Das „bedingungslose Grundeinkommen“ und die Realität

Luftschloss Bedingungsloses Grundeinkommen

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Gastautor
Reinhold Schramm – 25. November 2020

Ich bin der Meinung, dass die bestehende Gesellschaftsordnung, – die bestehende kapitalistische Gesellschafts- und Herrschaftsformation, fortwährend Illusionen erzeugt und verbreitet. Die psychologische Tiefenwirkung der Illusion ist ein Wesensmerkmal des Kapitalismus. Sie dient auch den ideologisch, politisch und ökonomisch herrschenden Gesellschaftsschichten zur Erhaltung ihrer Macht und zur Kontrolle über die Abhängigen in der Gesamtgesellschaft.

Der Staats- und Wirtschaftsapparat der bestehenden Gesellschaft, einschließlich das System der Erziehung, Bildung (Schule und Beruf), ebenso alle Medien (mit Ausnahmen) – einschließlich der medialen Künste der Verführung (Bild- bis Waschmittelreklame), produzieren unentwegt Illusionen.

Wir sollten der gesellschaftlich-emanzipatorischen Aufklärung (persönlich) verpflichtet sein und uns nicht bewusst an der Produktion von Illusionen zur folgenden Desillusionierung der Menschen beteiligen.

Es bedarf keines Umwegs für die (bürgerliche) Aufklärung über die Desillusionierung. Sie findet fortwährend statt. Die Gefahr besteht in deren sozialen Folgen, in der Resignation und (abgestuften) Selbstaufgabe. In der fortgesetzten (kampflosen) Anpassung und weiteren Entfremdung. Dies dient letztlich der Zementierung der politischen, ideologischen und sozial-ökonomischen Verhältnisse (insbesondere dem erwünschten Erhalt der privaten Eigentumsverhältnisse) in der bestehenden Gesellschaft.

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Das „Bürgergeld“ bzw. „bedingungslosen Grundeinkommen unter den Bedingungen der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung

Das bedingungslose Grundeinkommen, Karikatur: AllfCartoon. Quelle: YouTube

Da ich laufend mit (Lohnarbeit-) erwerbslosen Kolleginnen und Kollegen (nicht nur) zum gewerkschaftspolitischen Gespräch zusammenkomme und hier auch die Forderung nach „Bürgergeld“ bzw. „bGe“ vertreten wird, hierzu meine Position im ungeschminkten Klartext.
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Die Finanzierung des „Bürgergeld“ bzw. „bedingungslosen Grundeinkommen (bGe)“

1.) > aus der Minderung der laufenden Reproduktionskosten der werktätigen Bevölkerung
…..>
aus dem Mehrwert (des materiellen Produktionsergebnisses)
…..> aus Gewinn und Profit (Betriebsergebnis und Ziel des Eigent.-Aktionärs etc.)
…..>
aus Extra – Profit (Markt- und Manipulation-Realisierung-Ergebnis etc.)

2.) > direkt: aus Minderung der Einkommen der Lohn- und Gehaltsabhängigen.
……> indirekt: aus Steueraufkommen wie Einkommenst., Lohnsteuer, MwSt.
……> aus Erbschaftssteuer.
……> aus „Spekulations“- Steuer etc.

3.) > aus Finanz-Umlage auf Produkte (Abschöpfung über div. Steuersätze etc.).

4.) Kapitalismus – Imperialismus:
…..> Fortgesetzte imperiale Ausplünderung der in Abhängigkeit, Unterdrückung und Unterwerfung gehaltenen Regionen der Welt. Hier durch weitere vertiefte Beteiligung der Gewaltapparate der kapitalistischen-imperialistischen Metropolen und Staaten (Allgemein: – der ökonomisch entwickelten Klassengesellschaften). Teil-Verwendung der zusätzlich erhaltenen vermehrten (materiellen) Ausplünderungswerte zur Finanzierung des „Bürgergeldes“ bzw. „bGe“ in den Metropolen der kapitalistischen-imperialistischen Welt.
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Die Forderung nach „Bürgergeld“ bzw. „bedingungslosen Grund-
einkommen ist eine reaktionäre (-menschenfeindliche) Forderung

Denn sie dient der erweiterten Einbeziehung von großen Teilen der Bevölkerung an den imperialistischen (expansionistischen-geopolitischen-wirtschaftspolitischen) Ausbeutungs- und Ausplünderungsverhältnissen. Sie dient gleichermaßen der Ablenkung von innergesellschaftlichen Widersprüchen und deren Stabilisierung in der bestehenden Gesellschaftsordnung.

