer Diktatur durchsetzen zu können, greift es unweigerlich auch zu diesem Mittel.
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2 Kommentare

  1. Was mir zu Lilo Herrmann einfällt

    Es war schon nach 21 Uhr, als wir uns im Juni 1977 in einer Seitenstraße des Kieler Arbeiterviertels Gaarden trafen. Einer mit einem Eimer voll Tapetenkleister versteckt in einer Einkaufstasche, der Andere mit einer Rolle Plakate unter seinem Parker und ich der dritte Mann des Trupps, der diesen Bezirk in dieser Nacht mit Plakaten der KPD verschönern wollte. „Ilse und Bernd stehen oben – Lilo und Geogi unten an der Straße. Sie werden pfeifen, wenn jemand kommt“ raunte uns der erste Genosse zu. Ich konnte die „da unten“ gut sehen und erkennen… Die eine war meine Freundin aber sie hieß doch nicht Lilo… Irgendwann zwischen ein und zwei Uhr waren wir zu Hause, duschten und fielen erschöpft ins Bett. „Wieso Lilo“ fragte ich neugierig. ,,Das erzähle ich dir morgen, lass uns schlafen, ich muss morgen um 7 Uhr in der Fabrik sein und du um 8 Uhr beim Arbeitsamt.“
    Ja, sie erzählte mir sehr viel – erzählte mir ausführlich warum sie sich den Orgnamen „Lilo“ ausgesucht hat und wer ihr Vorbild Lilo Herrmann war. Letzteres möchte ich nun auch tun um die KPD-Genossin Lilo Herrmann, die vor 82 Jahren von Nazischergen ermordet wurde, zu ehren. Und ein klein wenig denke ich dann auch mit Stolz an „meine“ kleine, stolze Lilo.

  2. Dieser Gedenkstein steht in Stuttgart im Stadtgarten. Wichtig ist, dass sie der erste offiziell Hingerichtete Mensch der Nazi Diktatur ist! Sie war Studentin in Stuttgart.
    In Stuttgart hatten die Nazis es nicht leicht. Hitler wurde bei einer Rede das Stromkabel durchtrennt und damit die Rede unmöglich gemacht. Das waren Freunde meines Vaters.

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