Die „Undogmatische Linke“

Symbolbild
Redaktion – 28. August 2024

„Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten hat. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“1

Wir erheben nicht den geringsten Anspruch darauf, den Genossen, die in der praktischen Arbeit stehen, irgendeine ausgeklügelte Kampfform aufzudrängen oder gar vom Schreibtisch aus die Frage der Revolution zu entscheiden. Wir sehen unsere Aufgabe darin, rücksichtslos die Schablonen und Vorurteile zu bekämpfen, die die bewussten Arbeiter daran hindern, die schwierige Frage der Revolution in der richtigen Weise zu stellen und richtig an ihre Lösung heranzugehen.2 So spricht in der Regel die undogmatische Linke kleinbürgerlicher Herkunft unter Bezug auf die Gedanken der Klassiker.

Die undogmatische Linke legt sich ein marxistisches Kleid an, verabscheut aber den „Mantel“ von Lenin. Die heute in Hannover aktive Interventionistische Linke zum Beispiel und auch viele Mitglieder der Roten Hilfe geben sich „undogmatisch“, ebenso die „linke Linke“ um das Wagenknecht-Bündnis. Sie berufen sich unentwegt auf Marx und klingen dadurch sehr marxistisch. In Wirklichkeit tritt der Marxismus-Leninismus der Welt jedoch nicht mit einem neuen Prinzip entgegen.

Marx schreibt in seinem Brief aus Kreuznach an Ruge im September 1843 ausdrücklich, dass es nicht darauf ankomme, nach der Maxime vorzugehen: „Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder!“ Vielmehr gehe es darum, der Welt aus ihren eigenen Prinzipien neue zu entwickeln. Diese Offenheit und Kreativität im Entwerfen gesellschaftsgestalterischer Konzepte wird von der undogmatischen Linken oft verkündet.

Gewöhnlich nimmt der Kleinbürger diese Neuentwicklung jedoch nur im zivil-theoretischen Sinne an, ohne je auf die Idee zu kommen, dass damit auch, und besonders, von kreativen Formen des Klassenkampfes die Rede ist. Eine halbe „Religion“ führt bekanntlich von Gott ab. Wer heute politisch und klassenkämpferisch ohne Lenin arbeitet, muss politisch ins Leere laufen. Er bleibt in einer Welt stecken, die politisch verkehrt ist.

Dass der wissenschaftliche Sozialismus aus den eigenen Prinzipien der Welt neue entwickelt, wird von den Undogmatischen so ausgelegt, dass am Ende alles Mögliche als Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus betrachtet werden kann. Dem ist jedoch nicht so. Der wissenschaftliche Sozialismus ist nicht „offen wie ein Scheunentor“. Die Klassiker forderten uns auf, alle Verhältnisse umzustürzen und jede revolutionäre Bewegung zu unterstützen, in denen der Mensch ein erniedrigtes und geknechtetes Wesen ist.

Eine rote Gefangenenhilfsorganisation steht daher vor der Wahl, an der Revolution mitzuwirken oder lediglich Strafgefangene zu verwalten, damit sich die Utopie von Saint-Simon nicht erfüllt, nämlich die Herrschaft von Personen über Personen durch die Leitung von Produktionsprozessen und die Verwaltung von Sachen zu ersetzen.

In der kapitalistischen Gesellschaft herrscht die Anarchie der Produktion, durch die stets eine Zufälligkeit im gesellschaftlichen Verkehr der Menschen untereinander entsteht. Was unter „bürgerlicher Freiheit“ zu verstehen ist, verdankt sich weitgehend dieser Zufälligkeit. Bürgerliche Freiheit ist eine zufällige, keine geplante und daher wilde Freiheit. Die bürgerliche Ideologie behauptet, dass Freiheit in dieser Wildheit bestehe, im Sinne von „jeder für sich“, entfesseltem Egoismus.

Der wissenschaftliche Sozialismus ist jedoch kein Sammelsurium von tagespolitischen Einfällen, keine additive Zusammenballung sogenannter freier Meinungsäußerungen. Andernfalls würden die pluralistisch ausgerichteten Sozialisten nicht den Vorwurf des dogmatischen wissenschaftlichen Sozialismus insbesondere gegen Lenin und Stalin erheben.

Es gibt „Diktate“. In der Bewegung, die den jetzigen Zustand aufhebt, liegt die von dem Klassiker Lenin gestellte Aufgabe, die Bourgeoisie völlig zu vernichten. Dies stellt eine tiefgreifende Einschränkung jeder Beliebigkeit gesellschaftspolitischer Reflexionen dar. Der wissenschaftliche Sozialismus unterliegt einer klaren „Verpflichtung“, und es ist offensichtlich, dass kleinbürgerliche Theoretiker diese scheuen. Sie begreifen instinktiv, dass die völlige Vernichtung der Bourgeoisie mit einem kolossalen Bürgerkrieg der schrecklichsten Art verbunden sein wird, dem es zu entkommen gilt.

So verbleiben kleinbürgerliche Theoretiker im Modus der Revolutionsspielerei und gedanklichen Experimente über die beste aller Welten, über die sich vortrefflich diskutieren lässt. In einer sozialen Revolution wird aber primär nicht diskutiert, sondern liquidiert.

Einerseits verhaftet im Sog der Anarchie der Produktion, andererseits befangen in der für die kapitalistische Gesellschaft typischen Herrschaft der Vergangenheit über die Gegenwart, wird Marx gegen den „Dogmatiker“ Lenin ausgespielt. „Lenin gegen den Strich bürsten“ mit der Lektüre von Marx wäre demnach ein Ansatz, der Lenin wieder „tauglich“ für die heutige Zeit machen könnte. So „argumentiert“ die undogmatische Linke. Es sei jedoch sofort hinzuzufügen, dass dies eine Sache ist, die nicht funktionieren kann.

Dies ist ein zentraler Gedanke der „freien“ Marxisten, die so frei sind, dass sie meinen, abseits der „blutigen Weltstraße des Krieges“ stehen bleiben zu dürfen, die darauf verzichten, an dem mitzuwirken, was allein die Arbeiterklasse meistern kann: Geschichte in Weltgeschichte zu verwandeln und zu erheben. Keine andere Klasse der bürgerlichen Gesellschaft ist dazu in der Lage.

Für die kleinbürgerlichen Theoretiker stellt der Leninismus also keine Weiterentwicklung des Marxismus dar. Er wird als rückschrittlich betrachtet, als ein Hemmnis für die Weltrevolution. Wer hier „gegen den Strich gebürstet“ werden muss, ist allerdings nicht Genosse Lenin, sondern die im 19. Jahrhundert stehengebliebenen Dogmatiker vergangener Zeiten. Der Marxismus-Leninismus ist zukunftsorientiert; für ihn ist klar, dass die Gegenwart über die Vergangenheit herrscht.

  1. Karl Marx, Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie, Werke, Band 3, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 35).

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