Sie ist ein Bestandteil der Ablenkungs- und Überlebensstrategie der bestehenden Herrschaft der Bourgeoisie. Sie dient der Kapitalherrschaft und deren Administration auf wirtschaftlichem, politischem, ideologischem und militärischem Gebiet, auch zur Festigung der Macht- und Eigentumsverhältnisse.

Die Forderung dient der gesellschaftlichen Anbindung weiterer randständiger, kleinbürgerlicher und bürgerlicher Teile der Gesellschaft an die Interessen und „Globalisierungsinteressen“ des Kapitals.
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Analogien aus der Geschichte

Modifiziert besteht ein Vergleich zur Deckelung und Verhinderung einer sozialen und gesellschaftspolitischen Umwälzung, analog zu den Zwanziger- und Dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.

Ein gutes Beispiel ost die Vorfinanzierung des deutschen Faschismus, der späteren staatlichen terroristischen Ausprägung des Kapitalismus, seiner führenden Organisationen im Interesse und Auftrag des Kapitals und damit die Finanzierung der NSDAP, SA, SS und allen Gliederungen des faschistischen Organisationsapparates und deren folgenden Integration in den kapitalistisch-terroristischen (faschistischen) Staatsapparat.

Zunächst werden Tausende später Hunderttausende finanziert. Insbesondere in Gegenstellung zur politischen-antikapitalistischen Arbeiter/innen- und Gewerkschaftsbewegung. Um eine gesellschaftspolitische Entwicklung zur Überwindung des Kapitalismus, zur Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln einschließlich Grund und Boden zu verhindern.

Die Finanzierung des Faschismus vor 1933 schuf die soziale und gesellschaftliche Basis zur Errichtung der faschistischen Herrschaft der terroristischen Diktatur des Kapitals. Die Finanzierung diente der Erhaltung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung in Deutschland!
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Abschließend

Bei Bedarf dient die „Finanzierung“ der Schaffung eines relativ stabilen gesellschaftlichen Bereichs. Hier auch für die Zustimmung von großen Teilen der Bevölkerung zur erweiterten Expansion des Kapitals (- deutschen Imperialismus) in der Welt.

Die Forderung und Hoffnung nach Umsetzung und Realisierung des „Bürgergeldes“ bzw. des „(bGe)“ dient auch der Einbindung der Arbeitslosen und anderer prekarisierter Teile der Gesellschaft zur psychologisch und politisch-ideologischen Ablenkung von der fortgesetzten Herrschaft des Kapitals und dessen (realen) Verbrechen.

Vor diesem Hintergrund ist die Forderung von „Bürgergeld“ oder einem „(bGe)“ die reaktionäre Forderung auch der „(Klein-) Bürger“ und von Angehörigen der Bourgeoisie nach fortgesetzter einseitiger Verteilung des Reichtums der Welt in der derzeitigen Klassengesellschaft.

Die Diskussion und Forderung ist zugleich ein psychologisches Ablenkungsmanöver. Sie ist auch bestimmt für Teile der sozialen Bewegung und dient deren Aufspaltung. Sie dient dem Machterhalt und der Stabilisierung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung auch in der sozial-ökonomischen Krise des Kapitalismus..

Schlussfolgerung und gewerkschaftliche Aufgabenstellung

Solidarität mit den sozial ausgegrenzten Teilen der Gesellschaft: den Obdachlosen, Arbeitslosen, Migranten, Unterbezahlten in Erwerbsarbeit, Behinderten, Jungen und Alten muss die gewerkschaftliche Aufgabe sein! Ebenfalls muss die Aufgabe die Einbeziehung der Prekarisierten und qualifizierten Hand- und Kopfarbeiter außerhalb und innerhalb der (beruflichen) Verwertungs- und Erwerbsarbeit muss sein. Die Einbeziehung in gemeinsame solidarische Kampfmaßnahmen und die gewerkschaftliche Vertretung (auch für Nicht-Mitglieder) und Rechtsbeistand müssen (gewerkschaftlich) organisiert werden. Die Beteiligung aller Menschen – ob mit oder ohne Erwerbsarbeit – an den sozialen und politischen Kämpfen muss selbstverständlich sein!
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Unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen wären folgende Forderungen richtig:

Drastische Verkürzung der Arbeitszeit
(30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.
Analog im Schulbereich minus 25 %. Verkleinerung der Klassen-Lerngruppen.
Erzieher und Lehrer gemeinsam im Unterricht.
Erhöhung der Qualität in Erziehung, Bildung und Ausbildung)

-Einstellung aller Erwerbslosen und behinderten Menschen
entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit (unabhängig vom Lebensalter)

-Bezahlung nach Tarif gemäß der beruflichen Qualifikation.
Anpassungsqualifikation auf tariflicher Grundlage
Erhöhung der Tarife.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
(unabhängig vom Lebensalter, Geschlecht und Herkunft)

Parallel zur Durchsetzung dieser Forderungen wären die geistige Aufklärung und die politisch-ideologische Auseinandersetzung über die bestehende kapitalistische Gesellschaftsordnung, einschließlich deren gesellschaftliche-psychologische und soziale Unterwerfungs- und Entfremdungspotenziale und zu deren Überwindung, zu führen.

