Airberlin: Moderne Raubritter

Karrikatur: C. Latuff, CC0

Diethard Möller – 2. Juni 2020

Wenn man im Mittelalter von einem Raubritter überfallen wurde, durfte man sich, wenn man dazu in der Lage war, wehren und zurückschlagen. Tötete man dabei den Räuber, so wurde man vor kein Gericht gestellt. Man durfte auch weglaufen und sein Gut, auf das es der Raubritter abgesehen hatte, retten. Zudem war ein Raubritter gut erkennbar: Er kam in einer Rüstung und war schwer bewaffnet.

Moderne Raubritter hingegen kommen in einem gediegenen Anzug mit Krawatte, sind unbewaffnet und zivilisiert. Statt einer Waffe besitzen sie ein Dokument, mit dem sie ihre Eigentumstitel vor jedem Gericht geltend machen können. Und wer sich gegen sie wehrt, sie niederschlägt, der kommt vor Gericht und hinter Gitter.

Air Berlin, Bild: Ralf Hirschberger. Quelle: YouTube

So geschieht es aktuell bei Airberlin, die vor beinahe drei Jahren in die Insolvenz ging.

Bis zuletzt hatten die 8600 Kolleg/innen in der Hoffnung auf eine Rettung ihrer Arbeitsplätze geschuftet. Die Kündigungen wurden vom Bundesarbeitsgericht im Mai 2020 für unrechtmäßig erklärt. Doch ihre Ansprüche auf weitere Lohn- und Gehaltszahlung stehen nur auf einem Papier, das nichts wert ist. Sie bekommen nichts! Andere dagegen haben wertvollere Papiere wie Schuldscheine, Eintragungen ins Grundbuch, Sicherungsverträge. Und diese Herrschaften, die da im teuren Anzug mit Krawatte zur Insolvenzkasse drängen, haben eben Vorrang vor denen, die über viele Jahre die Profitmaschine Airberlin am Laufen hielten und diesen feinen Herrschaften ihre Profite, Dividenden, Zinszahlungen möglich gemacht haben. Daher erhalten sie Geld aus der Insolvenzmasse, und die Kolleg/innen, deren Forderungen juristisch „nachrangig“ sind, gehen leer aus. Sie haben auf dem Papier recht, wertloses Recht.

Das Kapital hat sich ein feines juristisches Netz geknüpft, wonach es immer Vorrang hat. Moderne Raubritter benötigen daher keine sichtbaren Waffen. Das erledigt der bürgerliche Staat für sie. Sollten die Kolleg/innen auf die Idee kommen, sich ihr Eigentum mit Gewalt zu nehmen, dann würde der Staat sie gewaltsam daran hindern. Sie kämen hinter Gitter.

Ein Rechtsstaat? Ja, aber ein Rechtsstaat des Kapital!

Eine Demokratie? Nein, eine Diktatur des Kapitals!

Anmerkung: Natürlich stimmt das Bild vom Mittelalter nicht ganz. Denn auch da gab es schon legale Raubritter wie den Adel, die Kirche. Die durften sich den Zehnten erpressen. Bauern vom Land jagen, Menschen in den Schuldturm werfen. Dieses legale Raubrittertum ist „gute, alte Tradition“ aller Ausbeutergesellschaften bis heute. Und wer sich dagegen wehrt, ist rasch ein „Krimineller“. Aber gerade deshalb hat es immer wieder Aufstände und Revolutionen gegen Ausbeutung und Unterdrückung gegeben. In Deutschland 1525 der Bauernkrieg, 1848 die demokratische Revolution und 1918 die Novemberrevolution gegen Krieg und Kapital. Wenn Ausbeutung und Unterdrückung unerträglich werden, dann hat das Volk irgendwann keine Angst mehr und steht auf.

„Die Proletarier dieser Welt haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ (Marx/Engels: Manifest der Kommunistischen Partei)

Erstveröffentlichung am 31. Mai 2020 auf Arbeit-Zukunft. Veröffentlichung mit freundlicher genehmigung des Herausgebers.


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Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.

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