Mit gewerkschaftlichem Gruß
Reinhold Schramm

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Über den Autor: Reinhold Schramm ist Gewerkschafter, Möbeltischler-Facharbeiter, Betriebsschlosser und Metall-Dreher-Facharbeiter, Tischler-Handwerksmeister, Lehrer für Fachpraxis, und hatte als Kommunist Berufsverbot.

Über eine lebhafte, solidarische und erkenntnisreiche Diskussion meiner Vorlage, hier (unten) im Kommentarbereich, würde ich mich freuen und mich daran nach meinem Ermessen beteiligen.

 

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3 Kommentare

  1. Noch Aspekte zur Wirklichkeit beim BGE

    Anmerkungen zur geistig-manipulatorischen Forderung der Bürgerkinder und Erbschaftskinder nach einem BGE für die Einwirkung auf die Massenpsychologie der ganzen Bevölkerung im heutigen Kapitalfaschismus der Wirtschafts-, Reichtums- und Konsummetropolen.

    ►Ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Klassengesellschaft gibt es nicht, nicht heute und auch nicht morgen.

    In einer (zukünftigen) klassenlosen Gesellschaftsformation des Sozialismus stellt sich diese bürgerlich-idealistische Frage nicht mehr.

    ►Im Kapitalismus gibt es nur ein (systemkonformes) Grundeinkommen für die anpassungsfähigen Kinder der Administration und Erbschaftskinder der Bourgeoisie, aber niemals für die gesamte Bevölkerung.

    Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen ist ein bürgerlich-ideologisches und neoliberales Konstrukt, sie dient zur tiefenpsychologischen Manipulation und Anpassung aller gesellschaftlichen sozioökonomischen Schichten und Klassen an die bestehende kapitalistische Gesellschaftsformation. Sie dient der Schaffung einer massenwirksamen Illusion einer (vorgeblich individuellen) persönlichen Befreiung von Ausbeutung und Unterwerfung im Kapitalismus, bzw. im Kapitalfaschismus und Bourgeoissozialismus des 21. Jahrhunderts.

    Sie dient der Stabilisierung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und nicht der Aufhebung und Beseitigung der Ausbeutung und Entfremdung.

    ●, dafür muss man den Kapitalismus-Imperialismus beseitigen!

    Lese-Empfehlung:

    ►Wilhelm Reich: Die Massenpsychologie des Faschismus. KiWi Verlag.

    ►Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer? Westend Verlag.

    Nachtrag:

    Von Clara Zetkin

    Gegen den Pazifismus (Auszug)

    “Der Pazifismus ist seinem Wesen nach bürgerliche Sozialreform, ist eine spezifische Form der bürgerlichen Sozialreform und ebenso ohnmächtig wie diese, die Widersprüche, Gegensätze und Übel des Kapitalismus zu überwinden.“

    “Um sich von der Ausbeutung und Unterdrückung zu befreien, muss die Arbeiterklasse der Bourgeoisie nicht bloß die Produktionsmittel des Lebens entreißen, sondern auch die Produktionsmittel des Todes. Gewalt lässt sich nicht weg disputieren und nicht weg beten. Gewalt kann nur durch Gewalt gebrochen werden. Das sprechen wir Kommunisten offen aus, nicht weil wir ‘Anbeter der Gewalt’ sind, wie sanfte bürgerliche und sozialdemokratische pazifistische Gemüter uns beschuldigen. Nein, wir beten die Gewalt nicht an, jedoch wir rechnen mit ihr, weil wir mit ihr rechnen müssen. Sie ist da und spielt ihre geschichtliche Rolle, ob wir wollen oder nicht.

    Es fragt sich nur, ob wir sie widerstandslos erdulden oder ob wir sie kämpfend überwinden wollen.“

    Quelle: Clara Zetkin, Gegen den Pazifismus. Aus der “Kommunistischen Fraueninternationale“ 1922.

    26.11.2020, R.S.

  2. Unter kapitalistischen Rahmenbedingungen wird es kein BGE geben, das den Namen verdient.
    Was jedoch voraussichtlich tatsächlich noch kommen wird, ist eine fatale Mogelpackung.
    Nach Überwindung der Herrschaft des Kapitals darf und wird es kein BGE mehr brauchen.

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